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Ein Zeichen königlicher Macht: Der spanische Centén von 1609 aus Segovia

Er gilt als eine der bedeutendsten Münzen der Welt, jener prachtvolle Centén zu 100 Escudos, der 1609 erstmals in Segovia geprägt wurde. Das Schweizer Auktionshaus NGSA erwartet, dass diese Ikone der spanischen Numismatik weit mehr bringt als ihren Startpreis von zwei Mio. CHF. Die Münze wird am 24. November 2025 versteigert. Wir erzählen ihre Geschichte.



Spanien. Philipp III., 1598-1621. 100 Escudos (= Centén) 1609, Segovia. PHILIPPVS III D G Gekrönter Schild, links davon, Münzzeichen Aquädukt, darunter C als Probierzeichen, rechts davon, Wertzahl 100. Rv. HISPANIARVM REX 1609 Jerusalemkreuz in Vierpass. 339,35 g. Calicó I (dieses Exemplar). Cayón 5037. Cayón & Castán 1541. NGC AU58 (Top pop). Das erste 100 Escudo-Stück, das je geprägt wurde und die größte Goldmünze des spanischen Königreichs. Ein bedeutendes Zeugnis der europäischen Geschichte. Unikum. Exemplar der Sammlung Caballero de las Yndias, Aureo & Calicó 218 (8. April 2009), 1863. Startpreis: 2.000.000 CHF.


Beeindruckende 339,35 Gramm wiegt die Goldmünze, die 1609 auf persönlichen Befehl von Philipp III. in der Münzstätte von Segovia entstand. Er brauchte ein eindrucksvolles diplomatisches Geschenk, um die Rolle Spaniens in der europäischen Welt zu dokumentieren. Was war dafür besser geeignet, als eine gigantische Münze, wie sie kein anderes Land der Welt herstellen konnte? Kein anderer König hatte Zugriff auf vergleichbar reiche Ressourcen! Kein anderer König verfügte über vergleichbar fortgeschrittene Technologie! Kein anderer König war derart treu gegenüber dem Glauben! Philipp III. war ein wahrer Herrscher von Gottes Gnaden, das sagte jedes einzelne der 100 Escudo-Stücke, die der König in Auftrag gab. Nur eines von ihnen ist uns erhalten geblieben, eben das Stück aus der Sammlung des Caballero de las Yndias, das am 24. November 2025 bei Numismatica Genevensis SA versteigert wird. Der Startpreis beträgt zwei Mio. Schweizer Franken. Das Schweizer Auktionshaus erwartet, dass diese Ikone der spanischen Numismatik weit mehr bringen wird.


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Das spanische Wappen unter Philipp III.

Heralder. cc-by 3.0 unported.


Die Vorderseite: Eine Demonstration königlicher Macht

Wir finden Wappen heute ziemlich langweilig. Das sind sie aber nur, weil wir sie nicht mehr zu lesen wissen. Für die Zeitgenossen Philipps III. war es von immenser Bedeutung zu entschlüsseln, auf welche Gebiete ein Herrscher Anspruch erhob. Tun wir es ihnen nach und deuten wir die heraldische Darstellung dessen, was damals als der größte Machtblock des Abendlandes galt.

Beginnen wir oben links, denn dort sehen wir Philipps Kernländer: Kastilien mit dem goldenen Kastell auf rotem Grund und León mit dem purpurnen Löwen auf silbernem Grund. Daneben stehen die vier roten Pfähle auf goldenem Grund für die Krone von Aragon und das geteilte Wappen mit den beiden gekrönten Adlern für die beiden Sizilien.

Darunter kommt der Hinweis auf das Habsburger Erbe: Die rot-weiß-roten Balken symbolisierten das Wappen des Herzogtums Österreich und werden noch heute als Fahne des Nationalstaats genutzt. Die blau-goldene Schraffierung bezieht sich auf Burgund mit all seinen Besitzungen, das durch Maximilians Heirat mit der burgundischen Erbin in den Besitz der Habsburger kam.

Daneben entdecken wir die goldenen Lilien Frankreichs auf blauem Feld. Damit erhob Philipp III. Anspruch auf französisches Gebiet. Die spanischen Habsburger beriefen sich dafür auf ihre Abstammung vom Adelsgeschlecht der Burgund-Ivrea, dessen Wurzeln bis zu den Karolingern zurückreichten. Das war ein für die Zeitgenossen unmissverständlicher Seitenhieb auf Heinrich IV. von Frankreich, der 1594 nach langem Bürgerkrieg das Haus Valois beerbt und durch das Haus Bourbon ersetzt hatte.

Der goldene Löwe auf schwarzem Feld bezog sich auf das Herzogtum Brabant mit den reichen Handelsstädten Brüssel, Leuven und Antwerpen, um nur einige zu nennen.

Die aufgelegten Herzschilde standen für die Krone von Portugal (oben) und Granada (Mitte). Der geteilte Herzschild ganz unten weist links auf das reiche Flandern mit Handelsstädten wie Brügge, Gent und Ypern hin, der rote Adler auf das silberreiche Tirol.

Auch wenn viele Gebiete nicht mehr direkt von Philipp III. beherrscht wurden, auch wenn viele andere Gebiete vor allem in der Neuen Welt nicht einmal Erwähnung fanden, war es ein Statement, so ein eindrucksvolles Wappen zu präsentieren. Es war ein Signal, das der Empfänger einer solchen Münze durchaus verstand.


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Gott vernichtet die Ägypter nach dem Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer. Gemälde aus dem persönlichen Besitz von Philipp III. Galería de las Colecciones Reales, Madrid. Foto: UK.


Die Rückseite: Der direkte Draht zu Gott

Auf der Rückseite des Centén sehen wir prominent ein Kreuz. Nicht irgendein Kreuz, sondern das Kreuz, das wir heute als das Jerusalemkreuz kennen. Es besteht aus gleichlangen Armen, die in einem breiten Balken enden.

Diese Kreuzform wurde assoziiert mit dem Heiligen Grab und dem Orden del Santo Sepulcro de Jerusalén, dessen wichtigste Niederlassung sich im 17. Jahrhundert im spanischen Calatayud befand. Während in Segovia die 100 Exemplare der Centén-Stücke mit dem Jerusalemkreuz auf der Rückseite geprägt wurden, wuchs gleichzeitig in Calatayud der prachtvolle Neubau der Ordenskirche des Orden del Santo Sepulcro de Jerusalén empor.

Philipp III. übte wie sein Vater die Funktion des Protektors, also des Beschützers dieses Ordens aus. Dieser war, auch wenn der Name einen Ritterorden erahnen lässt, ein Orden für Laien. Er vereinte Pilger - adlige und bürgerliche -, die sich am Heiligen Grab zum Ritter hatten schlagen lassen. Mit dieser Ehre war keine Standeserhöhung, sondern eine Reihe von religiösen Verpflichtungen verbunden. Während der Orden in den meisten Ländern nach der Reformation an Bedeutung verlor, erlebte er in Spanien eine neue Blüte.

Wir tendieren dazu, die Bedeutung religiöser Argumente zu unterschätzen. Die Vorurteile der französischen Aufklärer stehen uns im Weg, wenn wir zu begreifen versuchen, wie zentral der Glaube für Philipp III. und seine Zeitgenossen war. Ein Bild aus seinem persönlichen Besitz mag uns eine Ahnung vermitteln, woran der König glaubte. Es zeigt die Rettung der Israeliten und die Vernichtung des ägyptischen Heeres im Roten Meer. Philipp besaß dieses Bild nicht, weil es ein Kunstwerk war, sondern weil ihm seine Betrachtung Hoffnung schenkte. Es illustrierte für ihn den schriftlichen Beweis, dass der Herr die seinen schützen werde, solange sie ihm treu blieben.

Und Philipp blieb treu. Er tat alles, was in seiner königlichen Macht stand, um den Orden del Santo Sepulcro zu unterstützen. Er widersetzte sich dafür sogar den kirchlichen Bestrebungen, die Kongregation und damit ihre reichen Güter in die spanische Kirchenstruktur einzubeziehen. Mit diesem Engagement betonte Philipp III. seine persönliche und direkte Verbindung zu Christus und illustrierte, was er meinte, wenn er sich auf der Vorderseite des Centén als Philipp III. von Gottes Gnaden bezeichnete.

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Porträt Philipps III. aus dem Jahr 1621.

Galería de las Colecciones Reales, Madrid. Foto: UK.


Warum ist auf dem Centén kein Porträt zu sehen?

Weder Wappen, noch Kreuz sind ein neues Motiv auf spanischen Münzen. Auch die Form des Jerusalemkreuzes benutzte bereits Philipp II. gelegentlich. Warum aber hielt Philipp III. an diesen relativ altmodischen Münzmotiven fest und entschied sich, auf sein Porträt zu verzichten? Er hätte es für den Centén als Darstellung wählen können. Es gab keine Vorbilder, denen er folgen musste. Porträts hatten sich in anderen Ländern durchgesetzt. Die Habsburger Verwandtschaft zum Beispiel nutzte regelmäßig das Herrscherporträt für ihre Gold- und Silbermünzen.

Philipp entschied sich dagegen. Er nahm sich als Individuum auf seinen Münzen zurück, trat in den Hintergrund gegenüber der Krone. Das war eine durchaus programmatische Entscheidung. Auch seine Nachfolger sollten hinsichtlich ihrer Münzmotive wesentlich konservativer sein als andere Herrscher.


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Ein Blick auf die Prägesäle von Segovia, wo der Centén mit modernster Prägetechnik entstand. Foto: UK.


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Die Rekonstruktion eines Walzprägewerks.

Hall, Museum Burg Hasegg / Münze Hall. Foto: KW.


Modernste Technik: Das Walzprägewerk

Der Centén entstand in Segovia, was uns das Münzzeichen links vom Wappen verrät. Der kleine Aquädukt steht für sein bekanntes römisches Pendant, das in Segovia heute noch von Touristen bewundert wird.

Die königliche Münzstätte von Segovia war im Jahr 1609 die neben Hall modernste Münzstätte der Welt. Hier wurden die Münzen nicht mehr von Hand geschlagen, sondern mittels mehrerer Walzprägewerke maschinell gepresst. Dafür wurden als Ausgangsmaterial lange, schmale Zaine genutzt, die exakt auf die richtige Dicke ausgewalzt waren.

Die Prägestempel für ein Walzprägewerk zu gravieren, war eine hochspezialisierte Arbeit, die nur von bestens geschulten Könnern erledigt werden konnte. Denn der Graveur musste berechnen, wie sich die Form seiner Gravur beim Pressen in den Zain veränderte. Er musste dem Stempel eine ovale Form geben, damit daraus eine runde Münze entstand.

Für den Centén wurde ganz besonders viel Sorgfalt angewandt. Den Stempelschneider wählte der König persönlich. Es war Diego de Astor, damals ein vielversprechender junger Künstler. Der um 1584/87 in Mechelen geborene Mann hatte sein Handwerk in Toledo bei El Greco gelernt. 1609 ernannte ihn Philipp III. zum leitenden Graveur der königlichen Münzstätte in Segovia.

Doch ganz gleich, wie sorgfältig Diego de Astor den Stempel schnitt: Der mit Wasser erzeugte Druck genügte nicht, um das Münzbild in der Präzision auf dem Zain wiederzugeben, die sich der König für seine diplomatischen Geschenke wünschte. Deshalb wurde jeder einzelne Centén per Hand nachgearbeitet, bevor das Stück die Endkontrolle durchlief.

Apropos Kontrolle, unter dem Münzstättenzeichen finden wir den Buchstaben C. Er steht für den erfahrenen Probierer Melchor Rodríguez del Castillo, der eben nicht von der Münzstätte Segovia kam, sondern von Sevilla. Mit seinem Zeichen garantierte er, dass er als unabhängiger Gutachter das Metall persönlich probiert und vom richtigen Feingehalt gefunden habe. So beeindruckte der Centén, der übrigens im Gegensatz zu den meisten anderen diplomatischen Geschenken der Epoche tatsächlich eine Wertzahl trägt, durch eine schriftliche Garantie, dass die 100 Escudos des Centén auch wirklich 100 Escudos entsprachen.


Warum brauchte die spanische Diplomatie im Jahr 1609 so beeindruckende Geschenke?

Während der Centén von Spaniens Größe, Macht und Einfluss sprach, war es damit in Wirklichkeit nicht so weit her. Philipp III. übernahm nach dem Tod seines Vaters Philipp II. ein wirtschaftlich ruiniertes Land, das sich völlig unvorbereitet der Katastrophe der kleinen Eiszeit gegenübersah. Wie viele andere Gegenden Europas litt Spanien enorm unter den dadurch verursachten Missernten, die ihrerseits Hungersnöte auslösten. Damit bereiteten sie den Boden für die Pest, die unter der entkräfteten Bevölkerung wütete. Allein im Jahr 1600 soll jeder 10. Spanier gestorben sein!

Dazu kam die völlig unzeitgemäße Verteilung der Steuerlast, die hohen Schulden und die überzogenen Militärausgaben, die den König 1607 zwangen, einen Schuldenschnitt zu machen. Philipp konnte es sich schlicht nicht mehr leisten, Krieg zu führen, und das zwang ihn zu bitteren Kompromissen. Am 9. April 1609 - also exakt in dem Jahr, in dem der Centén zum ersten Mal geprägt wurde - schloss Philipp III. einen auf 12 Jahre befristeten Waffenstillstand mit den Vereinigten Niederlanden. Das bedeutete de facto, dass der spanischen König die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinzen anerkannte.

Das war ein enormer Verlust an Prestige, den Philipp auf anderen Ebenen gutzumachen versuchte. Es ist durchaus symbolisch zu verstehen, dass er am gleichen Tag, an dem der Frieden mit den Niederlanden geschlossen wurde, das Edikt zur Vertreibung der Morisken unterzeichnete. Mit diesem Begriff wurden die zum christlichen Glauben konvertierten Muslime arabisch-berberischer Herkunft bezeichnet. Hunderttausende von ihnen hatten bis zu jenem 9. April 1609 unbehelligt in Spanien gelebt. Nun beraubte sie ein Federstrich Philipps III. ihrer Heimat. Mit der Strenge gegenüber den Morisken glaubte der König vielleicht auszugleichen, dass er den niederländischen Ketzern Zugeständnisse hatte machen müssen. Wirtschaftlich klug war diese Maßnahme nicht. Sie beraubte sein sowieso schon entvölkertes Land einer großen Zahl qualifizierter Arbeitskräfte.


So erzählt der goldene Centén von der Pracht, der Macht und dem Reichtum Spaniens im Siglo de Oro. Er verrät uns aber auch, dass die Macht Spaniens bereits am Schwinden war. Denn nur wer sich seiner Macht nicht (mehr) sicher ist, muss diese Macht augenfällig zeigen. Aber das verbirgt der prachtvolle Centén. Er steht dafür, wie der König sich selbst gerne sehen wollte: als den mächtigsten und reichsten Herrscher der Erde, dessen treues Festhalten am katholischen Glauben ihm die Gnade Gottes sicherte.


Der einzigartige Centén des Jahres 1609 wird am 24. November 2025 von NGSA versteigert. Der Startpreis der Münze beträgt 2.000.000 Schweizer Franken. Das Auktionshaus erwartet ein weit höheres Ergebnis.


Ursula Kampmann


Hier kommen Sie zur Website von Numismatica Genevensis SA.


Hier ist der direkte Link zum Centén.

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