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Spaniens Bürgerkrieg: Das Gold von Guernica

In einem Roman aus der Zeit des spanischen Bürgerkriegs erzählt der Flüchtlingsjunge Carlos seine Familiengeschichte: „Unser Großvater […] hatte zu Lebzeiten schon bestimmt, dass Pablo die Apotheke fortführen und sie samt Haus und Garten erben sollte, indes sein Lieblingssohn, unser Vater, eine beträchtliche Summe in goldenen Pesetenstücken erbte, um Medizin zu studieren und sich eine gute Praxis in Bilbao oder San Sebastian zu kaufen.“ [1] Pablo, der Älteste, entzog sich jedoch seiner Verantwortung. Mit einem Trick nötigte er seinen Bruder Antonio, die Apotheke in Guernica zu übernehmen. Des Großvaters Geld steckte er selbst ein: „Das Geld lag da, in goldenen Peseten, auf der Bank von Bilbao, auf den Namen unseres Vaters. […] Am vierten Morgen gingen sie auf die Bank von Bilbao. Pablo empfing die Fünfzigtausend, küsste meinen Vater auf beide Backen und ging eilends zur Bahn.“ [2] Für Pablo bedeuteten die Goldstücke die Freiheit. Als Lebemann zog er in die Welt. Antonio dagegen blieb unglücklich in Guernica zurück.


Die baskische Stadt Guernica nach dem Luftangriff der Deutschen 1937 [Wikimedia, Bundesarchiv]

Die Anlage von Vermögenswerten in Gold reicht in Spanien bis auf die Eroberungen während der Kolonialzeit zurück. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte das Land jedoch die meisten seiner Kolonien verloren. Das unübersichtliche Währungssystem sollte an das französische angeglichen werden. Mit einem Dekret vom 19. Oktober 1868 wurde die Peseta im Wert eines französischen Francs zur Grundeinheit der spanischen Währung erklärt. Das System war bimetallisch, also auf Gold und Silber gleichermaßen gegründet. Eine Peseta entsprach 290,322 mg Feingold. Das Wertverhältnis zum Silber lag wie in Frankreich und den übrigen Ländern der Lateinischen Münzunion bei 1:15,5. Im Jahre 1870 wurde eine erste kleine Serie von Goldmünzen zu 100 Pesetas mit einem Gewicht von 32,15 g geprägt, darüber hinaus eine große Stückzahl von Silbermünzen zu 5 Pesetas mit einem Gewicht von etwa 25 g. In den folgenden Jahren kamen Millionen von Goldmünzen zu 25 Pesetas im etwaigen Wert der früher umlaufenden Dublone in den Umlauf.

Der in diesen Jahren begonnene Versuch, wie die entwickelten europäischen Industrieländer einen monometallischen Goldstandard einzuführen, scheiterte jedoch an einer schweren Wirtschaftskrise. Der Abzug großer Mengen an Goldmünzen brachte die Staatsbank in Bedrängnis: „Die Goldreserven der Bank erreichten 1881 einen Höchststand von 125 Millionen Peseten, um dann 1882 drastisch auf 50 Millionen Peseten zu fallen.“ [3] Im Sommer 1883 musste die Einlösung von Banknoten in Gold eingestellt werden. Die Prägung neuer Goldmünzen wurde in den Folgejahren stark reduziert und schließlich so gut wie eingestellt.


Spanien. Alfons XII. 100 Pesetas von 1870. 900er Gold, 32,2 g, 35 mm

[Numista, Aureo & Calicó S.L., subastas numismáticas]


Die Schwierigkeiten zeigten unmittelbare Wirkung. In einem Fachartikel von damals heißt es: „Außerhalb der Bank ist das gelbe Metall außerordentlich schwer zu finden und wird gehortet. […] In Spanien, wie überall, wird das Greshamsche Gesetz befolgt. Das gute Geld, das heißt das Gold, hat sich verabschiedet. Die andere Sorte, nämlich das Silber, ist im Laufe der Zeit immer zweifelhafter im Wert geworden und das Stück zu fünf Pesetas ist jetzt nichts weiter als ein bloßer Nennwert, der überall dort, wo die Schuldner nicht die Macht des Gesetzes in Anspruch nehmen können, um ihre Gläubiger zur Annahme einer Münze von fiktivem Wert zu zwingen, etwa die Hälfte seines Wertes verloren hat.“ [4]

Während Gold von der Bevölkerung als Wertaufbewahrungsmittel begriffen wurde, dominierte das im Wert zurückgehende Silber den Zahlungsverkehr: „Unter diesen Umständen kam Spanien um 1882 langsam zur Silberwährung; die Bank löste ihre Noten in Silber ein, auch der Staat zahlte in Silber.“ [5] Wiederholt gab es Versuche, einen Goldstandard zu etablieren, etwa in den Jahren 1906 und 1912. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Spanien neutral geblieben war, nahm die Regierung von Primo de Rivera einen neuen Anlauf: „1928 erlebte die Welt eine Zeit der Euphorie, die natürlich günstige Auswirkungen auf Spanien hatte. Finanzminister José Calvo Sotelo glaubte, dass der Moment gekommen sei, den Wert der Peseta in Gold auszudrücken, und dass dies eine Bestätigung von Macht und Ruhm sei und Spanien und seiner Regierung unter allen Nationen in eine beneidenswerte Position versetzen würde.“ [6] Doch die Weltwirtschaftskrise von 1929 und der folgende Bürgerkrieg zerstörten alle Hoffnungen auf eine stabile Währung.


Spanien. Alfons XII. 25 Pesetas von 1884. 900er Gold, 8,1 g 24 mm

[Numismatic Guaranty Corporation]


In dem Roman aus der Zeit des Bürgerkriegs über die Brüder Pablo und Antonio kehrte der Ältere nach 20 Jahren schließlich in die Heimat zurück. Das mit einem Trick von seinem Bruder erschlichene Geld hatte Pablo längst verspielt. Nun wollte er die Apotheke! Antonio sollte sie verkaufen und ihm die Hälfte des Erlöses geben. Antonio ging darauf ein. Mitten im Bürgerkrieg wandte er sich an einen Interessenten. Doch der Mann wollte sich an dem Notverkauf bereichern: „Sie erhalten morgen fünfundzwanzigtausend abgestempelte Peseten. Ich übernehme die Apotheke samt allem Zubehör. Spätestens drei Monate nach Wegfall aller Kriegsverordnungen lasse ich alles öffentlich versteigern und Sie erhalten die Hälfte abzüglich der Fünfundzwanzigtausend.“ [7] Doch das Geschäft, mit dem die Notgesetze des Bürgerkriegs umgangen werden sollten, scheiterte. Die Familie musste mit Hilfe eines Freundes fliehen: „Soces rettet uns. Er hat tausend Peseten in Gold. Es sind seine Ersparnisse. Er geht mit uns.“ [8] Am 26. April 1937 bombardierten die Deutschen das Städtchen Guernica. Die Apotheke war eine Ruine. Und Antonio war tot. So waren nicht nur die Goldmünzen des Großvaters verloren, sondern nun auch die Apotheke!


Spanien. Alfons XIII. 20 Pesetas von 1896. 900er Gold, 6,4 g, 21 mm [Numista, Heritage Auctions]


Quellen

  1. Hermann Kesten: Die Kinder von Gernika. Erstveröffentlichung 1939; Reinbek 1954, S. 54f.

  2. Ebd., S. 56.

  3. Pablo Martín-Aceña, Elena Martínez-Ruiz, Pilar Nogues-Marco: Floating against the tide. Spanish monetary policy (1870–1931). Madrid 2011, S. 21.

  4. A. De Foville: „Spanish Currency“; in: Journal of Political Economy 7/1, Dezember 1898, S. 10ff.

  5. Herbert Rittmann: Moderne Münzen. München 1974, S. 201.

  6. Domingo Solans: „A farewell to the peseta“; auf: ecb.europa.eu

  7. Kesten, S. 63.

  8. Ebd., S. 90.

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