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Helmut Caspar

König von Frankreich und Navarra – Viele Gepräge der Bourbonen sind mit einem Doppeltitel versehen

Auf Münzen und Medaillen des 16. bis 18. Jahrhunderts tragen die Könige von Frankreich den lateinischen Titel „FR. ET NAV. REX“, und es besteht die Frage, was genau das zu bedeuten hat.


Bis zur Abschaffung der Monarchie im Ergebnis der Revolution von 1789 war Frankreich formal eine Doppelmonarchie, bestehend aus den großen und kleinen Königreichen Frankreich und Navarra. Die Frage, was Navarra bedeutet, führt in das 16. Jahrhundert zurück, als in unserem Nachbarland, und nicht nur dort, blutige Religionskriege tobten. Gegen die Übermacht der katholischen Kirchen und des sie unterstützenden Adels und Bürgertums lehnten sich die Hugenotten auf, die in der Minderheit waren.


Der zunächst spöttisch gemeinte, dann aber ehrenvoll gebrauchte Name dieser Protestanten, genauer gesagt Calvinisten, wurde von den „Huguenots“ abgeleitet, den schweizerischen Eidgenossen. Schauriger Höhepunkt der Auseinandersetzungen war die Bartholomäusnacht. In der Nacht zum 25. August 1572, dem Bartholomäustag, wurden während der Hochzeit des aus dem Hause Bourbon stammenden Königs Heinrich IV. von Navarra und Margarete von Valois mehrere tausend Hugenotten ermordet. Unter den Opfern der „Pariser Bluthochzeit“ befand sich auch Admiral Coligny, ihr militärischer Führer. Heinrich IV., seit 1589 König von Frankreich, machte den schrecklichen Religionskriegen ein Ende und gewährte 1595 den Hugenotten mit dem Edikt von Nantes Glaubensfreiheit und Gleichberechtigung.

Der kleine Pyrenäenstaat Navarra im Norden von Spanien mit Pamplona als Hauptstadt, aus dem der König stammte, gehörte zu gleichen Teilen zu Frankreich und zu Spanien. Heinrich IV. von Bourbon, den seine Untertanen auch „Henri Le Bon“ und/oder „Henri le Grand“ (Heinrich der Gute, der Große) nannten, bestieg 1572 den Thron von Navarra und regierte Frankreich von 1589 bis zu seiner Ermordung 1610. Um seine Herrschaft in Frankreich durchsetzen zu können, trat der Calvinist und Führer der Hugenotten zum Katholizismus über. Dabei soll er „Paris ist eine Messe wert“ gesagt haben, was nichts anderes bedeutet, als dass er den Religionswechsel in Kauf nahm, um Frankreich regieren zu können.

Heinrich IV. sorgte in seinem von Bürgerkriegen zerrütteten Land für Frieden und schuf die Grundlagen für den französischen Einheitsstaat. Das Edikt von Nantes war einer der wichtigsten Leistungen seiner Regentschaft. Frankreich entwickelte sich mit den Jahren zu einer ernstzunehmenden europäischen Großmacht. Am 14. Mai 1610 wurde der König von dem religiösen Fanatiker François Ravaillac ermordet. Seine Nachfolger Ludwig XIII., der bis 1640 regierte, und vor allem dessen Sohn Ludwig XIV. wandten sich von der bisher praktizierten Toleranzpolitik ab. Ludwig XIV. regierte ungewöhnlich lange bis 1715 und verstärkte im Zusammenhang mit der Gegenreformation den Druck auf seine protestantischen Untertanen. Indem er sie auch mit Waffengewalt zum Übertritt zur katholischen Kirche drängte, ließ er Kirchen der Hugenotten zerstören und hob 1685 das Edikt von Nantes auf. Wer jetzt noch zu seinem Glauben hielt, war vogelfrei und hatte schärfste Repression zu erwarten.

Die ihrer Lebensgrundlagen beraubten Hugenotten, unter denen wohlhabende Unternehmer, Militärs, Künstler und Gelehrte, aber auch Bauern und Handwerker waren, flohen in die Schweiz, nach England, Skandinavien und in einzelne deutsche Fürstentümer, so auch nach Kurbrandenburg. Dessen Kurfürst Friedrich Wilhelm nahm die Glaubensflüchtlinge (Refugiés) mit offenen Armen auf, sicherte ihnen Freundschaft sowie gute Entwicklungsmöglichkeiten zu und gewährte ihnen Glaubensfreiheit. Das geschah weniger aus Mitleid, sondern hatte handfeste ökonomische Gründe, weil die mit vielen Vergünstigungen bedachten Neuankömmling mit ihrem Wissen und ihren breitgefächerten Fertigkeiten der Wirtschaft auf die Sprünge helfen und das kulturelle Niveau verbessern sollten. Zahlreiche Refugiés erhielten einträgliche und einflussreiche Posten am Berliner Hof, in der Verwaltung und der Armee, was von den Einheimischen nicht immer gern gesehen wurde. Sie übernahmen von den Zugewanderten feine Sitten und Gebräuche, und auch die eher karge märkische Küche profitierte. Viele französische Worte fanden, leicht verändert und modernisiert, Eingang in die Umgangssprache und sind auch heute präsent.

Letzter König von Frankreich und Navarra war Ludwig XVI. Sein doppelter Titel steht auf unzähligen Münzen und Medaillen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er und seine Gemahlin, die aus Österreich stammende Königin Marie Antoinette, wurden 1793 hingerichtet. Nach dem Ende der Herrschaft des aus Korsika stammenden Kaisers Napoleon I. kamen die Bourbonen in Frankreich wieder an die Macht. Sie unternahmen alles, um die vorrevolutionären Verhältnisse wiederherzustellen oder, wie man sagte, zu restaurieren. Ihren alten Titel als Könige von Navarra haben sie nicht mehr verwendet. Ludwig XVIII., ein Bruder des geköpften Monarchen, und seine Nachfolger begnügten sich mit der schlichten Anrede „Roi de France.“

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