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Medicina in nummis: Heilkunde im Spiegel von Münzen und Medaillen

Seit uralten Zeiten erfreuen sich Mediziner großer Wertschätzung, einige werden sogar als Heilige oder als „Götter in Weiß“ verehrt. Wer sich Münzen und Medaillen zu medizinischen Themen verschrieben hat, beackert ein „weites Feld“, um mit Theodor Fontane zu sprechen, der von Haus aus Apotheker war. Bereits seit der Antike waren die Heilkunde und Vertreter dieses Faches Thema von Münzen und Medaillen, doch erst im 19. Jahrhundert avancierte dieses Sujet zu einem beliebten Sammel- und Forschungsgegenstand. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit dem umfangreichen Gebiet „Medicina in nummis“.

Sammlern dürfte der Katalog der Sammlung des Triester Augenarztes Josef Brettauer (1835–1905) bekannt sein, den 1937 der Wiener Numismatiker Eduard Holzmair unter dem Titel „Medicina in nummis“ veröffentlicht hat. Wer das illustrierte Buch und weitere Grundlagenwerke dieser Art besitzt, kann sich glücklich schätzen. In großen Bibliotheken und Münzkabinetten dürften sie zum Studium bereit liegen. Das Thema umfasst Münzen und Medaillen, die anläßlich von Geburtstagen, Jubiläen und zum Tod von bedeutenden Ärzten und Pharmakologen geschaffen wurden. Eingeschlossen sind Prägungen, die mit Porträts, Gebäudeansichten und Allegorien in Erinnerung halten, was mit Medizin, Krankenpflege, Gesundheitspolitik, Rettungswesen, bedeutenden Entdeckungen auf medizinischem Gebiet, Heilpflanzen und dem Kampf gegen Hunger und Seuchen zu tun hat, um die Bandbreite anzudeuten.


Münzen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR von 1975 zu Ehren von Albert Schweitzer könnten am Anfang einer Sammlung zum Thema „Medicina in nummis“ stehen [5 D-Mark: Antykwariat Michal Niemczyk. Auktion 25/2740; 10 Mark: Münzenhandlung Harald Möller GmbH, Auktion 70/696]


Zur Abwehr von Pest und Cholera hat man vor Jahrhunderten spezielle Amulette am Körper getragen oder an der Kleidung befestigt. Sie haben wenig geholfen, denn Viren und Bakterien rafften ihnen zum Trotz unzählige Menschen dahin. Im Umlauf waren Prägestücke, die die Gläubigen zu gottesfürchtiger Lebensweise mahnen und damit gegen todbringende Krankheiten „fest“ machen. Die oft mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament geschmückten Stücke kommen gelegentlich vergoldet und mit einem Henkel oder einem Schmuckrand versehen vor. Die große Zahl der Stempelvarianten deutet darauf hin, dass die Pestmedaillen oder Pesttaler beliebt und weit verbreitet waren. Sie sind in dem Werk von Ludwig Pfeiffer und Carl Ruland „Pestilentia in nummis“ (Tübingen 1882) und in anderen Büchern publiziert. Man findet manche Stücke in Auktionskatalogen und Verkaufslisten des Münzhandels.


Friedrich Wilhelm III. von Preußen belohnte um 1800 mit dieser Medaille, wer sich für die Kuhpocken-Impfung einsetzte und damit der Seuche Einhalt gebot [MK der Staatlichen Museen zu Berlin, 18248885]


Die seit der Erfindung der europäischen Buchdruckerkunst Mitte des 15. Jahrhunderts überall in Umlauf gesetzte Pestliteratur riet, sich vor Totengräbern, Leichenwäschern, Abdeckern, Henkern, Krüppeln, Zigeunern, Hexen und Juden fernzuhalten und alles Saufen, Ehebrechen und andere Todsünden zu unterlassen. Als bestes Mittel, um der Pest zu entkommen, die nach Hunger und Krieg zu den großen Plagen der Menschheit zählte, wurden Gottesfurcht, Reinlichkeit und Enthaltsamkeit sowie Flucht in entlegene Gebiete gepriesen. Der Ratschlag hatte zur Folge, dass die Pest auch dort um sich griff. Erst im Laufe des 16. Jahrhunderts schwante einigen besonders hellsichtigen Medizinern, dass nicht giftige Winde und sündiges Leben Auslöser der Pest sind, sondern gewisse „Körperchen“, die die Seuche von Mensch zu Mensch übertragen.


Im 16. Jahrhundert waren Pesttaler mit Szenen der Kreuzigung und Auferstehung Christi beliebt. Hier: Pesttaler der Stadt Goslar von 1548 [Münzzentrum Rheinland, Auktion 180/1266]


In der Literatur werden häufig Pestmünzen und -medaillen aus Berlin, Braunschweig, Breslau, Erfurt, Hamburg, Magdeburg, Regensburg und Wien erwähnt, doch müssen weitere Ausgaben hinzu gerechnet werden, denn Seuchen und mit ihnen verbundene Abwehrmaßnahmen einschließlich von Impfkampagnen waren ein großes Thema. Die Herstellung der Pesttaler mit Kreuzigungs- und Auferstehungsszenen war ein lukratives Geschäft, und eines der Zentren war die böhmische Bergstadt Sankt Joachimsthal, die wir als Geburtsort und Namensgeber des Joachimsthalers oder Talers kennen. Die kunstvoll gestalteten Prägungen zum Thema Pest zu bekommen, bedarf großer Mühe und Geduld, aber hier hilft der Münzhandel, der solche Stücke immer wieder im Angebot hat.

Einfacher und preiswerter ist es, wenn man nach Münzen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zu Ehren bedeutender Mediziner sowie nach Medaillen Ausschau hält,die an sie erinnern. Nach ihnen systematisch zu suchen, bringt auch medizinischen Laien viel Freude und neue Erkenntnisse.


DDR, 10 Mark von 1986. Rückseitig die 1710 gegründete Charité in Berlin

[Teutoburger Münzauktion GmbH, Aktion 140/3412]


Anmerkung der Redaktion

Die eingangs erwähnte Brettauer-Sammlung befindet sich heute im Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien.

Auf der Instituts-Webseite ist eine von Prof. Hubert Emmerig zusammengestellte und laufend gepflegte Bibliographie zu Publikationen zu diesem Sammelgebiet zu finden. Diese kann nicht nur für versierte Sammler bestimmter Bereiche der „Medicina in nummis“ eine konkrete Hilfestellung bieten, sondern verdeutlicht auch das enorme Spektrum, das dieses Sammlungsgebiet abdeckt.

Lassen Sie sich inspirieren!

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