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Fortuna ist nicht allen hold – Glückspiel mit Zahlen auf Münzen und Medaillen

Die Lotterie ist eine „Erfindung“ der Renaissance, verfeinert in der Barockzeit. Ausgehend von Italien, wurde – in der Hoffnung des Staates auf ordentliche Gewinne – in vielen europäischen Haupt- und Residenzstädten das von den einen geliebte, von anderen als Teufelszeug gehasste Glückspiel eingeführt, so auch 1763 in Berlin. Mit dem Ziel, die Bevölkerung noch stärker zu schröpfen oder, freundlicher ausgedrückt, an den Staatsausgaben und Staatsschulden zu beteiligen, richtete König Friedrich II. von Preußen das Zahlenlotto ein. Doch blieben die Einnahmen hinter seinen Erwartungen zurück.


Nicht in Preußen, dafür aber in anderen Fürstentümern hat man die Lottogründung zum Anlass

für die Ausgabe von Medaillen genommen. Überdies gibt es Münzen und Medaillen mit der Darstellung der auf einer Kugel daher schwebenden Fortuna, die ein geblähtes Segel in der Hand hält und den Menschen Glück bringt, oder eben auch nicht.


„Mein Glück ist in Gottes Hand“ verkündet die Medaille von 1704. Auf der von der göttlichen Hand gehaltenen Kugel steht Fortuna mit geblähtem Segel. König Frederik IV. von Dänemark und Norwegen ließ die Medaille zum 27. Geburtstag seiner Schwester prägen. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz ließ einen undatierten, aber aus dem Jahr 1767 stammenden Dukaten mit seinem Bildnis und der Glücksgöttin Fortuna mit einem Segel in den Händen prägen. Der so genannte Lotterie-Dukat wurde anlässlich der Gründung des Glückspiels in Mannheim hergestellt und zählt zu den besonderen Raritäten dieser Zeit bzw. Gattung. Inschrift und Rückseitenbild mahnen die Menschen, sich nicht auf sein Glück zu verlassen, denn viel besser sei es, wenn man durch Fleiß ans Ziel seiner Wünsche gelangt. In Brandenburg-Ansbach hat man im gleichen Jahr eine Medaille mit dem Bildnis des Markgrafen Alexander und der Ansicht der Bruckberger Fayencemanufaktur ausgegeben. Das Silberstück war der kleinste Gewinn einer Lotterie zugunsten dieser Keramikfabrik. Da es den Wert von ungefähr einem Gulden hatte, wurde dieser „Trostpreis“ auch zum Bezahlen verwendet.


Die Medaille von 1767 aus Brandenburg-Ansbach mit Ansicht der Bruckberger Porzellanfabrik ist ein interessantes Zeugnis dafür, dass deutsche Landesfürsten auf unterschiedliche Weise für das Glückspiel geworben haben. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



In Regensburg wurden 1586 sogenannte Glückshafenmedaillen im Gewicht eines Guldentalers zu 60 Kreuzern als Preis anlässlich des Stahlschützenschießens geprägt. Man konnte das Silberstück mit einem Knaben darauf, der Lose aus zwei Töpfen (Hafen) zieht, als Erinnerungsmedaille oder Geldstück verwenden.


Die 1586 anlässlich eines Schießwettbewerbs in der Reichsstadt Regensburg geprägten Glückshafenmedaillen kommen in zwei Versionen vor. Hier zieht ein Knabe Glückslose aus zwei Töpfen, die man auch Hafen nannte. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Eine weitere Medaille dieser Art verbindet den doppelköpfigen Reichsadler und das Regensburger Schlüsselwappen mit der Inschrift.


Die Aussicht, durch Ziehung einer bestimmten Zahlenkombination zu schnellem Reichtum zu gelangen, hat die Menschen offenbar so fasziniert, dass sie viel, manchmal ihr letztes Geld freiwillig zu den Lotterieeinnehmern trugen, wohl wissend, dass die Chance denkbar gering ist, es durch Fortunas Vermittlung vermehren zu können. Beteiligen konnte man sich an der Lotterie schon mit wenigen Groschen, und wer mehr Geld einsetzte, dem winkten höhere Auszahlungen. Ab und zu wurde das „Große Los“ gezogen. Das hat die Lottosucht immer neu angestachelt, doch Hauptgewinner war – und ist es auch heute – der Staat. Als man in Preußen erkannte, welche zum Teil verheerende Folgen die Lotto- und Spielsucht hat und dass sich Familienväter ihretwegen in Schulden stürzten oder sich sogar das Leben nahmen, wurde das Glückspiel verboten. Um die Verarmung der Bevölkerung durch den Lottowahn zu verhindern, wies Friedrich Wilhelm III. seine Kommissare an, das Spiel „hauptsächlich nur auf die besitzenden Klassen“ zu beschränken. Wer in Konkurs geriet und über seine Verhältnisse Lotto gespielt hatte, wurde bestraft. Natürlich halfen all diese Maßnahmen wenig, denn um das Große Los wurde gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie besessen gespielt.


Das hessische Edikt von 1775 verspricht Rechtshilfe bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Klassenlotterie. Wie die Leute das Reichtum verheißende Glückspiel verehren, zeigt die Grafik aus dem

18. Jahrhundert. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].


Bei der Lotterie ging es nicht immer nur um Geld, sondern vielfach auch um Sachwerte wie Silberschmiedearbeiten, teure Tuche, Möbel sowie Porzellan, das damals sehr teuer und nur für wohlhabende Leute erschwinglich war. Nutznießer des Glückspiels war in jedem Fall der Staat. Dieser gab mehr oder weniger große Summen für den Unterhalt von Armen-, Waisen- und Krankenhäusern aus, aber auch zur Finanzierung von Kirchbauten. 1864 wurde in Köln eine Dombau-Lotterie eingerichtet, deren Erträge der Dombauverein für die Fertigstellung der mittelalterlichen Kirche verwendete. Die Ziehungen ergaben einen Gewinn pro Jahr zwischen 90.000 bis 170.000 Taler. Insgesamt kamen für den Kölner Dom durch Spenden, Lottogewinne und andere Geldquellen zwischen 1842 und 1880 rund 6,5 Millionen Taler zusammen, was etwa 20 Millionen (Gold-)Mark entsprach. Die Restaurierung des Dresdner Zwingers wurde in den 1920er Jahren ebenso durch eine Lotterie finanziert. Nach der Bombardierung der Elbmetropole im Februar 1945 kamen die Erträge der Zwingerlotterie dem Wiederaufbau des barocken Bau- und Kunstdenkmals zugute. Wer in den frühen 1950er Jahren an einer Lotterie teilnahm und Glück hatte, durfte eine Wohnung in der Ostberliner Stalinallee beziehen.


Der Profit Friedrichs II. von der Lotterie blieb, wie eingangs erwähnt, hinter den Erwartungen zurück. Organisatorische Mängel und Zahlungsprobleme, ja auch Betrug blieben dem Publikum nicht verborgen, so dass das Geschäft nach anfänglicher Euphorie immer wieder stockte. Friedrich II. hatte einiges Geld in der Lotterie verloren und verpachtete das Monopol deshalb an den Italiener Giovanni Antonio Calzabigi, der sich verpflichtete, jährlich 75.000 Taler als „Pachtschilling“ zu zahlen. Entgegen der vollmundigen Ankündigung des Königs, die Erträge des Glücksspiels zur „Aufmunterung der Künste und des Fleißes“ und wohltätige Zwecke, etwa die Aussteuer minderbemittelter Bräute, zu verwenden, wurde die Pachtsumme zur Verpflegung der Armee und für die Aufstellung neuer Regimenter verwendet. Untreue und arglistige Täuschung der Öffentlichkeit würde man das heute nennen. Nach dem Tod Friedrichs II. (1786) setzte sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. die Lotterie mit mäßigem Erfolg fort. Dessen Thronerbe Friedrich Wilhelm III. hielt von Spielsucht wegen „nachtheiliger Einwirkungen auf die Moralität der minderbegüterten Klassen Unserer Unterthanen“ wenig. Durch einen Erlass befahl er 1809 die Abschaffung des Lottos. Allerdings hielt die Zurückhaltung nicht lange an, denn die Gewinne wurden zur Bezahlung von Kontributionen und für die Kriegskosten benötigt. So wurde die „Dame Lotto“ in Preußen wieder zu neuem Leben erweckt.


Auf Lottogewinne hoffend, drängeln sich Leute aller Klassen im 19. Jahrhundert vor einer österreichischen Einnahmestelle. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].



Die Ziehung der Lottozahlen aus Trommeln oder auch mit Geräten mit verstellbaren Zahlenrädern unterstand in Preußen der Aufsicht von königlichen Kommissaren. Die öffentlich von Waisenknaben mit verbundenen Augen gezogenen Zahlen wurden laut verkündet und „unter Siegel gelegt“. Ausgezahlt wurden höhere Beträge innerhalb von drei bis vier Wochen, kleinere Summen beglichen die Lottoeinnehmer sofort. Häufig wurden Lotterien „zum Besten“ eines Waisenhauses oder einer anderen karitativen Einrichtung, zum Aufbau einer niedergebrannten Stadt oder aus anderem Grund aufgelegt. Das machte guten Eindruck, konnte aber Gegner des Glücksspiels wenig besänftigen. Sie erregten sich über die überall grassierende „Begierde“ nach schnellem Geld. Menschen – vom Tagelöhner bis zum Fürsten – würden „unter dem Schein des Glücks und der Hoffnung“ in größte Verzweiflung gestürzt. Und so wurden Geschichten kolportiert, denen zufolge sich Lottospieler erhängt haben, weil sie ihre letzten Groschen verloren hatten und aus den Schulden nicht mehr heraus kamen.


Helmut Caspar


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