Medicina in nummis: Heilkundliche Medaillen im Medizinhistorischen Museum der Berliner Charité
- Helmut Caspar

- 27. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Seit uralten Zeiten erfreuen sich Mediziner großer Wertschätzung, einige werden sogar als christliche Heilige oder als „Götter in Weiß“ verehrt. Seit der Barockzeit hat man Vertreter dieses Faches durch Münzen und Medaillen geehrt. Doch erst im 19. Jahrhundert avancierte dieses Sujet zu einem beliebten Sammel- und Forschungsgegenstand. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich seither mit dem umfangreichen Gebiet „Medicina in nummis“. Das Medizinhistorische Museum der Berliner Charité besitzt eine große Zahl von Belegstücken aus Silber, Kupfer, Bronze und anderen Metallen.

Das Medizinhistorische Museum der Charité zeigt auf drei Etagen eine Auswahl seiner Sammlungen und ehrt Ärzte, die Bedeutendes für den Kampf gegen Krankheiten und die Bewahrung der menschlichen Gesundheit geleistet haben und dies auch heute tun. Das Museum war 1899 von Rudolf Virchow als Pathologische Sammlung gegründet worden.
Wie bei einem Besuch im Depot von Justine Seurig zu erfahren war, setzt sich die Sammlung aus dem Altbestand der Charité und Neuzugängen zusammen. Zu sehen sind Ausgaben zur Erinnerung an Rudolf Virchow, Robert Koch und weitere Mediziner, ferner Auszeichnungen und Preismedaillen sowie Broschen, mit denen sich Krankenschwestern zu erkennen gaben. Ein ganzes Schubfach zeigt hell glänzende Kupfermedaillen mit den Bildnissen von Medizinern, die dem Koordinierungsrat der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften beim Ministerium für Gesundheitswesen der DDR angehörten. Einige Prägungen werden in der Ausstellung über die Geschichte der 1710 von König Friedrich I. aus Furcht vor dem Eindringen der Pest vor den Toren der Haupt- und Residenzstadt gegründeten Charité gemeinsam mit menschlichen Präparaten sowie Grafiken, wissenschaftlichen Apparaten und anderen Hinterlassenschaften aus ihrer über 300 Jahre alten Geschichte gezeigt.

Justine Seurig zeigt Münzen und Medaillen zum Thema „Numismatica in nummis“. In der ständigen Ausstellung ist eine kleine Auswahl zu sehen.
Sammlern dürfte der Katalog der Sammlung des Triester Augenarztes Josef Brettauer (1835-1905) bekannt sein, den 1937 der Wiener Numismatiker Eduard Holzmair unter dem Titel „Medicina in nummis“ veröffentlicht hat. Wer das illustrierte Buch und weitere Grundlagenwerke dieser Art besitzt, kann sich glücklich schätzen. In großen Bibliotheken und Münzkabinetten liegen sie zum Studium bereit. Das Thema umfasst Münzen und Medaillen, die anlässlich von Geburtstagen, Jubiläen und zum Tod von bedeutenden Ärzten und Pharmakologen geschaffen wurden. Eingeschlossen sind Prägungen, die mit Porträts, Gebäudeansichten und Allegorien in Erinnerung halten, was mit Medizin, Krankenpflege, Gesundheitspolitik, Rettungswesen, bedeutenden Entdeckungen auf medizinischem Gebiet, Heilpflanzen und dem Kampf gegen Hunger und Seuchen zu tun hat.

Die in der ständigen Ausstellung des Medizinhistorischen Museums der Charité werden Silbermedaillen aus dem frühen 19. Jahrhundert zu Ehren des Begründers der modernen Psychiatrie Johann Christoph Reil, des Berliner Augenarztes Carl Ferdinand von Graefe und des Medizinprofessors Christoph Wilhelm Hufeland gezeigt, dem wir den Grundsatz „Vorbeugen ist besser als Heilen“ verdanken.

Die auch in der Sammlung des Medizinhistorischen Museums vertretene Medaille erinnert daran, dass die Cholera Berlin 1831 erreichte und ein Jahr später wieder verließ.
Zur Abwehr von Pest und Cholera hat man vor Jahrhunderten spezielle Amulette am Körper getragen oder an der Kleidung befestigt. Sie haben wenig geholfen, denn Viren und Bakterien rafften ihnen zum Trotz unzählige Menschen dahin. Im Umlauf waren Prägestücke, die die Gläubigen zu gottesfürchtiger Lebensweise mahnten und damit gegen todbringende Krankheiten „fest“ machen sollten. Die oft mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament geschmückten Stücke kommen gelegentlich vergoldet und mit einem Henkel oder einem Schmuckrand versehen vor. Die große Zahl der Stempelvarianten deutet darauf hin, dass die Pestmedaillen oder Pesttaler beliebt und weit verbreitet waren. Sie sind in dem Werk von Ludwig Pfeiffer und Carl Ruland „Pestilentia in nummis“ (Tübingen 1882) und in anderen Büchern publiziert. Ab und zu werden sie in Auktionskatalogen und Verkaufslisten des Münzhandels angeboten.

Verschiedene von der DDR verliehene Auszeichnungen wie die Medaille mit dem Kopf von Ernst Moritz Arndt und von Christoph Wilhelm Hufeland sind im Depot des Museum sicher verwahrt.
Die seit der Erfindung der Buchdruckerkunst Mitte des 15. Jahrhunderts überall in Umlauf gesetzte Pestliteratur riet, sich vor Totengräbern, Leichenwäschern, Abdeckern, Henkern, Krüppeln, Zigeunern, Hexen und Juden fernzuhalten und alles Saufen, Ehebrechen und andere Todsünden zu unterlassen. Als bestes Mittel, der nach Hunger und Krieg zu den großen Plagen der Menschheit zählenden Pest zu entkommen, wurden Gottesfurcht, Reinlichkeit und Enthaltsamkeit sowie Flucht in entlegene Gebiete gepriesen. Der Ratschlag hatte zur Folge hatte, dass die Pest auch dort um sich griff. Erst im Laufe des 16. Jahrhunderts schwante einigen besonders hellsichtigen Medizinern, dass nicht giftige Winde und sündiges Leben die Auslöser der Pest sind, sondern gewisse „Körperchen“, die die Seuche von Ratten auf Menschen übertragen.

Träger des Rudolf Virchow Preises bekamen eine Medaille mit dem Bildnis des berühmten Arztes und liberalen Politikers, der sich mit Otto von Bismarck anlegte und ein von ihm angebotenes Duell ausschlug.

Wer in der DDR Verdienter Arzt des Volkes war, konnte sich eine mit dem Kopf von Virchow geschmückte Medaille ans Revers heften.
In der numismatischen Literatur werden Pestmünzen und -medaillen aus Berlin, Braunschweig, Breslau, Erfurt, Hamburg, Magdeburg, Regensburg und Wien erwähnt, doch müssen weitere Ausgaben hinzu gerechnet werden, denn Seuchen und mit ihnen verbundene Abwehrmaßnahmen einschließlich Impfkampagnen waren ein großes Thema. Die Herstellung der Pesttaler mit Kreuzigungs- und Auferstehungsszenen war ein lukratives Geschäft, und eines der Zentren war die böhmische Bergstadt Sankt Joachimsthal, die wir als Geburtsort und Namensgeber des Joachimsthalers oder Talers kennen. Die kunstvoll gestalteten Prägungen zum Thema Pest zu bekommen, bedarf großer Mühe und Geduld, aber hier hilft der Münzhandel, der solche Stücke immer wieder im Angebot hat. Einfacher und preiswerter ist es, wenn man nach Münzen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zu Ehren bedeutender Mediziner sowie nach Medaillen Ausschau hält, die an sie erinnern. Nach ihnen systematisch zu suchen, bringt auch medizinischen Laien viel Freude und neue Erkenntnisse.

Die Münzen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zur Charité oder mit Bildnissen von Max von Pettenkofer, Robert Koch und Albert Schweitzer könnten am Anfang einer Sammlung zum Thema „Medicina in nummis“ stehen.
Wer in das Thema „Medicina in nummis“ einsteigen möchte, kann mit Gedenkmünzen und Medaillen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland beginnen und sich nach und nach in anderen Zeiten und Ländern nach passendem Material umtun. Viele Stücke sind preiswert zu haben und werden in reichem Maße vom Handel und auf Messen angeboten. Nach manchen Raritäten muss man fahnden, so etwa nach Medaillen, mit denen Ärzte und Patienten um 1800 und danach ausgezeichnet wurden, die sich, umstritten und gewöhnungsbedürftig in der damaligen Zeit, gegen die Pocken impfen ließ. Die Blattern, wie man auch sagte, gelten seit 1980 als ausgerottet. Doch sind neue Ausbrüche der Pocken und anderer gefährlicher Krankheiten an irgendeinem Ort auf unserem Globus jederzeit möglich und verbreiten sich, wie wir schmerzvoll am Beispiel des Corona-Virus erlebt haben, in Windeseile aus und fordern unzählige Opfer und und verursachen immense Kosten.
Text und Fotos: Caspar




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