Redende Wappen: Streitkolben, Schafsbock und Bär
- Helmut Caspar

- 14. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Wenn Münzen und Medaillen zu bestimmen sind, spielen Wappen, sofern vorhanden, eine große Rolle. In der Literatur sind diese Hoheitszeichen ausführlich beschrieben und abgebildet. Häufig taucht in der Literatur der Begriff „redende Wappen“ auf. Sie begegnen uns auf zahlreichen Prägungen und versinnbildlichen den Namen des Wappeninhabers. Solche Darstellungen gab es bereits bei den alten Griechen, und wie im Altertum, so begegnen uns auch im Mittelalter und in der Neuzeit redende Wappen auf Münzen und Medaillen in Gestalt von Tieren, Pflanzen oder Waffen, manchmal auch nur als Buchstaben. In ihrer Auktion 18 bot die Leu Numismatik AG am 2. Juni 2025 unter anderem zwei Taler aus Colmar von 1571 beziehungsweise Schaffhausen von 1620 an, die in diese Kategorie fallen. Zu erkennen sind beide Städte an dem Streitkolben beziehungsweise dem aus einem Haus springenden Schaf, das auch als Bock gedeutet wird.
Kaiser Friedrich II. Barbarossa hatte Colmar 1226 zur Freien Reichsstadt oder, wie man auch sagte, zur kaiserlichen Stadt erhoben. Sie erhielt 1376 die Münzgerechtigkeit von Kaiser Karl IV. mit der Erlaubnis „silbernye pfennige“ zu schlagen. Die Stadt im Elsass begann eine umfangreiche Prägung von Rappen, Groschen, Plapperten, Dickpfennigen, Batzen, Zehnern, Hellern und anderen Geldstücken. 1542 kam zu diesen Nominalen der Taler mit seinen Teilstücken. 1674 schloss die Stadt ihre unrentabel gewordene Münze. Zwar war Colmar 1648 durch den Westfälischen Frieden an Frankreich gefallen, doch wollten sie und benachbarte Kommunen auf ihre Privilegien als Freie Reichsstädte nicht verzichten, was den Bezug zu Kaiser und Reich erklärt.

Colmar. Guldentaler 1571. Engel/Lehr 50.
Leu Numismatik AG Auktion 18, 1085. Zuschlag: 2.400 CHF.

Der Streitkolben (Schlegel) war eine gefürchtete Wucht- und Hiebwaffe, die bereits im alten Ägypten Verwendung fand. Die an der Elsässer Weinstraße gelegene Stadt Colmar wählte sie zu ihrem auch heute verwendeten Wappen. Das 60-Kreuzer-Stück auf einem Münzmandat der Barockzeit ist durch das redende Wappen als aus Colmar stammend ausgewiesen.
Ein Grund für die Übertragung eines Namens auf ein Bild mag gewesen sein, dass vor langer Zeit der überwiegende Teil der Bevölkerung des Lesens und Schreibens unkundig war, wohl aber wissen wollte und sollte, woher ein Denar, Pfennig oder Groschen, ein Dukat oder Taler stammt. Ein berühmtes Beispiel für die Verwendung redender Wappen sind Münzen Herzog Heinrichs des Löwen. Die Löwenpfennige weisen auf den Beinamen dieses machtbewussten Herrschers, der es wagte, Kaiser Friedrich I. Barbarossa die Stirn zu bieten. Auf einem Brakteaten erscheint der Löwe, eingerahmt in romanischer Architektur, nicht nur als redendes Wappen, denn der Herzog „spricht“ selbst. Die ins Deutsche übersetzte Umschrift lautet: „Ich bin Heinrich von Braunschweig, der Löwe“.

Braunschweig. Brakteat 1142-1180. Berger 589.
Leu Numismatik AG Web Auktion 33, 3524. Zuschlag: 85 CHF.
Die Ende des 15. Jahrhunderts aufkommende Talerprägung bot den Stempelschneidern mehr Spielraum, ihr Können zu entfalten als es bisher bei kleineren Nominalen möglich war. Prächtige Wappenschilder wurden auf Münzen obligatorisch, und in vielen Fällen kann man vor allem bei städtischen Prägungen schon beim ersten Hinschauen sagen, woher sie kommen. So verweisen die Magd über der Burg auf Magdeburg, das Mondgesicht auf Lüneburg (Lunaburg) und der dreifache Strahl auf Stralsund.

Magdeburg. Taler 1627. Schrötter 1078.
Leu Numismatik AG Web Auktion 22, 1275. Zuschlag: 1.600 CHF.

Stralsund. Kreuzgroschen 1612. Bratring 26.
Leu Numismatik AG Web Auktion 22, 1351. Zuschlag: 160 CHF.
Die auf einer Kugel stehende Glücksgöttin Fortuna erinnert an die von den Dänen gegründete Stadt Glückstadt. Hinzu kommt die auf einem kleinen Berg sitzende Henne als Wappenzier der Grafschaft Henneberg, und auch im Falle der Münzen der elsässischen Stadt Thann ist die Zuordnung nicht schwer, denn hier fungiert eine Tanne als redendes Wappen.

Schaffhausen. Taler 1620. HMZ 2-763a.
Leu Numismatik AG Auktion 18, 1259. Zuschlag: 950 CHF.

Auf dem Schaffhauser Taler von 1620 springt ein Schaf oder Bock aus einer Tür.
Die Silbermünze zu drei Batzen ist in einem Talerbuch aus dem Jahr 1572 abgebildet.
Der springende Bock erscheint auf zahlreichen Münzen Schaffhausens. Erstmals ist der Bock als Wappentier Schaffhausens im Jahr 1180 durch einen Brakteaten (HMZ 1-418) belegt. Mit Zürich und Sankt Gallen hatte sich Schaffhausen im frühen 15. Jahrhundert geeinigt, gleichbleibend guthaltige Münzen zu prägen, und das tat die Stadt bis ins 18. Jahrhundert hinein stets mit der Darstellung des Bocks. Im Jahr 1045 hatte Graf Eberhard von Nettenburg von König Heinrich III. das Recht erhalten, „in villa Scafhusun“ eine Münze zu errichten, die Geld in gleicher Weise wie die anderen Münzstätten im Reich herstellen sollte. Ende des 15. Jahrhunderts ging Schaffhausen zu größeren Münzen über und prägte erst Batzen sowie ab 1550 Taler und weitere Werte.
Nicht immer ist die Zuordnung von Wappenschildern einfach. Bei der Stadt Isny etwa muss man eine Verbindung zwischen dem Namen und einem Hufeisen herstellen (althochdeutsch isarn = Eisen). Schwer erklärlich ist auch der auf Steinen stehende Elefant im Wappen der schwäbischen Grafschaft Helfenstein. Wenn man aber weiß, dass der Rüsselträger früher Helfant hieß, ist das Rätsel schon gelöst.

Der Brakteat aus Lindau ist unschwer an dem Zweig mit fünf Lindenblättern zu erkennen.
Leu Numismatik AG Web Auktion 35, 5.-7. Juli 2025, 5705.
Basel wählte den Baselstab (Bischofsstab) als Wappen, der auf dem Taler von 1765 von einem Basilisken beschützt wird. Dem Mischwesen hat man die Kraft zugeschrieben, Unheil von der Stadt und ihren Bewohnern abwehren zu können.

Taler. Basel 1765. HMZ 2-99g.
Leu Numismatik AG Auktion 18, 1233. Zuschlag: 400 CHF.
Der Bär weist auf dem Franken von 1811 auf den Kanton Bern, das lateinische Motto DOMINUS PROVIDEVBIT bedeutet „Gott wird (für uns) sorgen“, und der Ritter in der Tracht des frühen 17. Jahrhunderts beschützt das Schild der 19 Kantone. Im Zusammenhang mit den französischen Revolutionskriegen entstand die Helvetische Republik. Zu den 19 Kantonen traten alsbald drei weitere Kantone hinzu. Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurde die Eidgenossenschaft als souveräner Staat anerkannt. Er verpflichtete sich zu dauernder Neutralität und bewahrte diesen Status ungeachtet zweier Weltkriege bis heute.

Franken. Bern 1811. HMZ 2-233b.
Leu Numismatik AG Auktion 18, 1238. Zuschlag: 550 CHF.
Die eidgenössischen Städte und Kantone wachten eifersüchtig über ihre Souveränität und suchten sich durch besonders schöne, ja prächtige Gepräge zu übertreffen. Da sich der Umfang der städtischen Münzung in Grenzen hielt, half man sich mit ausländischem Geld, vor allem mit französischen Importen. Um die Laubtaler und andere Gepräge in der eigenen Region zuzulassen, hat man sie im 18. Jahrhundert durch Gegenstempel gekennzeichnet. Daher finden die mit dem Berner Bärenwappen markierten Laubtaler oder die ähnlich gezeichneten Münzen süddeutscher Territorien sowohl in einer Schweizer- als auch in einer Frankreich- und Deutschlandsammlung Platz.

Bern. 40 Batzen 1816-1819, gegengestempelt auf einem französischen
Écu aux rameaux d'olivier (Laubtaler) aus dem Schicksalsreichen Jahr 1789. HMZ 2-231a.
Leu Numismatik AG Web Auktion 35, 5.-7. Juli 2025, 6254.
Helmut Caspar
Für die Leu Web Auktionen 34 (Antike) & 35 (Moderne & Neuzeit) vom 5. bis 7. Juli 2025 ist das Bieten auf gewohnten und bequemen Wegen möglich. Sie können über die Website der Leu Numismatik AG (www.leunumismatik.com), bei biddr, numisbids und sixbid bieten. Der Katalog wird ab Mitte Juni online sein.
Leu Numismatik AG, Stadthausstrasse 1438400 Winterthur, Schweiz. Telefon +41 52 214 11 10, Fax: +41 52 214 11 13, E-mail: info@leunumismatik.com Web: www.leunumismatik.com



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