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Mit Evelyn Waugh durch das koloniale Afrika

Remote People ist vielleicht eines der unterhaltsamsten Reisebücher überhaupt. Es beginnt mit einem Bericht über die Krönung des äthiopischen Kaisers Haile Selassie I. Der berühmte englische Schriftsteller Evelyn Waugh berichtete 1930 als Sonderkorrespondent der Londoner Tageszeitung The Times über das Ereignis. Einmal vor Ort, bereiste der Autor das Herz von Afrika bis an die Südküste. Dabei schildert er auch immer wieder die Münzen der diversen Kolonialwährungen. Aus Europa kommend, legte das Schiff der Reisenden im Herbst 1930 zunächst in Dschibuti an, einer kleinen französischen Kolonie an der Ostküste: „Somalische Jungen schwammen um das Schiff herum und forderten, dass man ihnen Geld zuwirft. […] Die kleinen Jungen im Wasser schrien nach Francs oder tauchten zitternd an Deck auf und boten uns an, zur Belustigung ins Wasser zu springen.“[1] Die Franc-Stücke bestanden aus Aluminium-Bronze, die großen Münzen zu 10 und 20 Francs aus Silber.


Evelyn Waugh (1903–1966) [La Vanguardia]


Vor der Weiterfahrt nach Äthiopien tauschte Waugh seine zerfledderten und schmutzigen Banknoten der „Banque de l‘Indochine“ gegen Silbertaler ein: „Es gibt mehrere gute Gründe, nicht nachts zu reisen. Einer davon ist der Maria-Theresien-Taler, der anderswo in Afrika von der kargen Rupie oder dem schäbigen Ostafrikanischen Schilling verdrängt wurde. In Äthiopien ist er immer noch die wichtigste Münze. Sie ist nicht die günstigste Form der Währung. Ihr Wert schwankt mit dem Silberpreis und bietet Gelegenheit für eine Vielzahl von eher zwielichtigen Spekulationen. […] Ich sah eine kleine Karawane, die für drei Monate ins Landesinnere aufbrach und die zwei Maultierladungen an Talern für laufende Ausgaben mit sich führte. Es ist die Münze, an die die Menschen gewöhnt sind, und sie bestehen darauf, sie zu verwenden.“[2]


Österreich, Maria-Theresien-Taler von 1780, Nachprägung. 28 g, 40 mm [Solidus Numismatik, 98/1629]


Tausende von Zuschauer waren in Addis Abeba bei der Krönung von Haile Selassi in einem Zelt dabei: „Der Begriff eines Zeltes gibt jedoch einen unvollständigen Eindruck von diesem schönen Pavillon. Er war hell und hoch, gestützt von zwei Kolonnaden aus drapierten Gerüstpfosten. Am östlichen Ende war mit Vorhängen aus Seide ein besonderer Raum abgeteilt, in dem sich die heilige Monstranz aus der Kathedrale von Addis Abeba befand. Ein teppichbedecktes Podest verlief über die halbe Länge des Bodens. Auf ihm stand der mit Seide bedeckte Tisch, auf dem die Insignien und die Krone in einer Pappschachtel verborgen waren; auf beiden Seiten gab es Doppelreihen von vergoldeten Stühlen für den Hof und das diplomatischen Korps, und am Ende zwei Throne mit Baldachin, ein scharlachroter für den Kaiser und ein blauer für die Kaiserin.“[3]


Nach dem mehrtägigen Krönungszeremoniell fuhr Waugh zunächst westwärts durch Britisch-Ostafrika. Dabei kam er auch durch die Ortslage von Tabora. Dort hatten die deutschen Kolonialherren im Ersten Weltkrieg ihr legendäres Notgeld geprägt: „Die Stadt ist nicht uninteressant. Sie spiegelt die verschiedenen Etappen ihrer Geschichte wider. Schöne Mango-Haine zeugen noch von der Zeit der arabischen Besatzung, als die Stadt der wichtigste Umschlagplatz für Sklaven und Elfenbein an der Karawanenroute zur Küste war. Akazienbäume, ein Fort und ein heruntergekommenes Hotel sind aus der Zeit von Deutsch-Ostafrika erhalten geblieben. Es war eine Zeit lang der Stützpunkt von Lettows tapferem Feldzug. Hier prägte er sein eigenes Gold – den sogenannten Tabora-Sovereign, der bei Sammlern auch heute noch sehr begehrt ist.“[4]


Britisch-Ostafrika, Shilling von 1925. 250er Silber, 7,8 g, 28 mm [Numismatic Guaranty Corporation]


Im früheren Deutsch-Ostafrika war die Rupie nun vom Ostafrikanischen Schilling abgelöst worden, der von den britischen „Currency Boards“ für die Kolonien ausgegeben wurde. Dieser Währung hatte sich auch Evelyn Waugh zu bedienen. Um den Tanganjikasee mit einem Dampfschiff zu überqueren, musste er sich zudem ein ärztliches Attest zu besorgen. Nach langwieriger Suche fand er im Hafen einen Arzt, der es ihm auf einem alten Briefumschlag ausstellte. Der Preis: „Fünf Shilling, bitte!“[5] Auf dem Schiff wurden weitere der entsprechenden Münzen gebraucht – für das miserable Essen und Bestechungsgelder. Eine Kabine bekam der Schriftsteller vom Kapitän nicht zugewiesen: „Wie ich später erfuhr, hätten wir ihm zusammen mit unseren Fahrkarten ein Trinkgeld zustecken sollen.“[6]

Der letzte Abschnitt seiner Reise entpuppte sich als der beschwerlichste. Das entsprechende Kapitel seines Buches schaffte es daher auch in die deutsche Reise-Anthologie „Nie wieder! Die schlimmsten Reisen der Welt“.


Während der Zugreise in die Südafrikanische Union wurde Evelyn Waugh mit dem Südafrikanischen Pfund konfrontiert, einer Nachfolgewährung des Britischen Pfundes: „Zahlungsmittel waren hauptsächlich Drei-Penny-Stücke (hier ‚Tickies‘ genannt) und Gold-Sovereigns, daneben diverse, von unterschiedlichen Banken herausgegebene Geldscheine.“[7]

Vor den zusteigenden Desperados aus den rhodesischen Kupferminen musste er sein Geld verbergen: „Einer der Burschen stahl dem Mulatten-Boy, der die Betten machte, neun Shilling.“[8]

Die in Südafrika geprägten Sovereigns glichen den entsprechenden britischen Goldmünzen. Auf einen Sovereign kamen 20 Schilling mit dem Landesnamen „South Africa – Zuid Afrika“ aus Silber. Die silbernen Drei-Pence-Stücke trugen dieselbe Bezeichnung. Größte Silbermünze der an das Britische Pfund gebundenen südafrikanischen Währung war damals ein 2,5-Shillings-Stück.


Südafrika, 2 ½ Shillings von 1930. 800er Silber, 14,1 g, 32 mm [Noble Numismatics Pty Ltd, 127/3294]


In Kapstadt angekommen, bestieg Waugh mit seinem letzten Geld im Frühjahr 1931 einen Dampfer nach England: „Ich hatte noch etwa vierzig Pfund in der Tasche. Am selben Nachmittag fuhr ein Schiff. […] Für zwanzig Pfund kaufte ich mir ein Bett in einer großen und sauberen Dritter-Klasse-Kabine.“[9]

In London glaubte der Autor, endlich wieder die Annehmlichkeiten der Zivilisation genießen zu können. In einem Restaurant wollte er Freunden bei einem Glas Wein von seinen Abenteuern berichten. Doch der Kellner bestand darauf, dass die Gesellschaft etwas zu essen hätte: „Wir bestellten Sandwiches zu sieben Shilling Sixpence. Es kam nichts.“[10] Nach mehrfacher Erinnerung brachte einer der Kellner endlich eine Weinflasche: „Der Wein schmeckte nach salzigem Sodawasser.“[11] Die Gastronomie im Zentrum des britischen Empire! Waugh beschloss, in nächster Zeit öfter über sein so rückständiges Mutterland zu berichten: „Ich bezahlte die Rechnung in gelbem afrikanischen Gold. Es schien mir ein gerechter Tribut der schwächeren Völker an ihre Lehrmeister zu sein.“[12]


Anmerkungen

  1. Evelyn Waugh, Remote People. London 1931, S. 19f.

  2. Ebd., S. 22.

  3. Ebd., S. 50.

  4. Ebd., S. 211.

  5. Evelyn Waugh, „Als Globetrotter in Afrika“, in: Nie wieder! Die schlimmsten Reisen der Welt. Frankfurt/Main 1995, S. 249.

  6. Ebd., S. 250.

  7. Ebd., S. 262.

  8. Ebd.

  9. Ebd., S. 262.

  10. Ebd., S. 264.

  11. Ebd.

  12. Ebd., S. 265.

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