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Schicksalsbaum der Deutschen: Eichenlaub auf Münzen

Bereits in der Antike weit verbreitet, erlebte die Verwendung von Eichenlaub auf Münzen Ende des 18. Jahrhunderts eine Renaissance. Nach dem Sieg der französischen Revolution und dem Sturz des Königs wurden auf Münzen die von Lorbeerzweigen umkränzten bourbonischen Lilien durch das mit der phrygischen Mütze geschmückte Liktorenbündel ersetzt und von einem Eichenkranz eingefasst. Der 1802 vom Ersten Konsul Napoleon Bonaparte, ab 1804 Kaiser Napoleon I., gestiftete Orden der Ehrenlegion ist mit einem Kranz aus Lorbeer- und Eichenzweigen geschmückt. Auch das 1813 am Vorabend der Befreiungskriege vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. geschaffene Eiserne Kreuz trägt drei Eichenblätter als Schmuck.


Nach der Revolution von 1789 schmückte man Münzen mit patriotischen Bildern, Parolen und Eichenlaub.

Der Reichstaler mit dem Kopf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. aus dem Jahr 1814 zeigt auf der Rückseite die von einem Eichenkranz umschlossene Wertangabe.


Auf den deutschen Münzen wurde im 19. Jahrhundert der fürstliche Lorbeer durch das „bürgerliche“ Eichenlaub abgelöst. Reichlich ist es auf preußischen Reichstalern und anderen Werten sowie auf Münzen anderer Monarchien vertreten. Ein Eichenkranz umschließt probeweise geprägte Kupfermünzen zu 10 und 5 Pfennigen, auf denen Preußens Personifikation Borussia segnend dargestellt ist. Auch der anlässlich des Besuchs des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) im Jahre 1812 geprägte Kronprinzentaler mit der Inschrift GOTT SCHÜTZE IHN UND DEN THEUREN ERBEN SEINES THRONS verwendet den Eichenkranz als Schmuck.


Viele Geldstücke wurden im 19. Jahrhundert statt mit Lorbeerblättern mit Eichenlaub als Verzierung fürstlicher Wappen geschmückt. Es kommen auch Kombinationen vor, etwa auf dem königlich-sächsischen Verfassungstaler von 1831.


Im Deutschen Kaiserreich hat man Kursmünzen mit Eichenzweigen verziert.


Angesichts der Gunst, in der die Eiche bei den Deutschen stand und heute steht, nimmt es nicht Wunder, dass auch Münzen der Kaiserzeit und danach mit Kränzen oder einzelnen Blättern der Eiche geschmückt wurden. Die kaiserzeitlichen Mark- und 50-Pfennig-Stücke sowie die großen Zwanziger aus Kupfernickel kommen ohne diesen Schmuck nicht aus.

Die auch „Schicksalsbaum der Deutschen“ genannte Eiche schmückt in voller Schönheit die zwischen 1927 und 1933 geprägten 5-Mark-Stücke der Weimarer Republik. Dass sie das ganze Münzrund einnimmt, war neu und ungewöhnlich. Die Ausprägung der nach einem Entwurf von Max Dasio (München) gestalteten Kursmünze wurde am 21. Juli 1927 im Reichsgesetzblatt verkündet. Dass die bis Anfang 1933 in riesigen Stückzahlen geprägte, durch die vielen Einschmelzungen aber selten gewordene Münze eine längere Vorgeschichte hatte, war damals weitgehend unbekannt. Einzelheiten sind in den Akten des Reichskunstwartes Edwin Redslob vermerkt, die im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde aufbewahrt werden. Aus ihnen geht hervor, dass Dasio mehrere Vorschläge unterbreitet hat, die aber keinen Anklang fanden.


In einem Vermerk vom 4. April 1924 an den Reichsminister der Finanzen hielt Redslob seine Einwände fest. Gegenüber dem Schriftband BLÜHE DEUTSCHES VATERLAND wirke der Baum zu klein, was von Dasio in einem zweiten Anlauf korrigiert wurde. Die Akten geben Aufschluss über die damals diskutierte Frage, warum der Baum einige verdorrte Zweige hat. Ein Schreiben an den Vorsitzenden der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer, Prof. Dr. Pfeiffer, beantwortete Redslob am 17. April 1929 so: „Die Mitteilung wegen der fehlenden zweige am Eichbaum des Fünfmarkstücks interessierte mich sehr, der Gedanke, dass sie sich auf Elsass-Lothringen und Oberschlesien [zwei durch den Versailler Friedensvertrag abgetretene Gebiete, H. C.] bezögen, ist nachträglich hineininterpretiert. Der erste Entwurf hatte übrigens die Inschrift ,Blühe deutsches Vaterland‘, die eine solche Deutung ausgeschlossen haben würde“. Eine an Dasio gerichtete Anfrage, ob er bei seinem Münzbild die Symbolik bewusst angewandt habe, ergab die Antwort, die Vox populi, also die Stimme des Volkes, habe schon recht gehabt mit den Ästen an der Eiche.


Berühmt wurde und bei Sammlern begehrt ist das von 1927 bis Anfang 1933 geprägte 5-Mark-Stück, auf dem ein prächtiger Eichenbaum abgebildet ist.


Edwin Redslob setzte sich, wie wir beim Anblick der ab 1927 in allen sechs deutschen Münzstätten geprägten Fünfmarkstücke mit dem Eichbaum erkennen können, nicht mit der Inschrift BLÜHE DEUTSCHES VATERLAND durch, denn es wurde die Zeile EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT verwendet. Damit konnte sich Redslob nicht anfreunden, denn er sah eine Diskrepanz zwischen dem Baum und der Umschrift in der realisierten Form: „Um nämlich die vom Reichsfinanzministerium aus gewünschte Verwendung des Baumes als Münzbild zu motivieren, da ja eigentlich landwirtschaftliche Motive auf Münzen wenig günstig sind, hatte ich als Umschrift empfohlen ,Blühe, deutsches Vaterland‘. Mit dieser Umschrift würde man den Baum als Symbol Deutschlands viel eher verstanden und gewürdigt haben als mit der jetzigen Umschrift, die auf das Münzbild keinen Bezug nimmt.“ Die vom Reichsfinanzministerium zu seinem Ärger eigenmächtig vorgenommene Änderung veranlasste Redslob zu der grundsätzlichen Bemerkung: „Von dem Wunsche beseelt, dass die Münzen des Deutschen Reiches so gut wie nur irgend möglich ausgeführt werden, möchte ich also dringend bitten, dass ich künftig nicht bei Ablieferung des ersten Entwurfs zeichnerischer oder plastischer Art ausschalte [gemeint ist ausgeschaltet werde, H. C.], sondern bis zuletzt und gerade während der ganzen Bearbeitung der Ausführung beteiligt bleibe“.


Die in der Bundesrepublik Deutschland geprägten Kursmünzen verwenden Eichenblätter als Schmuck und Erkennungszeichen, so die ab 1949 geprägten Pfennige und Groschen. Symbolkraft besitzt angesichts des gigantischen Wiederaufbauprogramms nach dem Zweiten Weltkrieg die kniende Frau, die eine junge Eiche pflanzt. Die Allegorie erschien erstmals auf den 50-Pfennig-Stücken von 1949 und wurde bis 2001 geprägt. Eichenblätter rahmen die Wertzahl auf den von 1950 bis 2001 geprägten 1-Mark-Stücken ein. Auch auf Pfennigen, Groschen, 50-Pfennig- sowie 1- und 2-Mark-Stücken der DDR findet man Eichenblätter.


Eichenblätter schmücken viele Kursmünzen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.


Als vor der Einführung des Euro-Bargeldes 2002 nach Münzmotiven gesucht wurde, standen zahlreiche Vorschläge zur Diskussion. Eingereicht wurden unter anderem Entwürfe mit Porträts prominenter Persönlichkeiten und Bauwerken sowie Allegorien. Allerdings wurden nur solche Entwürfe verwirklicht, die im In- und Ausland ohne weiteres als „typisch deutsch“ zu erkennen sind. Deshalb schmücken der Bundesadler, das Brandenburger Tor und Eichenblätter unsere Kursmünzen im Wert bis zwei Euro.


Alle Abbildungen entstammen dem Bildarchiv des Autors.



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