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Dietmar Kreutzer

Spaniens Silberschwemme: Segen & Fluch der Kolonien

„Niemals wurde ein Kredit so lange und so umfassend gewährt.“ (Carlos Fuentes, Der vergrabene Spiegel, Frankfurt/Main 2007, S. 163). Mit diesen Worten umschreibt der berühmte mexikanische Autor den Strom von Gold und Silber, der sich seit dem 16. Jahrhundert aus den amerikanischen Kolonien über Spanien ergoss.

König Philipp II. (1527-1598) wäre ohne diesen ständigen Zustrom schnell ruiniert gewesen: „Mit Gold und Silber musste Spanien kostspielige Kriege finanzieren und ebenso seine protzigen Monumente, eine an Luxus gewöhnte Aristokratie, den Kampf gegen die Reformation, die Verwaltung des Weltreichs und die Einfuhr von Waren.“ (Ebenda, S. 153). So schwoll das spanische Haushaltsvolumen während des 16. Jahrhunderts von drei Millionen Dukaten auf zehn Millionen Dukaten an. Die umlaufende Geldmenge erhöhte sich von fünf Millionen Dukaten auf 91 Millionen.

Doch das Geld blieb nicht im Lande. Wirtschaftlich unterentwickelt, wurden bald nicht nur Manufakturwaren, sondern sogar Nahrungsmittel aus dem Ausland bezogen. Die Importe mussten ebenso mit dem sich schleichend entwertenden Edelmetall wie die auswärts stationierten Soldaten bezahlt werden. Etwa drei Viertel des spanischen Geldes landete so in den Handelsmetropolen London, Antwerpen, Rouen und Amsterdam: „Der enorme Zufluss an spanischen Edelmetallen revolutionierte die europäische Wirtschaft und bescherte dem ganzen Kontinent Inflation, hohe Preise, steigende Nachfrage und ein aufblühendes Bankwesen. Viele dieser Banken waren Kreditgeber der spanischen Monarchie, jederzeit bereit, Philipp gegen das Versprechen eines nie versiegenden Stroms von Goldbarren aus Potosí oder Zacatecas großzügige Anleihen zu gewähren.“ (Ebenda, S. 153f.). Der Verlust an spanischen Gold- und Silbermünzen war so groß, dass im 17. Jahrhundert im Mutterland ersatzweise Kupfergeld in Umlauf gebracht werden musste. In den Kolonien war die Situation noch erschreckender. Dort behalf man sich angesichts der abfließenden Edelmetalle mit Naturalien und Primitivgeld als Tauschmittel.


Doch schauen wir nun auf die Münzen, die aus dem amerikanischen Gold und Silber hergestellt wurden. Im Mai 1535 hatte die spanische Krone die Einrichtung einer ersten Münzstätte in Mexico City genehmigt, der ersten in Amerika. Gegen Zahlung einer Steuer konnte dort jeder Silber zum Ausmünzen abliefern. Gold durfte nicht gemünzt werden:

„Obwohl in Spanien selbst seit 1537 goldene Escudos geprägt wurden, war deren Ausprägung in den Kolonien zunächst verboten. Sämtliches in den amerikanischen Minen gefördertes Gold sollte nach Spanien verschifft und dort ausgemünzt werden. Einzige Ausnahme bildete Kolumbien, welches bis 1739 zum Vizekönigreich Peru gehörte, hier prägte die Münzstätte Ceca de Santa Fe (de Bogota) bereits ab 1623 Dublonen zu 2 Escudos im Namen König Philipps IV. Erst König Karl II. erlaubte 1675 die Ausprägung von Goldmünzen in den Kolonien, was beginnend in Mexiko 1680 dann auch offiziell geschah. Die spanischen Goldprägungen ab 1537 und ab 1680 auch die amerikanischen Escudos wurden zu 68 Stück aus der 22karätigen Mark ausgeprägt, die zweifachen Escudos erhielten die Bezeichnung Dublone. Ebenfalls wurden Stücke zu 4 und 8 Escudos (zeitweise Onza genannt) sowie Teilstücke zu ½ Escudo (ab 1738 und fast nur in Spanien) gemünzt.“ (Wilfried Mahlig, Die Münzen Lateinamerikas in Gold und Silber, in: money-trend, Heft 5/2007, S. 128).

Im Jahre 1750 ist das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber mit 1:16 festgelegt worden. Ein Escudo entsprach also zwei großen Silbermünzen zu 8 Reales. Aus der Dublone zu 2 Escudos entstand die in ganz Europa bekannte „Pistole“. Diese Münze entwickelte sich 1640 durch eine Münzreform des französischen Königs Ludwig XIII. unter dem Namen Louis d’or zur Welthandelsmünze. In Deutschland wurde sie später mit Bezeichnungen wie Friedrichs d’or, August d’or oder Wilhelms d’or nachgeprägt.


Die ersten amerikanischen Silbermünzen kamen im Jahr nach Gründung der Münzstätte in Mexiko City heraus. Es handelte sich um Stücke zu ein, zwei und drei Reales sowie Halb- und Viertelstücke. Seit 1565 ist auch in Lima und seit 1575 in Potosí das vor Ort gewonnene Silber verarbeitet worden. Zumeist war es sogenanntes Schiffsgeld, rohe 8-Reales-Stücke, das ohne jede Sorgfalt hergestellt worden ist. Erst nach ihrem Transport ins Mutterland Spanien entstanden aus diesen sogenannten Cobs in diversen Prägestätten ansehnliche Münzen. Die sehr schön gestalteten Silbermünzen zeigen auf der Vorderseite den gekrönten geviertelten Wappenschild Spaniens mit den Wahrzeichen Leóns und Kastiliens, dem Löwen und der Burg, sowie dem Granatapfel als Emblem Granadas. Auf der Rückseite finden sich die Säulen des Herkules als Symbol der geografischen Grenzen der Alten Welt und die Devise Plus ultra, also: „Weiter hinaus!“

Mit einer Münzreform von 1728 wurden die Stücke auch in der Neuen Welt mithilfe moderner Prägetechnik hergestellt. Ab 1771 ersetzte ein Porträt des Königs den Herkules und die beiden Säulen. Wie schon erwähnt, wanderte jedoch der größte Teil dieser Münzen ins Ausland ab. Im 17. und 18. Jahrhundert griffen die österreichischen Münzstätten beispielsweise weniger auf heimisches Silber als auf spanische Piaster zurück, die eingeschmolzen und zu neuem Geld verprägt wurden. Zudem fungierten die spanischen Piaster vielerorts als Zweitwährung: „Vor diesem handelsgeschichtlichen Hintergrund wurden die spanischen Münzen, in erster Linie die 8-Reales-Stücke, zu Weltmünzen. (…) Die Karte ihrer Ausbreitung als Umlaufmittel über die spanischen Grenzen hinaus müsste das nichtspanische Mittelamerika mit seiner Inselwelt und ganz Nordamerika, das ganze Mittelmeerbecken mit großen Teilen des Türkischen Reichs, ganz Ost- sowie Südost-Asien und zeitweise auch Großbritannien und Frankreich sowie Teile Italiens bezeichnen.“ (Herbert Rittmann, Moderne Münzen, München 1974, S. 95). Moderne heutige Münzen wie der Dollar und der Peso sind aus ihnen hervorgegangen.

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