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Dem Bayerischen Hauptmünzamt kam 1906 ein Sack mit Goldmünzen abhanden

Im Jahre 1906 hatten die Leute im Deutschen Reich ordentlich zu lachen. Der Raub der Stadtkasse der damals noch selbstständigen Stadt Köpenick machte den „Hauptmann von Köpenick“ zu einer berühmten, in allen Witzblättern gefeierten Figur. Sogar Kaiser Wilhelm II. soll sich amüsiert und gesagt haben, da sehe man, was eine preußische Uniform alles ausrichten kann. Nach Verbüßung seiner durch eine kaiserliche Gnadenerweisung verkürzten Haft tingelte der vielfach vorbestrafte Wilhelm Voigt durch die Lande und erwarb sich auf Jahrmärkten durch Verkauf von Postkarten und manch andere Geschäfte ein kleines Vermögen, das allerdings durch Geldentwertung im und nach dem Ersten Weltkrieg wieder wegschmolz. Voigt avancierte zum Medienstar sowie zum Romanhelden und kam zu Theater- und Filmehren.

Die Medaille von 1986 zeigt den aus der Renaissance stammenden Arkadenhof der Münchner Geldfabrik. Das Gebäude am Hofgraben 4 ist seit 1986 Sitz des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Das Hauptmünzamt ist heute in einem Neubau an der Zamdorfer Straße untergebracht. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

Ganz anders erging es einem echten Soldaten, der im gleichen Jahr das Königlich Bayerische Hauptmünzamt in München kurzzeitig durch einen frechen Diebstahl um 130.030 Mark erleichtert hatte. Die Aufsehen erregende Tat ist ein Lehrstück zum Thema „Gelegenheit macht Diebe“. Karikaturisten nutzten den Coup weidlich aus, sich wechselseitig über Bayern und Preußen lustig zu machen. Eine zeitgenössische Postkarte stellte die „Normalleistung eines bayerischen und eines preussischen Soldaten“ gegenüber. Links schleppt der Bayer, frohgemut eine Zigarre rauchend, einen dicken Sack mit Goldmünzen fort. Rechts sieht man den Hauptmann von Köpenick in seiner schäbigen Uniform mit gezücktem Säbel. Hinter ihm tragen schweißtriefende Soldaten die magere Beute aus der Köpenicker Stadtkasse davon. „A boarischer Soldat, der is so viel stark, / der kripst ganz alloa 130,000 Mark – In Preuss’n, da is mit’n ,Schmalz‘ nöt weit her, / Da brauchas zu Viertausend 12 Mann Militär!“ lautet die Botschaft der Bildergeschichte.

Die Spottpostkarte von 1906 vergleicht die „Die Normalleistung eines bayrischen und eines preussischen Soldaten“. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

Prinzregent Luitpold, der für den geisteskranken König Otto von Bayern regierte, sollen die Zornesadern angeschwollen sein, als er von dem Vorfall hörte. Die zum Rapport bestellte Münzdirektion hatte, im Gegensatz zur spottlustigen Öffentlichkeit, nichts zu lachen. Ermittlungen nach dem Münchner Diebstahl ergaben, dass der Münzarbeiter Wilhelm Ruff und der Soldat Wilhelm König dafür offensichtlich innerbetriebliche Schlampereien ausgenutzt hatten. Der Vorarbeiter Eichstätter hatte einen Berg frisch geprägter Goldmünzen zu zehn Mark mit dem Bildnis des wegen seiner Geisteskrankheit nur de facto regierenden Königs Otto von Bayern nicht im Tresor, sondern, weil der Feierabend nahte, nur in einem Holzschrank verstaut. Als Eichstätter am nächsten Tag den Beutel holen wollte, war er weg. Die Kriminalpolizei schloss bei der Untersuchung auf ortskundige Diebe, was den Kreis der Täter einschränkte. Durch die streng gesicherte Vordertür der Münzstätte hatten sie nicht kommen können, vielmehr hatten sie den Weg über den Pfisterbach genommen, der wegen Wartungsarbeiten gerade kein Wasser führte. Von hier aus war es für die Diebe ein Leichtes, durch Holztüren und eine Glastür ins Innere der Prägeanstalt zu gelangen.

In der MONETA REGIA, der königlich-bayerischen Münze im Herzen von München, fiel 1906 ein ganzer Sack mit frisch geprägten Goldmünzen zwei Dieben in die Hände, doch schon bald kam die Polizei ihnen auf die Schliche, und die Strafe ließ nicht lange auf sich warten. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

Beschädigte Türschlösser und andere Spuren wiesen den Weg zum Vorarbeiter Eichstätter. Er musste mangelnde Vorsicht eingestehen und bekannte, dass er den Goldsack in jenem Holzschrank gelassen hatte. Da nur Mitarbeiter der Münze als Täter infrage kamen, fanden bei ihnen Hausdurchsuchungen statt. Eichstätter lenkte die Polizei auf Ruff, der sich bei der Durchsuchung verdächtig verhielt und verhaftet wurde. Das Geld aber fand man bei ihm nicht. Die Polizei ermittelte, dass sich der Soldat Wilhelm König zur Tatzeit unerlaubterweise aus seiner Kaserne entfernt hatte. Da er ein „Spezi“ von Ruff war und kein Alibi hatte, wurde auch er verhaftet. In die Enge getrieben, gaben Ruff und König ihr Leugnen auf. Von den 130.030 Mark konnten 121.500 Mark wieder beschafft werden. Das Gericht verurteilte den Anstifter Ruff zu viereinhalb Jahren Gefängnis und seinen Gehilfen König zu vier Jahren und zwei Monaten. Die Diebe mussten sich nach ihre Entlassung als vorbestrafte Schwerverbrecher weiter durchs Leben schlagen, und das dürfte in der Kaiserzeit schwerer gewesen sein als bei einem vergleichbaren Coup heute. #Preußen #Bayern #Diebstahl #Köpenick #HauptmannVonKöpenick #BayerischesHauptmünzamt #München #Diebe #Gold #Goldmünzen #PrinzregentLuitpold #KönigOttoVonBayern #Kaiserzeit #KaiserWilhelmII #WilhelmRuff #WilhelmKönig #HelmutCaspar

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