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Im Ringen um die beste Form: Diskussionen über die Münzgestaltung in der Kaiserzeit

Nach dem Münzgesetz von 1871 war die Ausprägung der Reichsgoldmünzen und aller anderen Münzen Angelegenheit des neu gegründeten Deutschen Reiches. Hingegen oblag die Beaufsichtigung des Münzwesens dem Bundesrat, der Vertretung aller Bundesfürsten und freien Städte, in dem Preußen als größter Territorialstaat den Ton angab. Alle praktischen Dinge wie die Beschaffung der Münzmetalle sowie die Organisation der Prägetätigkeit wurden vom Reichsschatzamt erledigt. Diese Behörde unterstand dem Reichskanzler und wachte auch über die Vollständigkeit des in der Zitadelle Spandau eingelagerten Reichskriegsschatzes.


In der Königlichen Münze an der Unterwasserstraße in Berlin wurde nicht nur Hartgeld in riesigen Mengen hergestellt, sondern auch Versuche für neuartige Bilder und Symbole angestellt.


Um die Modernisierung der Reichsmünzen zwischen einem Pfennig aus Kupfer und 20 Mark aus Gold sowie die Verbesserung ihres Aussehens gab es um 1900 sowohl in Politiker- und Künstlerkreisen als auch in den numismatischen Zeitschriften Diskussionen. Was in den Geldbörsen klapperte, wurde im Vergleich zum Hartgeld anderer Staaten als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Sogar der Reichstag und die Landesparlamente beschäftigten sich mit dieser Frage. In München und Berlin tüftelten derweil Stempelschneider und Techniker an neuen Bild- und Wappenseiten für Großsilbermünzen und Kleingeld. An der Suche nach neuen Bild- und Wertseiten war neben dem Berliner Münzgraveur Otto Schultz auch der königlich-bayerische Hofmedailleur Alois Börsch beteiligt, der zahlreiche Stempel für bayerische Münzen und Medaillen, aber auch für auswärtige Auftraggeber schuf.


Von den Vorschlägen für neue Münzen wurden solche Probeabschläge hergestellt, die von Sammlern gesucht und gut bezahlt werden.


Das bayerische Fünf-Mark-Stück von 1913 schaffte es nicht zur Massenprägung, von ihm und anderen Vorschlägen existieren nur Probeabschläge.


Bei den Entwürfen für neue Münzen ging es vor allem um die Neugestaltung der Halb-Mark-Stücke. Karl Gebhardt hat diesbezügliche Proben und weitere Arbeiten in seinem 1998 erschienenen Buch über Alois Börsch vorgestellt und auch mitgeteilt, was Zeitgenossen des Künstlers von ihnen hielten. Da Abschläge an die Öffentlichkeit gelangten und sich Sammler für sie interessierten, findet man in den damaligen Münzzeitschriften verschiedentlich Meldungen und Kommentare über sie. Emil Bahrfeldt beispielsweise stellte in den Berliner Münzblättern Juni und Juli 1904 die neuen Fünfziger vor und bemerkte, dass das Thema schon seit Längerem im Gespräch war. Man habe Sachverständige und Nichtsachverständige beigezogen, „aber dass eine unserer deutschen Numismatischen Zeitungen, die doch wohl als sachverständig angesehen werden dürften, zur gutachterlichen Äußerung aufgefordert worden wäre, habe ich nicht gehört“. Der Berliner Münzexperte schildert, was alles vorgeschlagen wurde – eckige und runde und solche mit einem Loch in der Mitte sowie mit größerem und dickerem Schrötling. In der letzten Kommissionssitzung seien sämtliche Anträge auf Abänderung des jetzigen Fünfzig-Pfennig-Stücks abgelehnt worden. „Es wär so schön gewesen, hat nicht sollen sein!“, fügt der bekannte Münzforscher seinem Bericht hinzu.


Der jugendstilig gestaltete 25er von 1909 bis 1912 fiel in der Gunst des Publikums durch; heute ist er ein gesuchtes Sammelstück.


So kamen die neuen Halbmark-Stücke über Probeabschläge nicht hinaus. Sie sind in den einschlägigen Katalogen zu finden und erzielen, wenn sie im Münzhandel angeboten werden, beachtliche Preise. Bei der Durchsicht wird deutlich, dass man viel und gern experimentierte und interessante Vorlagen für neue Reichsadler sowie Wertseiten mit Blumen und Laubwerk als Verzierung um die Wertangabe 50 PFENNIG beziehungsweise ½ MARK anfertigte. Alois Börsch schnitt zahlreiche Stempel mit großen und kleinen Zahlen. Probeweise geprägt wurden Fünfziger mit Königskopf beziehungsweise der Germania mit Kaiserkrone, mit der Reichskrone statt des Reichsadlers, mit dem Hoheitszeichen in einem auf der Spitze stehenden Quadrat und manch anderen Darstellungen.


Interessant ist, dass der Entwurf für das neue 25-Pfennig-Stück aufgrund eines Preisausschreibens zustande kam. Über 500 Künstler, und zwar laut Ausschreibung nur deutsche, sollen sich beteiligt haben. Unter ihnen befanden sich man bekannte Stempelschneider und Medailleure wie Maximilian Dasio, Karl Goetz, der besonders viele, aber nicht verwirklichte Entwürfe schuf und durch seine Medaillen auf Ereignisse und Gestalten seiner Zeit bekannt ist, sowie Fritz Hörnlein. Die seinerzeit mit den ersten drei Preisen ausgezeichneten Arbeiten von August Häusser, Hugo Kaufmann sowie Alexander Kraumann in Frankfurt am Main wurden nicht realisiert – eine Erscheinung, die auch bei späteren Münzwettbewerben, auch solchen in der Bundesrepublik Deutschland, zu beobachten ist, wo Urteile der Preisgerichte manchmal von der Regierung umgestoßen und andere Modelle zur Ausprägung bestimmt wurden und werden.


Das Hamburger 25-Pfennig-Stück von 1908 wurde mit einer für die Kolonie Deutsch-Ostafrika bestimmten „Negermünze“ verglichen und nur zur Probe angefertigt.


Aus dem Jahr 1909 sind zahlreiche Probeabschläge für das 25-Pfennig-Stück überliefert. Ein großer Teil befindet sich im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main, das aus der Münzsammlung der Deutschen Reichsbank hervorging. Weitere Exemplare enthielt die Proben-Sammlung von Egon Beckenbauer, die 1987 von der Münzenhandlung Fritz Rudolf Künker in Osnabrück versteigert wurde. Der Katalog zur 7. Künker-Auktion wurde wegen des großen Interesses noch einmal mit den Ergebnissen gedruckt und bildet ein wichtiges Nachschlagewerk für Sammler von deutschen Münzproben ab 1871.


Die Prägung der neuen Nickelmünzen zu 25 Pfennigen erfolgte zunächst 1909 und 1910 in allen sechs deutschen Münzanstalten, doch schieden 1911 erst Stuttgart und dann 1912 Karlsruhe aus. Obwohl die Stücke eine Massenprägung zwischen 9,5 Millionen Stück (1910 A) und 329.000 (1910 (G) und 10.000 (1909 J) erlebten, blieben relativ wenige Exemplare erhalten. Es versteht sich, dass die seltene Hamburger Ausgabe von 1909 Liebhaberpreise erzielt und daher auch gefälscht wurde und wird. Man kann annehmen, dass von dieser 10.000er Auflage nur wenige Exemplare die Einschmelzungen im Ersten Weltkrieg überstanden haben. Der bei der Reichsbank angesammelte Bestand schrumpfte damals beträchtlich, weil man ihn wegen des hohen Nickelanteils für die Kriegswirtschaft brauchte und deshalb in die Schmelztiegel der Rüstungsindustrie warf.


Alle Abbildungene entstammen dem Bildarchiv des Autors.


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