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Vermarktete Menschen: Das Geschäft mit der Sklaverei

In seinem Werk El negrero schildert der lateinamerikanische Autor Lino Novás Calvo den Alltag eines Sklavenmarktes im brasilianischen Recife um 1830: „Als die Stunde herangekommen war, hörte man Hörner blasen, die Ciganos (Markthelfer, d.A.) ließen ihre Peitschen knallen und aus jeder Barackentür strömte eine Horde kahlgeschorener, nackter und eingeölter Sklaven. Wenn ein Käufer kam, ließen die Ciganos die Peitschen zischen und brachten die Schwarzen auf Trab. Sie spähten nach ihm, um zu sehen, welche der Sklaven seine Aufmerksamkeit erregt hatten, und ließen diese vor dem Käufer anhalten. Auf einem Bretterpodest stand ein anderer Cigano mit einem Sprachrohr und rief die besonderen Qualitäten der Sklaven aus, die sich vor dem Käufer aufgestellt hatten.“ [1] Dona Modesta, die selbstbewusste Besitzerin einer Hazienda aus dem Hinterland, war kaufwillig: „Als sich ihr, von einem Cigano angepriesen, der erste Sklave näherte, legte Modesta ihren Stolz ab und fing an, ihn aufs Genaueste zu untersuchen. Sie befühlte ihm die Muskeln, führte den mit seinem Schweiß befeuchteten Finger an die Zunge, denn am Geschmack des Schweißes erkannte man, ob der Schwarze gesund war, und gelangte schließlich bis zu dem verborgensten Teil. […] Nachdem Modesta lang und breit gewählt hatte, nahm sie einen schönen Mandingo-Jüngling.“ [2]


Amistad. Spielfilm. Regie: Steven Spielberg, USA, 1997 [Videobuster]


Zeitgenössische Quellen bestätigen diese entwürdigenden Umstände auf den Märkten. Der Brite Robert Walsh schrieb 1828 in seinen Notices of Brazil, dass das menschliche Verkaufsgut in den brasilianischen Hafenstädten wie Vieh behandelt würde: „Sie waren alle dazu verdammt, wie Schafe in einem Verschlag an Ort und Stelle zu bleiben, bis sie verkauft wurden; sie haben keine Wohnung, in die sie sich zurückziehen können, kein Bett, auf dem sie sich ausruhen können, keine Decke, die sie schützt; sie sitzen den ganzen Tag nackt und liegen die ganze Nacht nackt auf den nackten Brettern oder Bänken, wo wir sie ausgestellt sahen.“ [3] Der Historiker Alexandre Andrada von der Universität von Brasília, der sich mit dem Sklavenhandel dieser Zeit beschäftigte, erklärt, für welche Arbeiten die Farbigen eingesetzt wurden: „Die Sklaven, ob Afrikaner oder Brasilianer, männlich oder weiblich, jung oder alt, arbeiteten nicht nur in den Mühlen und Baumwollplantagen, sondern verkauften auch alle möglichen Waren und bettelten in den Straßen der Stadt. Man konnte sie vor einem Sklavenmarkt hocken sehen, ihre Körper fast vollständig entblößt, ihre Köpfe rasiert; sie steuerten die Kanus, die auf den Flüssen Capibaribe und Beberibe verkehrten; sie verrichteten Haushaltsarbeiten in den Häusern der Menschen, von denen viele alles andere als reich waren.“ [4]


Brasilien. 6400 Reis von 1824. 917er Gold, 14,3 g, 32 mm [Numista, Heritage Auctions]


Sklavenhändler hatten die Schwarzen in Westafrika für 20.000 bis 30.000 Reis angekauft. Der durchschnittliche Verkaufspreis in Brasilien lag in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bei 280.000 Reis. Neben den Schwarzen aus Übersee wurden auch im Lande gezeugte Mischlinge weiblicher Sklaven feilgeboten. Junge Männer im Alter von 15 bis 40 Jahren erzielten die höchsten Verkaufspreise. In den Presseofferten von Rio de Janeiro hieß es beispielsweise: „Zum Verkauf steht ein kreolischer Sklave, ein geschickter Schuhmacher, mit einer sehr guten Figur, etwa 20 Jahre alt, ohne Laster oder schlechte Angewohnheiten. Sein Endpreis beträgt 300.000 Reis. Jeder, der sich für ihn interessiert, möge nach oben in die Travessa do Paço Nr. 11 gehen, wo er jemanden finden wird, mit dem er über die Angelegenheit sprechen kann.“ [5] Um sich ein Bild von den damaligen Marktpreisen zu machen, ist ein Blick auf das brasilianische Währungssystem dieser Jahre nötig. Um 1800 wurde ein spanischer Silbertaler mit 960 brasilianischen Reis (Mehrzahl von Real) bewertet. Die entsprechende Silbermünze namens Pataca war der Basiswert der Silberwährung. Goldmünzen sind nach dem Tageskurs des Metalles zum Silber berechnet worden: „Die Vielfalt der Prägungen in Gold, Silber und Kupfer sowie der Überprägungen und Gegenstempel ist außerordentlich groß. Die Nominale lauteten stets auf die Bruchteile des Pataca-Werts von 960 Reis und bei Gold von 6400 bzw. 4000 Reis; kleinste Bronzemünze war das Zehn-Reis-Stück.“ [6]


Brasilien. 960 Reis von 1827. 896er Silber, 26,9 g, 40 mm [Numista, Heritage Auctions]


Die brasilianische Wirtschaft im 19. Jahrhundert war landwirtschaftlich geprägt. Zucker, Baumwolle, Kaffee waren zu Beginn des Jahrhunderts die wichtigsten Exportgüter, daneben auch Leder und Felle. Einheimische Nahrungsmittel konnte man auf den regionalen Märkten schon für einige Bronze- und Kupfermünzen erstehen. Produkte des gehobenen Bedarfes kosteten entsprechend mehr. Ein Schal aus Großbritannien war für stolze 700 Reis zu haben. Ebenso viel kostete eine billige Theaterkarte. Hochwertige Importgüter waren ebenso selten wie teuer: „Ein Tisch- und Dessertset aus vergoldetem und mit Blumen bemaltem englischen Porzellan war 400.000 Reis wert. Ein silbernes Teeservice aus sechs Teilen sowie „wunderschönes französisches Porzellan mit goldener Bemalung“ wurde mit 350.000 Reis bewertet. Ein kunstvoll verzierter Goldring kostete 70.000 Reis, ein Fernglas mit Lederetui etwa 32.000 Reis.“ [7] An diesen Preisen lässt sich ermessen, dass sich nur der gehobene Mittelstand die Investition in einen Sklaven zu 280.000 Reis leisten konnte. Wie der Erwerb dokumentiert wurde, lässt sich wiederum dem literarischen Werk von Lino Novás Calvo entnehmen. Auf dem Sklavenmarkt standen „Einbrenner“ bereit, die den Eigentumsnachweis mit glühenden Buchstaben auf die Haut brachten. Die linke Brust des Sklaven wurde mit Talg eingerieben und einem Fetzen Ölpapier bedeckt. Mit einer Zange kam der rotglühende Buchstabe aus Eisen aufgesetzt: „Diese Operation war, wie man sagte, nicht schmerzhaft.“ [8]


Brasilien. 20 Reis von 1827. Kupfer, 7,2 g, 30 mm [Numismatic Guaranty Corporation]


Quellen

  1. Lino Novás Calvo: "Pedro Blanco beschließt, Negerhändler zu werden", in: Reise zum Ursprung. Leipzig 1973, S. 104.

  2. Ebd., S. 105.

  3. Zitiert nach Tom Phillips: "Brazilian slave port", auf: theguardian.vom, 04.03.2011.

  4. Alexandre Andrada: "A Portrait of Urban Slavery in Recife, Brazil (1827–1835)", auf: papers.ssrn.com, S. 2.

  5. "The African Slave Trade and Slave Life"; auf: library.brown.edu.

  6. Herbert Rittmann: Moderne Münzen. München 1974, S. 247.

  7. Andrada, S. 8f.

  8. Calvo, S. 105.

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