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Helmut Caspar

Goethe und das Geld

Johann Wolfgang von Goethe hatte ein intensives Verhältnis zum Geld. Als Minister war er für den Staatshaushalt des kleinen Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach sowie für Steuerfragen zuständig. Gleichzeitig kümmerte er sich um den ständigen Fluss der Einkünfte aus seinen Veröffentlichungen und wandte darüber hinaus viele Taler bzw. Dukaten für seine vielfältigen Sammlungen auf. Als der Dichter 1832 mit fast 83 Jahren starb, war er ein schwerreicher Mann. Er hinterließ beträchtliche Vermögenswerte. Neben seinem Wohnhaus am Weimarer Frauenplan und seinem Gartenhaus an der Ilm vererbte er seine Kunst-, Münz- und Naturaliensammlung und dazu ein Kapital in Höhe von 58.000 Reichstalern. Insgesamt hat man sein Einkommen als Dichter auf 140.000 Taler geschätzt. Alles in allem dürfte Goethe nach heutigem Maßstab mehrfacher Millionär gewesen sein.


Im Laufe seines Lebens hat Weimars berühmtester Bürger mehr als 26.000 Kunstgegenstände sowie 24.000 naturkundlich interessante Objekte zusammengetragen, ergänzt durch rund 2.000 Münzen und ebenso viele Medaillen meist aus der Zeit der Renaissance. Dieser großartige, mit hohem finanziellem Einsatz geschaffene Besitz blieb dank günstiger Umstände in Weimar erhalten. Der Bestand an Medaillen wurde im Jahr 2000 in zwei von der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst und der Stiftung Weimarer Klassik publizierten Bänden von Jochen Klauß mit zahlreichen Bildern beschrieben (737 Seiten, zahlreiche Schwarzweißfotos, ISBN 3-7861-2369-1).

Während seiner Reise nach Italien vom September 1786 bis Mai 1788 kam der junge Goethe unter anderem mit antiken Münzen in Berührung und war sogleich begeistert. Nachdem er eine Sammlung in Palermo gesehen hatte, notierte er enthusiastisch: „Welch ein Gewinn, wenn man auch nur vorläufig übersieht, wie die alte Welt mit Städten übersäet war, deren kleinste, wo nicht eine ganze Reihe der Kunstgeschichte, wenigstens doch einige Epochen derselben uns in köstlichen Münzen hinterließ. Aus diesen Schubkasten lacht uns ein unendlicher Frühling von Blüthen und Früchten der Kunst, eines in höherem Sinne geführten Lebensgewerbes und was nicht alles mehr hervor. Der Glanz sicilischer Städte, jetzt verdunkelt, glänzt aus diesen geformten Metallen wieder frisch hervor“. Goethe fügte hinzu, leider hätten wir, womit er sich wohl selber meint, in unserer Jugend nur die Familienmünzen besessen, die nichts sagen, und die Kaisermünzen, welche dasselbe Profil bis zum Überdruss wiederholen und Bilder von Herrschern sind, die eben nicht zu den Musterbildern der Menschheit gehören. „Sicilien und Neugriechenland lässt mich wieder ein frisches Leben hoffen“.

Von nun an bemühte sich der Dichter, selber eine Münz- und bald schon eine Medaillensammlung aufzubauen. Dank seiner finanziellen Möglichkeiten, aber auch vielfältiger Verbindungen zu Freunden und Briefpartnern nach Italien, Frankreich sowie in andere Länder, war er dabei sehr erfolgreich. Aus schriftlichen Hinterlassenschaften und Äußerungen von Freunden sowie Besuchern ist zu entnehmen, dass Unterhaltungen über Münzen und Medaillen zu Goethes Tagesablauf gehörten. Es war eine besondere Auszeichnung des Hausherrn, wenn er Besuchern seine im Haus am Weimarer Frauenplan untergebrachten Schätze zeigte. Dabei achtete der Gastgeber streng darauf, dass seine numismatischen Lieblinge am Rand und nicht grob in der Mitte angefasst werden. So nimmt Goethe in seinem Roman „Wahlverwandtschaften“ gebildete Menschen aufs Korn, die sich roh „selbst gegen die schätzbarsten Kunstwerke verhalten. [...] Niemand weiß eine Medaille am Rand anzufassen; sie betasten das schönste Gepräge, den reinsten Grund, lassen die köstlichsten Stücke zwischen Daumen und Zeigefinger hin- und hergehen, als wenn man Kunstformen auf diese Weise prüfte“. Passend dazu finden wir in der „Klassischen Walpurgisnacht“ im Faust II die vielzitierte Feststellung des Thales „Das ist es ja, was man begehrt: / Der Rost macht erst die Münze wert“.

Die Beschäftigung mit Münzen und Medaillen sowie das Lesen numismatischer Werke waren für den vielseitig interessierten, rastlos tätigen Minister, Dichter und Naturforscher so etwas wie das „nahrhafteste Öl für den Lebensdocht“, wie es in einem Brief von 1806 an den Weimarer Regierungsrat, Archivar und Bibliothekar Christian Gottlob von Voigt heißt. Goethes Wohn- und Schaffensort, die herzogliche und ab 1815 großherzogliche Residenzstadt Weimar, war klein und eng. Verbindungen aber bestanden in die große weite Welt durch intensive Korrespondenzen und Gespräche mit Besuchern, die sich im Haus am Frauenplan die Klinke in die Hand gaben. Hinzu kam die Lektüre von numismatischer und kunstgeschichtlicher Literatur. „Mein einziger Trost ist der numismatische Talisman, der mich, auf eine bequeme und reizende Weise, in entfernte Gegenden und Zeiten führt“, schrieb Goethe 1803 an Friedrich Schiller. Die Betrachtung von Münzen, und damit waren immer auch Medaillen gemeint, sei für ihn, da er keine Möglichkeit habe, größere Kunstwerke zu sehen, eine „besonders belehrende Unterhaltung, indem man die Kunstgeschichte aus ihnen sehr gut studieren kann, besonders wenn sich das Auge an Marmor hinlänglich geübt hat“, schrieb er im gleichen Jahr an Marianne von Eyenberg und wies auf das Kabinett im nahe gelegenen Gotha und andere Sammlungen hin, in denen man Münzen studieren könne. Außerdem standen dem Münz- und Kunstsammler numismatische Bücher und Zeitschriften für seine Forschungen sowie zur Bestimmung seiner Schätze zur Verfügung.

Vom Nutzen der Beschäftigung mit Münzen und Medaillen überzeugt, betonte Goethe 1814 gegenüber dem Kanzler Friedrich Theodor von Müller, der Mensch mache sich nur irgend eine würdige Gewohnheit zu eigen, an der er sich die Lust an heiteren Tagen erhöhen und in trüben Tagen aufrichten könne. „Er gewöhne sich z. B. täglich in der Bibel oder im Homer zu lesen, oder eine Medaille oder schöne Bilder zu schauen, oder gute Musik zu hören. Aber es muss etwas Treffliches, Würdiges sein, woran es sich so gewöhne, damit ihm stets und in jeder Lage der Respekt dafür bleibe“. In den „Urworten, orphisch“ gab der Dichter seiner Meinung über numismatische Ewigkeitswerte so Ausdruck: „Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt / Geprägte Form, die lebend sich entwickelt“.


Hinsichtlich seines Nachlasses verpflichtete der Dichter seine Erben, „diese meine Sammlungen konserviert zu sehen. Einige davon, namentlich meine Münzen und Medaillen – deren Werth in historischer und artistischer Hinsicht nicht genug zu schätzen ist –, wünschte ich für die hiesige Bibliothek resp. Münzkabinett akquiriert zu sehen nach billigem Anschlag“. So hat es ein enger Freund, der schon erwähnte von Müller, am 19. November 1830 notiert. Zusätzlich hielt er das Bekenntnis des Dichters fest, er habe seit 60 Jahren jährlich wenigstens hundert Dukaten auf den Ankauf von Merkwürdigkeiten gewendet, noch weit mehr habe er geschenkt bekommen. „Ich habe nicht nach Laune und Willkür, sondern jedesmal mit Plan und Absicht und zu meiner folgerechten Bildung gesammelt und an jedem Stück meines Besitzes etwas gelernt“. Goethes Erben haben sich an die Verfügung gehalten, und so sind seine Sammlungen und darin die Münzen sowie Medaillen in Weimar geschlossen erhalten geblieben. #JohannWolfgangVonGoethe #Weimar #Sammlung #Münzen #Medaillen #Sammler #Dichter #Päpste #Papst #Gedenkmünze #BRD #DDR #WeimarerRepublik #HelmutCaspar

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