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Frankreich ohne König: Das blutige Ende der Herrschaft Ludwigs XVI. im Jahr 1792

Bei der 35. Web Auktion der Leu Numismatik AG in Winterthur kommt am 9. Juli 2025 unter anderem ein interessantes Medaillenpaar zur Versteigerung. Auf diesen Medaillen sind die letzten Stunden des französischen Königspaares verewigt.


Nach der Erstürmung der Pariser Bastille am 14. Juli 1789 dauerte es noch drei Jahre, bis sich Frankreich zur Republik erklärte und König Ludwig XVI. formal abgesetzt und zum „Bürger Capet“, benannt nach der Dynastie der Kapetinger, degradiert war. Vergeblich hatten Royalisten vom Exil aus Österreich, Preußen und England versucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und den Monarchen in seine alten Rechte einzusetzen. Die überwiegende Mehrheit der Franzosen aber war mit der elenden Bourbonenherrschaft und dem Schmarotzertum am Hof von Versailles fertig und wünschte sich inbrünstig, dass das Motto „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ endlich Realität wird.


Einige der hier vorgestellten Münzen und Medaillen kommen aktuell in der Web Auktion 35 der Leu AG in Zürich unter den Hammer. Sie sind interessante Zeugnisse für eine Zeit des Umbruchs, in der sich das Alte Europa unter Schmerzen und großen Verlusten an Gut und Menschenleben auf den Weg in die Moderne machte. Um einen Schlussstrich unter die Königsherrschaft zu setzen, beschloss der Nationalkonvent am 21. September 1792 in Paris, Frankreich in eine Republik umzuwandeln und eine neue Zeitrechnung einzuführen. Der mit ungewöhnlichen Daten und Namen ausgestattete Kalender rückte demonstrativ von der christlichen Zeitrechnung ab und betonte den Geist der neuen Zeit. Da er sich als unpraktisch erwies und man Schwierigkeiten mit Datierungen hatte, kehrte Kaiser Napoleon I. 1806 zum alten gregorianischen Kalender zurück.

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Diese seltene Silbermünze zu 1/20 Ecu von 1783 wurde in Paris (Buchstabe A)  geprägt. Sie weist Ludwig XVI. als  König von Frankreich und Navarra aus. Leu Numismatik AG Web Auktion 35, Los 5521.


Ludwig XVI. wird als kraft- und entschlussloser Herrscher geschildert, als ein Mann mit Blei im Blut. Absolut regierend und keine Macht neben sich duldend, war er, in einem goldenen Käfig lebend, nicht der sich verschärfenden Staats- und Finanzkrise gewachsen und agierte auch im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis  1783 gegen England kämpfend ohne Glück. Er brauchte sieben Ehejahre, bis er nach Überwindung einer Phimose endlich mit seiner Gemahlin den ersehnten Thronfolger Louis Charles, der 1795 in Gefangenschaft starb, und danach weitere Kinder zeugen konnte. Anstatt sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern und die Not seiner Untertanen zu lindern, reagierte der König, ein Hüne von Mann mit durchschnittlichem Verstand, seine Körperkräfte bei der Jagd und in seiner exquisit eingerichteten Metallwerkstatt ab oder verkroch sich in seiner Bibliothek.

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Dieser doppelte Louis d'or wurde zwei Jahre vor der Revolution in Lille (Buchstabe W) geprägt und blieb aber auch darüber hinaus eine beliebte Goldmünze für den Fernhandel. Leu Numismatik AG Web Auktion 33, Los 299.


Wenn jemand in Frankreich etwas zu sagen hatte, dann war es Ludwigs junge, schöne und leichtlebige Frau Marie Antoinette, die aus Wien nach Paris verheiratet wurde. Mit erst 15 Jahren war sie am 16. Mai 1770 mit dem französischen Thronfolger vermählt worden, der 1774 als Ludwig XVI. den Thron bestieg. Als man „Madame Deficite“ die weit verbreitete Armut schilderte, soll sie geantwortet haben, wenn die Leute kein Brot hätten, sollten sie doch Kuchen essen. Ihr war die Zukunft gleichgültig, und deshalb wird ihr auch der Ausspruch „Nach uns die Sintflut“ in den Mund gelegt.

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Das MA unterhalb des Wappens auf diesem Sol weist auf die Münzstätte Marseille hin. Die Legende besagt, dass der König bei seinem Fluchtversuch anhand der Bildnisse auf solchen Münzen erkannt wurde. Leu Numismatik AG Web Auktion 22, Los 851.


Um die Tochter der Kaiserin Maria Theresia scharte sich ein Klüngel geld- und machtgieriger Hofschranzen, und wer ihr am besten zum Munde redete, hatte Aussicht auf hohe Ämter und reiche Zuwendungen aus der Staatskasse. Vergeblich mahnte die in Wien lebende Mutter Kaiserin Maria Theresia ihre Tochter zur Mäßigung. Über den maroden Zustand der Landesfinanzen machte sich das in Saus und Braus wie „Gott in Frankreich“ lebende Königspaar und seine Entourage keine Gedanken. Sie schlugen Warnungen von Philosophen und Schriftstellern wie Voltaire, Diderot, Rousseau und anderen klugen Köpfen in den Wind und nahmen auch nicht wahr, wie das einfache Volk ausgepresst und unterdrückt wurde. Dessen Wut staute sich so dramatisch an, dass das Volk von Paris am 14. Juli 1789 die Bastille, das Staatsgefängnis, stürmte und damit eine Revolution auslöste, die die damalige Welt verändern sollte.

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Als das Reiterdenkmal Ludwigs XV. 1763 in Lutetia, so der lateinische Name von Paris, eingeweiht wurde, war die Welt der französischen Könige noch in Ordnung. Leu Numismatik AG Web Auktion 35, Los 5519.

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Statt der königlichen Lilien schreibt der Genius der Revolution auf dem Sechs-Livres-Stück von 1793 das Wort CONSTITUTION auf eine Tafel, daneben Fasces mit der Jakobinermütze und der gallische Hahn, der die Lilien ersetzt. Bei den tiefen Streifen auf der Rückseite handelt es sich um Justierspuren. Leu Numismatik AG Web Auktion 35, Los 5523.


Als das Volk von Paris am 14. Juli 1789 das berüchtigte Staatsgefängnis, die Bastille, stürmte, waren sich Ludwig XVI. und Marie Antoinette des Ernstes der Lage nicht bewusst. Erst langsam dämmerte ihnen, dass ihre Zeit abgelaufen war. Ein Fluchtversuch scheiterte bereits am 22. Juni 1791 in Varennnes nahe der Grenze zu Belgien, das damals von den Österreichern beherrscht wurde. Unter Spottgesängen wurde das als einfache Bürger verkleidete Paar mit seinen Kindern nach Paris gebracht und bald darauf ins Gefängnis gesteckt. Bis zu ihrem schmählichen Ende hoffte das nach Ausrufung der Republik im September 1792 seiner Krone und Macht beraubte und nun zu einfachen Franzosen herabgestufte Paar, dass ausländische Armeen dem Treiben der Jacobiner ein Ende setzen und dass das Revolutionsregime schnell abwirtschaftet.

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Ludwig XVI. und Marie Antoinette und die gemeinsamen Kinder nehmen auf der Medaille unter Tränen Abschied voneinander. Die Medaille, die samt Original-Etui angeboten wird, wurde von dem Berliner Medailleur Conrad Heinrich Küchler entworfen. Leu Numismatik AG Web Auktion 35, Los 5524.


Auf den in Gefangenschaft gehaltenen Ex-König und seine Gemahlin Marie Antoinette kamen nach ihrer formalen Absetzung schwere Zeiten zu. Jetzt forderten ehemalige Untertanen, ihren früheren Herrschern den Prozess zu machen. Dem seiner bisherigen Immunität beraubten König wurde der Verschwörung gegen die freiheitliche Ordnung und gegen die nationale Sicherheit durch Kollaboration mit ausländischen Feinden zur Last gelegt. Der König müsse sein Leben verlieren, weil er eine Gefahr für die Republik bedeutete und dem Land Chaos und Zwietracht drohten, hieß es damals im Konvent, der über das Schicksal von „Louis Capet“ zu beraten hatte und seine Hinrichtung beschloss.


Als Marie Antoinette im Herbst 1793 vor ihren Richtern stand, warf man ihr alles erdenklich Schlechte dieser Welt vor – Landesverrat und geheime Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten, die mit Waffengewalt die Königsherrschaft in Frankreich wiederherstellen wollten. Der Angeklagten wurde die Ausbeutung der Staatskasse für ihr Luxusleben und Bezahlung zahlreicher Günstlinge vorgehalten. Ja man schreckte auch nicht vor der – unbewiesenen -  Anschuldigung zurück, sie habe inzestuöse Beziehungen zu ihren eigenen Kindern und zu ihrer Schwester gehabt. Sie sei als „gekrönte Hure“ ohne jeden Anstand gewesen und damit todeswürdig. Wer sich in dieser aufgeheizten Situation für die „Witwe Capet“ einsetzte, musste damit rechnen, seinen Kopf zu verlieren. Versuche des schwedischen Grafen und heimlichen Geliebten Hans Axel von Fersen, die abgehärmte und von ihren beiden Kindern getrennte Gefangene aus dem streng gesicherten Gefängnis, dem Temple, zu befreien, scheiterten.


Als Marie Antoinette am 16. Oktober 1793, bis zuletzt die königliche Haltung bewahrend, in Paris öffentlich hingerichtet wurde, ordneten die kaiserlichen Verwandten in Wien und andere gekrönte Häupter Hoftrauer an, gingen im Übrigen aber weiter ihren Geschäften nach und arrangierten sich schon bald mit der Republik. Sie wirkte wie ein Pfahl im Herzen des alten Europa, das sich in den folgenden Jahren auf den Weg in die Moderne machte.

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Nachdem der Ex-König am 21. Januar 1793 im Beisein einer großen Menschenmenge seinen Kopf unter der Guillotine verloren hatte, wurde Marie Antoinette am 16. Oktober 1793 ebenfalls durch das Fallbeil hingerichtet. Auf dieser Medaille, die ebenfalls von Küchler entworfen wurde, ist die Hinrichtungsszene abgebildet. Leu Numismatik AG Web Auktion 35, Los 5524.

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Der talentierte Medailleur Küchler war ab 1793 an der Münzstätte Handsworth tätig und entwarf dort unter anderem das Design dieser beleibten Bank of England Dollars. Leu Numismatik AG

Web Auktion 35, Los 5386.


Johann Wolfgang von Goethe, bestimmt kein Freund der Revolution, kommentierte das schmähliche Ende Ludwigs XVI. mit den auch für andere gescheiterte Existenzen seiner Zeit und nach ihm zutreffenden Worten:  „Warum denn, wie mit einem Besen / wird so ein König hinausgekehrt? / Wärens Könige gewesen / sie stünden noch alle unversehrt“. Der Dichter hatte an der für Frankreich siegreich beendeten Kanonade von Valmy am 20. September 1792 teilgenommen und sah in ihr den Beginn einer „neuen Epoche der Weltgeschichte“. Er meinte, Ludwig XVI. habe als König versagt, weil er sich nicht um das Wohl und Wege seiner „Landeskinder“ sorgte, wie man damals sagte, sondern nur an seinem eigenen Wohlleben und dem seiner Klientel interessiert war.


Die nach Beginn der Revolution ins Ausland geflüchteten Brüder Ludwigs XVI. konnten erst 1814/15, nach dem Ende der Napoleonischen Ära, die Bourbonenherrschaft wiederherstellen. Unter Ludwig XVIII. und Karl X. wurden rührselige Geschichten über das Ende des Königspaares in Umlauf gesetzt. Jetzt konnte man auch an denjenigen Rache üben, die 1793 für die Todesstrafe gestimmt hatten. Die Gebeine der Hingerichteten wurden nicht gefunden. Erst im Jahr 2000 hat man das in eine Glaskapsel eingeschlossene Herz des 1795 zehnjährig verstorbenen Kronprinzen durch DNA-Vergleich mit Persönlichkeiten aus der Familie Bourbon als  diesem zugehörig identifiziert und 2004 feierlich in der Königsgruft der Kirche Saint-Denis bei Paris bestattet. Royalisten nannten den Knaben Ludwig XVII., weshalb sich der nächste Bourbonenkönig den Namen Ludwig XVIII. zulegte, um nach dem Motto „Der König ist tot, es lebe der König“ monarchische Kontinuität zu unterstreichen.


Helmut Caspar


Für die Leu Web Auktionen 34 (Antike) & 35 (Moderne & Neuzeit) vom 5. bis 10. Juli 2025 ist das Bieten auf gewohnten und bequemen Wegen möglich. Sie können über die Website der Leu Numismatik AG (www.leunumismatik.com), bei biddr, numisbids und sixbid bieten.

Der Katalog ist hier online einsehbar: Leu Numismatik


Leu Numismatik AG, Stadthausstrasse 1438400 Winterthur, Schweiz. Telefon +41 52 214 11 10, Fax: +41 52 214 11 13, E-mail: info@leunumismatik.com Web: www.leunumismatik.com

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