Diokletian und die erste Tetrarchie
- Horst Herzog

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In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts, die in der Forschung als die Zeit der Soldatenkaiser bezeichnet wird, befand sich das römische Imperium in seiner bisher größten Krise. In dieser Phase lösten sich mehr als fünfzig Herrscher ab, von denen die allerwenigsten eines natürlichen Todes starben. Fast alle von ihnen wurden vom Militär zum Kaiser erhoben, konnten sich aber meist nur sehr kurze Zeit auf dem Thron halten, da die nächsten Usurpatoren schon in den Startlöchern standen und das Militär sehr wankelmütig und für Geldgeschenke sehr offen war.
Dies änderte sich mit der Machtübernahme des Diokletian (Abb. 1 und 2). Dieser wurde am 20. November 284 von den Truppen in Nikomedia zum Augustus erhoben. Geboren in den 40er Jahren des dritten Jahrhunderts in Dalmatien diente sich Diocles, der niederster Herkunft entstammte, unter Numerianus im Heer bis zum Befehlshaber der „protectores domestici“, einer Gardeeinheit, hoch. Nach seiner Erhebung adoptierte sich Diocles selbst in das Geschlecht der Aurelier und nannte sich fortan Gaius Aurelius Valerius Diocletianus.

Abb. 1: Büste des Diokletian, Abguss, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen
Original Istanbul, Archäologisches Museum
Bildquelle: wikimedia commons
Erst im Spätsommer 285, nach dem Tod des Kaisers Carinus, wurde Diokletian auch vom Senat offiziell als Augustus anerkannt. Obwohl Diokletian der militärischen Laufbahn entstammte, erkannte er deutlich, dass der Fortbestand des römischen Reiches nur durch zügige und einschneidende Reformen gewährleistet werden konnte. Neben Reformen der Militär- und Verwaltungsstruktur des Imperiums setzte Diokletian auch auf Verbesserungen im Münz- und Steuerwesen - bekannt ist hier vor allem das sogenannte „Höchstpreisedikt“ des Diokletian - und er reformierte das Kaisertum nach seinen Vorstellungen. Aufgrund der außen- und innenpolitischen Probleme der vergangenen Jahrzehnte hatte Diokletian erkannt, dass die physische Präsenz des Kaisers vor Ort, d. h. an den Brennpunkten des Geschehens, extrem wichtig war. Um dies zu gewährleisten, setzte Diokletian in der Folgezeit auf das Prinzip der Tetrarchie, der „Vierherrschaft“. Dabei handelte es sich nicht um eine Aufspaltung des Reiches in vier Teile, sondern eher um ein „Mehrkaisertum“, in dem jedem der vier gleichberechtigten Herrscher ein bestimmter Machtbereich zugeteilt wurde. Zudem sollte die Regierungszeit begrenzt sein und es sollte wie zur Zeit der Adoptivkaiser nicht ein leiblicher Nachkomme, sondern der jeweils „Beste“ im Amt nachfolgen. Innerhalb der Tetrarchie gab es jedoch ein gewisses „Rangsystem“.
Abb. 2: AV, ca 293/294, Trier, RIC VI Treveri Nr. 20
Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202530
An der Spitze dieses Systems stand Diokletian als der Urheber, der „auctor“, der Tetrarchie. Auf dem in Trier geprägten Aureus in Abb. 2 sehen wir auf der Vorderseite den nach rechts gerichteten Kopf des Diokletian mit Lorbeerkranz. Die Kopfform des Kaisers ist wie auch bei den folgenden Münzporträts fast quadratisch. Die Haarkappe und der Vollbart bestehen aus kurzen, sichelförmigen Locken. Stirn und Gesichtsoberfläche sind durch Falten stark gegliedert. Die Averslegende „DIOCLETIANVS P F AVG“ (Diocletianus Pius Felix Augustus - Diokletian, der fromme, glückliche Kaiser) ist relativ kurz gehalten. Auf
dem Revers ist der nach rechts weit ausschreitende Jupiter abgebildet. Dieser ist erkenntlich an dem Blitzbündel, das er in seiner erhobenen rechten Hand hält. Jupiter ist im Begriff, das Blitzbündel auf einen Giganten zu schleudern, der sich vor ihm befindet, und den er mit seiner Linken am Kopf ergriffen hat. Der Gigant besitzt einen menschlichen Körper, seine Beine enden jedoch in Schlangen. Die Reversumschrift „IOVI FVLGERATORI“ (dem Donnerer Jupiter) bezieht sich eindeutig auf das Münzbild. Unten im Abschnitt ist „PT“ (percussum Treveris - in Trier geschlagen) als Zeichen der Münzstätte Trier zu lesen. Das Reversbild bezieht sich auf den „Schutzgott“ des Diokletian. Da er keiner Dynastie entstammte, sondern ein „homo novus“ war, wählte er den Göttervater zu seinem Schutzgott und bezeichnete sich fortan als „Iovius“.
Abb. 3: AV, ca 293/294, Trier, RIC VI Treveri Nr. 13
Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202531
Noch im Jahr 285 erhob Diokletian seinen „Mitstreiter“ Maximian zum Caesar. Dieser war wohl etwas jünger als Diokletian, stammte auch aus Illyrien und machte beim Militär Karriere. Wichtigste Aufgabe Maximians war in dieser Phase die Niederschlagung des Bagaudenaufstandes in Gallien. Am 1. April 286 wurde Maximian dann zum Mitkaiser ernannt, sein offizieller Name lautete jetzt Marcus Aurelius Valerius Maximianus. Maximian sollte für die westliche Reichshälfte zuständig sein. Der Aureus in Abb. 3 ist eine „Parallelprägung“ der Münzstätte Trier zu dem Aureus in Abb. 2. Dementsprechend ist die Averslegende „MAXIMIANVS P F AVG“ bis auf den Namen identisch. Abgebildet ist der nach rechts gerichtete Kopf des Maximian mit Lorbeerkranz. Das Münzporträt zeigt wieder die quadratische Kopfform. Frisur und Gesichtsoberfläche sind ähnlich wie bei dem Porträt des Aureus in Abb. 2, wobei der Kopf des Maximian insgesamt „fülliger“ erscheint. Auf dem Revers ist der frontal - wohl auf einem Felsen - sitzende Herkules dargestellt. Der muskulöse Herkules ist bis auf das Löwenfell, das über seinem linken Oberschenkel liegt, unbekleidet. Herkules blickt nach rechts, seine Arme hat er im Schoß verschränkt. Rechts neben Herkules stehen Köcher und Bogen, links steht die Keule. Somit sind alle gängigen Attribute des Halbgottes hier im Bild versammelt. Die Umschrift „HERCVLI VICTORI“ (dem siegreichen Herkules) benennt nochmals die Münzdarstellung. Maximian wählte den Heros Herkules, Sohn des Jupiter, zu seiner Schutzgottheit. Dementsprechend führte Maximian in Analogie zu Diokletian den Beinamen „Herculius“. Im Abschnitt ist wieder „PT“ als Kennzeichen der Münzstätte Trier zu lesen. Innerhalb des „Rangsystems“ nahm Maximinian den zweiten Rang ein.
Abb. 4: AV, ca 294/295, Ticinum, RIC VI Ticinum Nr. 4
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Anlässlich des zehnjährigen Regierungsjubiläums von Diokletian im Jahr 293 wurden zwei Caesaren bestellt, die jeweils einem Augustus zugeteilt wurden. Der Titel „Caesar“ bedeutete allerdings keine geringeren Machtbefugnisse als die der beiden Augusti, sondern er bezog sich, wie das während der bisherigen Kaiserzeit bereits der Fall war, auf die Bezeichnung des potentiellen Nachfolgers. Dem Maximian wurde Constantius I., den wir besser unter dem Namen Constantius Chlorus (der Bleiche) kennen, zugeordnet. Über die Herkunft des Constantius wissen wir wenig, fest steht, dass er ebenfalls aus Illyrien stammte, und dass er wie alle anderen Tetrarchen beim Militär Karriere machte. Constantius wurde von Maximian adoptiert und heiratete wohl 289 Theodora, die Stieftochter des Maximian. Der Aureus in Abb. 4, geprägt in Ticinum, dem modernen Pavia, zeigt auf seiner Vorderseite den nach rechts gerichteten Kopf des Constantius mit Lorbeerkranz. Das Münzporträt wirkt sehr schematisch: quadratischer Kopfumriss, Kurzhaarfrisur, wenig Mimik. Der Vollbart ist nur bei näherem Hinsehen zu erkennen. Besonders betont sind die spitze Nase und das große Auge. Die Umschrift „CONSTANTIVS CAESAR“ ist sehr kurz gehalten und benennt den Dargestellten. Auf der Rückseite ist der leicht nach links hin stehende, nackte Herkules abgebildet. In seinem linken Arm ruhen Keule und Löwenfell,
in der erhobenen rechten Hand hält Herkules einen Zweig. Die Legende „HERCVLI CONSERVATORI“ (dem beschützenden Herkules) bezieht sich auf die beschützende Eigenschaft des Halbgottes. Bild und Legende belegen die Zugehörigkeit des Constantius zu den Herculiern. Als seine ganz persönliche Schutzgottheit wählte Constantius Apoll / Sol. Im Abschnitt ist „SMT“, das Kennzeichen der Münzstätte Ticinum, zu lesen. Innerhalb des Rangsystems nahm Constantius aus unbekannten Gründen den dritten Rang ein.
Abb. 5: AV, ca 298/299, Roma, RIC VI Roma Nr. 6b
Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18239418
Zum Caesar des Diokletian wurde Galerius bestimmt. Auch über die Herkunft des Galerius wissen wir sehr wenig, er scheint aus kleinbäuerlichen Verhältnissen zu stammen, wiederum aus Illyrien. Beim Militär machte er dann Karriere. Nach seiner Erhebung zum Caesar nannte er sich Gaius Galerius Valerius Maximianus. Galerius wurde zudem von Diokletian adoptiert und heiratete 293 Galeria Valeria, die Tochter des Diokletian. Auf der Vorderseite des Aureus in Abb. 5, einer Prägung der Münzstätte Rom, ist der nach rechts gerichtete Kopf des Galerius mit Lorbeerkranz dargestellt. Der Kopfumriss ist hier etwas weniger schematisch, Haarkappe und Gesichtsoberfläche sind feiner modelliert als bei den vorhergehenden Prägungen. Die Legende „MAXIMIANVS CAES“ ist wiederum sehr kurz und kann durch die „Nichtnennung“ des Namens Galerius zu Verwirrung führen. Auf der Rückseite blicken wir aus der Vogelperspektive auf ein Militärlager mit quadratischem Grundriss. Sehr schön sind das Tor, das Quadermauerwerk und die Türme mit zwiebelartigem Abschluss zu sehen. Die Umschrift „PROVIDENTIA AVGG“ (die Fürsorge der Kaiser) betont im Zusammenspiel mit dem Bild eines Militärlagers die „schützende“ Fürsorge aller vier Kaiser. Die Buchstabenkombination „PR“ im Abschnitt bezieht sich auf die Münzstätte Rom. Als Caesar des Diokletian gehörte Galerius zu den Ioviern, seine persönliche Schutzgottheit war Mars.

Abb. 6 Aufteilung der Herrschaftsbereiche der „ersten“ Tetrarchie
Die Abbildung 6 zeigt sehr schön die Aufteilung der einzelnen Machtbereiche unter die vier Herrscher. Deutlich ist aber auch, dass die beiden Augusti die wichtigeren Gebiete des Imperiums beherrschten. Durch die Maßnahmen des Diokletian wurde das römische Imperium außen- und innenpolitisch stabilisiert, zumindest bis zur Abdankung des Diokletian und des Maximian im Jahre 305. Hierzu schreibt in überschwänglicher Weise der uns unbekannte Autor der Vita des Carus, Carinus und Numerianus in der Historia Augusta (18,4; zitiert n. E. Herrmann-Otto, Konstantin d. Große S. 24):
„Diese vier Herrscher der Welt, tapfer, weise, gütig und in gewisser Weise großzügig, hatten dieselbe Auffassung von der Leitung des Staates, ehrten immer den römischen Senat, waren umgänglich und Freunde des römischen Volkes, waren immer und in jeder Situation moralisch integer und gottesfürchtig. Solche Herrscher haben wir uns immer gewünscht.“
Horst Herzog




















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