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Der Silber-Hahn (1979): Warum Millionen von Gedenkmünzen eingeschmolzen wurden

Die Ausgabe von Silbermünzen wird in Deutschland den steigender Materialpreisen angepasst, aber nicht eingestellt. Ab 2026 kommen nach Informationen des Bundesfinanzministeriums nur noch Sammlermünzen zu 35 Euro aus Sterlingsilber sowie eine weitere zu 50 Euro heraus. Darüber hinaus sind auch Werte aus Gold und solche mit den bunten Polymerringen zu erwarten. Die erste Münze mit dem neuen Nominalwert wird 2026 die Ausgabe zu 35 Euro zu Ehren von Elisabeth Schwarzhaupt sein. Sie war von 1961 bis 1966 Bundesministerin für Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland und damit die erste Frau, die einem Kabinett der Bundesregierung in Bonn angehörte.

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Der silbernen Münze zu Ehren von Otto Hahn war 1979 nur ein kurzes Leben vergönnt. Nachdem sie bis auf geringe Reste eingezogen und vernichtet wurde, hat man in Karlsruhe neue Fünf-Mark-Stücke aus Kupfer-Nickel hergestellt.


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In Heft 11/2024 der Zeitschrift Money trend war ein Silber-Hahn vom Auktionshaus Emporium für 9000 Euro annonciert.


Umstellungen bei den Münzen hat es immer gegeben. Das betraf unter anderen die silbernen Fünf-Mark-Stücke, die von 1951 bis 1974 in München (Kennbuchstabe D), Stuttgart (F), Karlsruhe (G) und Hamburg (J) in millionenfacher Auflage geprägt wurden. Diese mit dem dünnen Bundesadler geschmückte Umlaufmünze aus Silber wurde ab 1975 durch eine des gleichen Wertes aus dem fälschungssicheren Dreischichtenwerkstoff Magnimat abgelöst. Wirbel hat es im Jahr 1979 um die Gedenkmünze zum einhundertsten Todestag des Physikers und Nobelpreisträgers Otto Hahn gegeben. Die in Stuttgart auf Vorrat geprägten Silberstücke nach einem Entwurf von Helmut Stromsky wurden wegen des gestiegenen Silberpreises nicht ausgegeben, sondern durch solche aus Kupfernickel ersetzt.


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Die Prägung der silbernen Fünf-Mark-Stücke (links und Mitte) mit dem dünnen, teils als Pleitegeier titulierten Bundesadler lief 1974 aus und wurde durch Magnimat-Ausgaben (rechts) ersetzt.


Für die Maßnahme gab es ernste Gründe. Ende der siebziger Jahre war national und international der Silberpreis erheblich angestiegen. Westdeutsche Medien haben darüber spekuliert wie es wäre, wenn etwa Bankangestellte den fünf DM teuren „Silber-Hahn“ säckeweise ins Ausland schleppen und dort vielleicht für acht DM pro Stück als „Rohstoff“ weiter verkaufen, damit er eingeschmolzen werde. Das wäre doch ein großes Verlustgeschäft, und die Bundesregierung müsse dagegen einschreiten. Mit Blick auf solche Befürchtungen hat die Bundesregierung die Auslieferung der schon fertig geprägten und bei den Landeszentralbanken eingelagerten Silbermünzen unterbunden und die gesamte Auflage zurück beordert.


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Weil sich die Eurosterne auf den Kleinmünzen drehen, wurde die probeweise in Berlin geprägten Stücke wieder vernichtet. Im Handel taucht das eine oder andere Stück auf.


Da wohl etliche Silberstücke bereits bei Münzhändlern und Sammlern angelangt waren, tauchte bei ihnen die Polizei auf und beschlagnahmte, was noch zu fassen war. Die gesamte Auflage – acht Millionen Stück in Stempelglanz und 300 000 Prägungen in Polierter Platte – wurde nach Frankfurt am Main beordert. Man hat sie später unter amtlicher Aufsicht in Stuttgart eingeschmolzen. Die letzten Otto-Hahn-Münzen aus Silber wurden am 17. Juli 1980 verflüssigt.


Einen Rechtsanspruch auf die Silberversion bestand für Abonnenten, die ihre Novitäten stets von der Verkaufsstelle für Sammlermünzen der Bundesrepublik Deutschland in Bad Homburg erhielten, nicht. Diesbezügliche Anfragen wurden, wie Herbert Rittmann in den „Geldgeschichtlichen Nachrichten“ (Heft 77, Mai 1980) berichtete, „kurz angebunden“ beantwortet. Rechtlichen Schritten gegen diesen Entscheid gab Rittmann keine Chance, denn nur diejenigen Münzen würden ausgeliefert, „die von der Bundesrepublik als Münzherrschaft tatsächlich ausgegeben werden“. Dass Silberstücke abhanden gekommen wären, sei trotz aller Gerüchte „wenigstens bisher“ nicht erwiesen, schrieb Rittmann. Seine Hoffnung, die Bundesregierung möge ihren Entschluss noch einmal überdenken und die Silbermünzen wieder frei geben, ging nicht in Erfüllung.


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Korrekt stehen die Eurosterne auf der Schadow-Münze von 2024 mit der Spitze nach oben, so wie wir es auch auf der Europafahne und anderen Darstellungen kennen.


Zu dem in der Münzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaligen Vorgang ist von Sammlern und Händlern zu erfahren, dass seinerzeit tatsächlich einige Silberversionen der Hahn-Münze der Einschmelzung entgingen. Man habe sogar schon welche in der Hand gehabt, erfuhr ich von Münzhändlern. Es bestehe aber kaum Aussicht, dass irgendwann eine dieser Raritäten in einer Auktion auftaucht, denn die Münze würde sofort als Diebesgut konfisziert werden. Bis heute hat sich an der Rechtslage nichts geändert. Dessen ungeachtet ist das eine oder andere Stück „unter der Hand“ und auch im Handel vorgekommen.


Händler berichteten von Versuchen, ihnen versilberte Exemplare „anzudrehen“, wie der Berliner sagt. Allerdings sind diese Machwerke durch ihr geringeres Gewicht – etwa 10 Gramm gegenüber 11,2 Gramm – sofort zu erkennen. Es gibt auch eine winzige Veränderung bei dem Münzzeichen G der Prägestätte Karlsruhe. Auf der Magnimat-Version befindet es sich unter M und A der Angabe MARK, während das G auf den Silberstücken etwas versetzt zwischen A und R steht. Im Jaeger-Katalog (Nr. 426) und anderen Büchern kann man die ursprüngliche Anordnung gut erkennen.


Selbstverständlich ranken sich um die Vernichtung einer in Millionenauflage hergestellten Münze manche Legenden, etwa die von zwei angeblich entwendeten Münzrollen zu je 40 Stück, von denen eine in die USA verbracht worden sein soll. Von dort würde ab und zu ein Exemplar zum Stückpreis von mehreren tausend Dollar nach Europa gelangen und Händlern und Sammlern angeboten. Der Umgang mit diesen Silberversionen ist mit dem Risiko der Beschlagnahme und polizeilicher Ermittlung versehen, und man tue gut, sich an ihnen nicht die Finger zu verbrennen und ihretwillen einen guten Ruf zu schädigen, heißt es in Händlerkreisen.


Die Verflüssigung der silbernen Hahn-Münze war die letzte Aktion dieser Art in der Stuttgarter Münze, denn ihre Schmelzwerkstatt wurde anschließend umgebaut, um Prägemaschinen aufzunehmen. Während die silbernen Hahn-Münzen zum Leidwesen der Sammler auf Nimmerwiedersehen im Tiegel verschwanden, fielen 5,35 Millionen neue Stücke aus Magnimat in der Karlsruher Münze aus den Prägeautomaten. Die Einschmelzung erfolgte deshalb in Stuttgart, weil die Anlagen der Karlsruher Münze schon Jahre zuvor aufgrund von Einsprüchen von Anwohnern demontiert worden waren.


Im Übrigen gibt es auch andere Münzen, die eigentlich nicht existieren dürften, Proben und Sonderabschläge etwa, die eine Münzstätte nicht hätten verlassen dürfen, es auf verschlungenen Pfaden aber manchmal taten und es sogar in Auktionskataloge schafften. Erinnert sei an die Euromünzen, die 1999 in Berlin auf Vorrat geprägt wurden. Da sich auf ihnen die Europasterne „drehen“ und die Bundesrepublik Deutschland nicht aus der Reihe „tanzen“ wollte, hat man die Auflage vernichtet. Auf geheimnisvolle Weise konnten einige Stücke die Staatliche Münze damals noch am Berliner Molkenmarkt verlassen. Wenn sie im Handel angeboten werden, sind ihnen stolze Preise sicher.


Text und Fotos/Repros: Caspar

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