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Vom Nobelpreis zur Kursmünze: Der Medailleur Erik Lindberg

Kurz nachdem der berühmte irische Dichter William Butler Yeats im Jahre 1923 den Nobelpreis für Literatur entgegengenommen hatte, schrieb er beglückt: „Alles ist vorbei, und ich kann meine Medaille untersuchen, ihr bezauberndes, dekoratives, akademisches Design, französisch anmutend, ein Werk der Neunziger Jahre. Es zeigt einen jungen Mann, der einer Muse zuhört, die jung und schön mit einer großen Leier in der Hand dasteht, und ich denke, während ich sie betrachte: Ich sah einmal so gut aus wie dieser junge Mann, aber meine ungeübten Verse waren voller Gebrechen, meine Muse gleichsam alt; und jetzt bin ich alt und rheumatisch und wenig ansehnlich, aber meine Muse ist jung.“ (William Butler Yeats: The Bounty of Sweden. Dublin 1925)


Der Medailleur, der die Preismedaillen entwarf, war Erik Lindberg. Lindberg wurde am 31. Dezember 1873 in Stockholm geboren und wuchs in einem künstlerisch ambitionierten Haushalt auf. Sein Vater Johan Adolph Lindberg war ein berühmter Bildhauer und Medailleur, der als Professor an der Königlich Schwedischen Akademie der Schönen Künste lehrte. Erik interessierte sich für das Handwerk seines Vaters, der ihn an der Akademie und in seinem eigenen Atelier ausbildete. Nach dem Abschluss des Studiums unternahm er eine Studienreise nach Italien. Ab 1901 lebte er in Paris, wofür er ein Stipendium erhalten hatte. Dort wurde er von berühmten Medailleuren, wie Louis-Oscar Roty und Jules-Clément Chaplain, im Sinn des Jugendstils beeinflusst.


Gedenkmedaille auf Erik Lindberg. Jahresversammlung des Schwedischen Numismatischen Vereins 1976.

19 g, 31 mm [Bildquelle: MA-Shops, Münzenversand Hardelt].


Die ersten Nobelpreismedaillen im Jahre 1901 sollte zunächst Johan Adolph Lindberg entwerfen. Dieser reichte den Auftrag jedoch an seinen Sohn weiter. Das Porträt von Alfred Nobel auf der Vorderseite lag rechtzeitig vor. Die Gipsvorlage wurde im Oktober 1901 in Paris auf das Format der Medaillen verkleinert. Die Fertigung des Stempels erfolgte dann in Stockholm. Doch die Entwürfe für die Rückseiten der schwedischen Nobelmedaillen konnten nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Der Grund für die Verzögerung war, dass die auf dieser Seite gezeigten Motive eigens genehmigt werden mussten. Nach langwierigen schriftlichen Diskussionen beschloss Erik Lindberg, im November 1901 nach Stockholm zurückzukehren, um seine Ideen persönlich vorzustellen. Die Vorschläge von Lindberg wurden allesamt akzeptiert. Endlich konnte er die Gipsabdrücke für die Rückseiten herstellen, die dann für die endgültigen Metallstempel reduziert wurden!


Aus der Korrespondenz zwischen Erik Lindberg und seinem Vater Johan Adolph geht hervor, dass die Verzögerungen dazu geführt hatten, dass die Medaillen damit nicht termingerecht für die Preisverleihung vorlagen. Jeder Preisträger von 1901 erhielt so zunächst eine vorläufige Medaille als Andenken überreicht. Es handelte sich um eine einseitige Medaille mit dem Porträt Alfred Nobels, gegossen aus einem unedlen Metall. Die „echten“ Medaillen sollten dann später nachgereicht werden. Die erste dieser Medaillen konnten im September 1902 fertiggestellt und gegossen werden. Diese Medaille für Literatur zeigt einen jungen Mann, der unter einem Lorbeerbaum sitzt und verzaubert dem Gesang einer Muse lauscht und den vorgetragenen Text aufschreibt. Die lateinische Umschrift INVENTAS VITAM IUVAT EXCOLUISSE PER ARTES bedeutet: Es ist schön, sein Leben durch Entdeckung der Künste veredelt zu haben. Die Worte sind von Vergil, Aeneis 6,663 adaptiert.


Nobelpreis für Chemie (Preisträger Georg Wittig) 1979.

950er Gold, 205 g, 66 mm [Bildquelle: Dorotheum, May 2016 Auction, 502]


Die Rückseite der Nobelpreismedaillen für Physik und Chemie stellt die Natur in Form einer Göttin dar, die mit einem Füllhorm im Arm aus den Wolken aufsteigt. Der Schleier, der ihr Gesicht bedeckt, wird vom Genius der Wissenschaft fortgezogen. Auch hier lässt sich das angepasste Vergil-Zitat wiederfinden.

Die Rückseite der Medaille für Physiologie bzw. Medizin stellt einen weiblichen Genius der Medizin dar, der ein aufgeschlagenes Buch im Schoß hält und Wasser auffängt, das einem Felsen entspringt, um den Durst eines kranken Mädchens zu stillen. Die Umschrift ist mit dem vorgenannten Text identisch.


Die Vorlagen für den Friedensnobelpreis und den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften kamen nicht von Lindberg. Sie stammen von Gustav Vigeland bzw. Gunvor Svensson-Lundkvist.


Medaille zum 25. Jahrestag der Firma Separator. Schweden 1908.

Silber, 72,1 g, 50 mm [Bildquelle: Noble Numismatics Pty Ltd, Auction 130, 1916]


Nach den Entwürfen für die Nobelpreismedaillen erhielt Lindberg zahlreiche weitere Aufträge für Plastiken und Medaillen, zum Beispiel jenen zum 25. Jubiläum der schwedischen Firma Separator im Jahr 1908. Im Jahr 1915 erhielt er für seine außergewöhnlichen Entwürfe eine Goldmedaille auf der Panama-Pacific International Exhibition in den Vereinigten Staaten.


Von 1916 bis 1944 gestaltete Lindberg als Chefgraveur der Königlichen Münze auch zahlreiche schwedische Kursmünzen. In seinen Entwürfen nahm er zunächst Elemente des Jugendstils auf, später des Art Déco. Einige Entwürfe wie die Gedenkmünze zum 400. Jahrestag des Befreiungskrieges unter Gustav Wasa von 1921 lassen sich auch einem speziellen, nordisch geprägten Neoklassizismus zuordnen.


2 Kronor zum 400. Jahrestag des Befreiungskrieges unter Gustav Wasa. Schweden 1921.

800er Silber, 15 g, 31 mm [Bildquelle: Numista Coins, Sweden]


Als besonders markant gelten die von Lindberg angefertigten Porträts des schwedischen Königs Gustav V., die über Jahrzehnte verwendet wurden. Ab 1930 hatte der Altmeister neben seiner Position an der Münzstätte auch eine Professur an der Königlich Schwedischen Akademie inne.

Er verstarb am 28. September 1966.


2 Kronor. Schweden 1950. 400er Silber, 15 g, 31 mm [Bildquelle: Numismatic Guaranty Corporation]

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