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Die Geburt des Sovereigns

Am 28. Oktober 1489 erging der königliche Befehl, eine neue Goldmünze im Gewicht von 20 Shilling zu prägen. Sie sollte Sovereign heißen und die Vorstellung der Engländer von ihrem König nachhaltig verändern. Numismatica Genevensis SA (NGSA) versteigert am 24.11.2025 ein Exemplar dieser ikonischen Münze, die historisch und geldgeschichtlich von höchster Bedeutung ist.


Heinrich VII. Gold Sovereign, Münzzeichen Cross Fitchee, ohne Jahr (1492), Tower Mint.

NGC AU50 (Top Pop). Bestes bekanntes Exemplar. Startpreis: 500.000 CHF.

Aus Auktion NGSA 22 (24. November 2025), Nr. 231.


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Heinrich VII. Abguss des 19. Jahrhunderts von seiner

in Westminster Abbey aufgestellten Grabskulptur.

Victoria and Albert Museum / Cambridge, King's College.

Foto: KW.


Nur wenige Engländer dürften nach der Schlacht von Bosworth geglaubt haben, dass Heinrichs Sieg über seinen Rivalen Richard III. den Bürgerkrieg beenden würde. Denn Heinrichs Anspruch auf die englische Krone war äußerst dünn, so dünn, dass er selbst am liebsten gar nicht davon sprach. Andere Männer konnten mit wesentlich besseren Argumenten ihr Recht einfordern. So zum Beispiel Heinrichs schärfster Konkurrent, Edward Plantagenet, Neffe Edwards IV. Der saß zwar gefangen im Tower, aber immer wieder zettelten wagemutige Männer in seinem Namen Verschwörungen an.

Dagegen konnte Heinrich VII. nur einen einzigen Trumpf ins Feld führen: Er hatte unmittelbar nach seiner Krönung auf ausdrücklichen Wunsch des House of Commons Elizabeth von York geheiratet. Elizabeth war als Tochter noch enger mit Edward IV. verwandt als Edward Plantagenet und stellte so sicher, dass die gemeinsamen Kinder in direkter Linie von ihm abstammen würden. Am 18. Januar 1486 heirateten Heinrich und Elizabeth. Am 20. September des gleichen Jahres kam der ersehnte Erbe zur Welt.

Von dessen Legalität konnte sein Vater aber nicht profitieren. Heinrich VII. blieb also gar nichts anderes übrig, als der ganzen Welt einzuhämmern, dass er der König war, damit diese Welt nicht auf die Idee kam, daran zu zweifeln.


Der Vertrag von Medina del Campo


Ein wichtiger Schritt war deshalb der Vertrag von Medina del Campo, den die spanischen Monarchen Ferdinand II. von Aragon und Isabella I. von Kastilien am 27. März 1489 unterzeichneten. Nominell handelte es sich um ein politisches, militärisches und wirtschaftliches Bündnis. Heinrichs dreijähriger Sohn Arthur würde die vierjährige Katharina von Aragon heiraten, England und Spanien sich im Falle eines Krieges mit Frankreich gegenseitig unterstützen; dazu profitierten englische Händler von wesentlich günstigeren Zolltarifen.

Viel wichtiger aber war für es Heinrich, dass ihn die beiden spanischen Herrscher damit als neuen König von England anerkannten. In diesem historischen Zusammenhang müssen wir den kurz darauf entstandenen Sovereign sehen.


Das große Vorbild: Maximilian


Zum Vorbild wurde eine Münze, die Maximilian von Habsburg am 20. April 1487 für die burgundischen Niederlande geschaffen hatte. Sein Real d'or zeigt ihn auf der Vorderseite als König der Römer. Er sitzt auf einem Thron mit hoher Rückenlehne und ist mit allen kaiserlichen Insignien geschmückt, also mit der geschlossenen Krone, dem Szepter und dem Reichsapfel. Auf der Rückseite sehen wir den Reichsadler auf einem gekrönten Wappenschild. Diese Emission wurde nur sehr kurze Zeit geprägt.

Die Bilder dieses Real d'ors sind denen der ersten Sovereigns derart ähnlich, dass es sicher scheint, dass die Stempelschneider mit einem realen Vorbild arbeiteten. Wir wissen, dass die königliche Order vom 28. Oktober 1489 einen Bleiabdruck beinhaltete, der sich uns leider nicht erhalten hat.1 Da erst auf Grund dieser Order die Stempel angefertigt wurden, liegt es nahe zu vermuten, dass es sich bei diesem Bleiabguss um einen Abdruck des Real d'or Maximilians handelte.


Der thronende Herrscher mit geschlossener Krone und Royal Orb


Heinrich VII. imitierte also das Bild eines unbestreitbaren Herrschers, um seine eigene Herrschaft genauso unbestreitbar zu dokumentieren. Die lateinische Umschrift lautet (in Übersetzung): Heinrich, von Gottes Gnaden König von England und Frankreich, Herr von Irland.

Wie Maximilian trägt Heinrich die geschlossene Krone, in der rechten Hand hält er das Szepter, in der linken das, was bei Maximilian der Reichsapfel ist. Im Hintergrund sehen wir auf diesem Typ ein Muster aus Lilien.

Auch wenn all diese Insignien eigentlich nicht wirklich neu waren, hatte noch kein König vor Heinrich VII. sie derart prominent in seinem Münzbild genutzt. Seinen Sohn Heinrich VIII. stellte das vor ein Problem. Wie wir aus dem Liber Regalis wissen, spielte nämlich der "Reichsapfel" im englischen Krönungszeremoniell vor Heinrich VIII. keine Rolle. Doch dank der Sovereigns gehörte dieser bekreuzte Globus derart zum Bild, das sich die Engländer von ihrem König machten, dass Heinrich VIII. keine andere Wahl hatte, als für seine Krönungszeremonie erstmals so einen Globus anfertigen zu lassen.


Der unangreifbare Gesandte Gottes


Die Darstellung der Rückseite lehnt sich nur leicht an seine Vorlage an. Hier spüren wir, wie wichtig es Heinrich VII. war, seine Sicht darzustellen. An die gebildete Elite, die lesen konnte, richtete sich die Rückseiteninschrift. Es handelt sich dabei um eine nur selten verwendete Zeile der lateinischen Vulgata aus dem Lukasevangelium 4,30. Übersetzt ins Deutsche: Jesus aber ging mitten durch sie hindurch und entfernte sich.

Die Passage aus dem Neuen Testament, auf die diese Zeile anspielt, illustriert Gottes Macht, die Seinen zu schützen. In ihr wird geschildert, wie Jesus nach einer Predigt in Nazareth von den Zuhörern körperlich bedroht wird. Doch menschliche Gewalt kann dem Gesandten Gottes nichts anhaben. Jesus geht durch die Menge hindurch, ohne dass ihm das Geringste geschieht.

Mit der Verwendung dieses Zitats okkupierte Heinrich VII. die Aussage für sich und stilisierte sich zum Gesandten des Herrn, dem seine Feinde nichts anhaben können.


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Ein wesentliches Element der Bauplastik des von Heinrich VII. stark unterstützten

King's College in Cambridge ist die Tudor-Rose, hier im Zentrum des Gewölbes zu sehen.

Foto: KW.


Die Erfindung der Tudor-Rose


Doch nur ein kleiner Bruchteil der damaligen Gesellschaft konnte lesen, deshalb war die prominente Darstellung der Tudor-Rose umso wichtiger. Dieses Emblem geht auf eine geniale Idee Heinrichs VII. zurück. Das von ihm erfundene Symbol hat unser Bild von dieser Periode derart geprägt, dass wir vergessen haben, dass Heinrichs Zeitgenossen den Begriff "Rosenkriege" gar nicht kannten. Für sie handelte es sich um einen Bürgerkrieg, einen Civil War.

Der erste, der von den Rosenkriegen sprach, war der einflussreiche schottische Historiker David Hume. Er verwendete den Begriff 1762 im 2. Band seiner "History of England". Hume fand in Walter Scott einen aufmerksamen Leser. Der ließ einen seiner Erfolgsromane in dieser Epoche spielen und popularisierte den Begriff derart, dass wir heute denken, er sei zeitgenössisch.

Das ist er aber nicht. Die Adelshäuser York und Lancaster verwendeten eine Fülle von Wappen und Symbolen. In der Regel waren dies die Sonne für Edward IV., der weiße Eber für Richard III. oder die Antilope resp. den Schwan für das Haus Lancaster. Beide Häuser nutzten nur gelegentlich (!) Rosen, aber Heinrich der VII. schuf daraus seinen Mythos: Die Tudor-Rose vereinigt die rote Rose des Hauses Lancaster mit der weißen Rose des Hauses York genauso, wie es die Heirat zwischen Heinrich von Lancaster und Elizabeth von York tat.

Das eigentliche Wappen Englands tritt hinter der Botschaft der Tudor-Rose geradezu in den Hintergrund.


Die Funktion des Sovereigns


Der in der Tower Mint 1492 entstandene Sovereign, der von NGSA angeboten wird, wiegt 15,23 Gramm. Er liegt damit nur ein wenig unter den 240 Grains (15,55 g), die das Edikt vom 28. Oktober 1489 forderte. Die Münze wurde aus 23-karätigem Gold geprägt und entsprach einem Pfund Sterling in Silber resp. 20 Shilling. Damit war der Sovereign die wertvollste bis dahin in England geprägte Münze, durch die zum allerersten Mal die auch in England verwendete karolingische Recheneinheit des Pfunds greifbar wurde.

Für den alltäglichen Geldumlauf war die Kaufkraft der Münze sehr hoch, wahrscheinlich sogar zu hoch. Ein Baumeister verdiente pro Tag zwischen 5 und 6 Pence. Davon konnte er bequem alle Lebensmittel kaufen, die seine Familie verbrauchte. Man rechnet, dass das Einkommen eines gewöhnlichen Arbeiters bei etwa 4 Pfund pro Jahr lag. Ein Jahreseinkommen hätte also mit vier Sovereigns bezahlt werden können, was natürlich niemand tat. Sovereigns spielten im Geldumlauf eine marginale Rolle.


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Johanna, genannt die Wahnsinnige, in der Innsbrucker Hofkirche.

Foto: KW.


Sovereigns als diplomatische Geschenke


Viel wichtiger waren sie als diplomatische Geschenke. Uns sind zwei Fälle überliefert, in denen Heinrich VII. Sovereigns für diesen Zweck nutzte. So erhielt der ungarische Botschafter am 1. Mai 1502 16 Sovereigns. Zu welchem Zweck dieser Diplomat am englischen Hof weilte, ist uns leider nicht bekannt.

Wesentlich besser überliefert ist der historische Hintergrund eines zweiten diplomatischen Geschenks: Die Mitglieder des kastilischen Hofstaates erhielten 1506 40 Sovereigns im Rahmen einer Hofzeremonie. Wann genau diese durchgeführt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Was wir aber wissen, ist, dass die Anwesenheit spanischer Höflinge in Windsor mit einer äußerst abenteuerlichen Episode im englisch-spanischen Verhältnis verbunden ist.

Philipp der Schöne und seine junge Ehefrau Johanna segelten nämlich im Januar 1506 eigentlich von Brüssel nach Spanien. Dort wollte Philipp der Schöne die Ansprüche seiner Gattin auf die kastilische Krone durchsetzen. Doch die Flotte geriet in einen so schrecklichen Sturm, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als an der englischen Küste anzulegen. Das war eine überaus günstige Gelegenheit für Heinrich VII. Er ließ das Königspaar mitsamt seinem Hofstaat sofort mit sanfter Gewalt nach Windsor eskortieren.

Sechs Wochen lang befanden sich Philipp und Johanna in der Hand des englischen Königs. Das Resultat war ein englisch-spanischer Vertrag, der englischen Händlern massive Vorteile in den burgundischen Niederlanden einräumte. Philipp widerrief ihn sofort, nachdem er England wieder verlassen hatte.

Denn irgendwann im April 1506 ließ Heinrich VII. den König und sein Gefolge wieder abreisen. Ob die 40 Sovereigns während der Abschiedszeremonie an die Mitglieder des kastilischen Hofstaates übergeben wurden? Wir wissen es nicht.

Um die Geschichte zu Ende zu bringen: Philip landete am 28. April 1506 im spanischen A Coruña, wurde am 27. Juli als König von Kastilien anerkannt und starb am 25. September des gleichen Jahres mit nur 28 Jahren in Burgos. Seine Gattin war am Boden zerstört und ging als Johanna die Wahnsinnige in die Geschichte ein. Heute nimmt man an, dass dies weniger wegen ihres geistigen Zustands geschah, sondern weil sie so aus dem Weg war. Das erlaubte erst ihrem Vater Ferdinand, dann ihrem Sohn Karl das kastilische Königreich in ihrem Namen zu beherrschen.


Eine Münze von höchster historischer und geldhistorischer Bedeutung mit einer weit zurückreichenden Provenienz


Die englischen Sovereigns Heinrichs VII. gehören zu den Münzen, die nicht nur geldgeschichtlich von Bedeutung sind, sondern deren Münzbild eine ganze Epoche in sich birgt. Philip Grierson hat in seinem brillanten Artikel ihre Prägung in fünf Klassen unterteilt. Insgesamt rechnet er mit 20 bis 30 erhaltenen Stücken. Am seltensten sind die Sovereigns der 2. Klasse von 1492. Grierson kennt nur ein einziges Stück, eben das bei NGSA angebotene.

Seine Provenienz kann bis ins Jahr 1872 zurückverfolgt werden, als es als Teil der Sammlung Wigan Brothers bei Rollin & Feuardent versteigert wurde. Seitdem lag es in den Sammlungen von John Evans, J. P. Morgan, R. C. Lockett, R. Duncan Beresford-Jones und Thomas Law.

Bei diesem Stück handelt es sich also um die seltenste Variante eines sowieso schon extrem seltenen Münztyps von höchster historischer Bedeutung, der darüber hinaus von NGC mit AU50 als bestes bekanntes Stück bewertet wurde. Der Startpreis dieser Rarität beträgt 500.000 CHF.


Ursula Kampmann


Anmerkung:

1 Henry Symonds, The Documentary Evidence for the English Royal Coinages of Henry VII. and Henry VIII. In: British Numismatic Journal 10 (1913), S. 128f.


Literatur:

Philip Grierson, The Origins of the English Sovereign and the Symbolism of the Closed Crown. British Numismatic Journal 33 (1964), S. 118–134

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