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Helmut Caspar

Gerechtigkeit und Wahrheit: Justizreform unter Friedrich dem Großen auf Medaillen

In zahlreichen Briefen und Abhandlungen bekundete Preußens König Friedrich II., genannt der Große, seinen Standpunkt, er sei der erste Diener seines Staates und es sei seine vornehmste Aufgabe, „sich bis zur Grenze seiner Fähigkeiten ausgebend“ für das Wohl seiner Untertanen zu sorgen. Am 31. Mai 1740 auf den Thron gelangt, öffnete er Kornkammern für die Armen, leitete Reformen im Justiz- und Finanzwesen ein und schaffte die Folter ab, er sorgte für die Straffung der Verwaltungsarbeit und unterwarf sich und seine Beamten strenger Bürotätigkeit. Er ließ Gelehrte und Künstler nach Berlin kommen, erteilte der Akademie der Wissenschaften neue Aufgaben und sorgte mit prächtigen Staatsbauten sowie Schlössern und Gärten für die Verschönerung seiner Residenzen Berlin und Potsdam. Kommende Kriege fest im Blick, warb er überall Soldaten an, und die Potsdamer Riesengarde, der ganze Stolz seines Vaters, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., musste sich schon bald im Kugelhagel der Schlesischen Kriege bewähren.

Statt sich zu krönen, ließ sich Friedrich II. 1740 huldigen und verkündete sein Regierungsprogramm mit solchen Medaillen aus Gold [Leu Numismatik, Web Auction 22/1019] und Silber [Auctones GmbH, eAuction 68/246]. Die 1740 zu seiner Huldigung ausgegebenen Medaillen kombinieren das Porträt des 28-jährigen Königs Friedrich II. mit dem Motto „Gerechtigkeit und Wahrheit“; die Königsberger Medaille zeigt Justitia mit der Waage der Gerechtigkeit.

Friedrich II. achtete streng darauf, dass seine Befehle sofort und ohne Murren ausgeführt werden. Ihm war sehr daran gelegen, dass sein Bild in der Welt als philosophierender Herrscher, zupackender Ökonom, mutiger Feldherr und entschlossener Landesherr verbreitet wurde, der absolut regierte und sich von niemandem in seine Angelegenheiten hinein reden ließ. Auch wenn er der Presse in Preußen so etwas wie Gedanken- und Informationsfreiheit versprach, hielten sich seine Zugeständnisse in puncto Meinungs- und Pressefreiheit in engen Grenzen. Wer sie überschritt, hatte mit Verboten und Festungshaft zu rechnen, und auch die Zusicherung, dass es in Preußen keine Zensur geben soll, hielt nicht lange. Die vom König überwachten Medien und zahlreiche selbst verfasste Deklarationen sowie Erzählungen von Augenzeugen, aber auch zahlreiche Medaillen sorgten dafür, dass Preußens neue Sonne in aller Welt bewundert wurde, von jenen Personen und Mächten abgesehen, die sehr schnell seine Gefährlichkeit erkannten.


Friedrich der Große rügt Justizbeamte, die nicht so geurteilt hatten, wie er es wollte. Die farbige Graphik stammt aus der Zeit um 1900 und diente der Propaganda rund um den König, der sich als erster Diener seines Staates sah und dem die Gerechtigkeit über alles ging [Bildarchiv des Autors]

Als oberstem Richter des Landes war es Friedrich II. ein großes Anliegen, das bis zum Ende der Regierungszeit seines Vaters Friedrich Wilhelm I. von Willkür und Korruption geprägte und außerdem viel zu schwerfällige Justizwesen zu reformieren. Er verlangte, dass langwierige Prozesse verkürzt wurden und die Fachsprache der Juristen unverständlichem Ballast abwarf. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Abschaffung der Folter bis auf wenige Ausnahmen und die Beschränkung der Todesstrafe für Majestätsverbrechen, Mord sowie Landesverrat und Brandstiftung. Ausgedient hatten die Instrumente, mit denen Beschuldigte so lange gequält wurden, bis sie ein Geständnis ablegten, das zur Verurteilung führte.

Im Rückblick auf die Regierungszeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. stellte Friedrich II. fest, die Rechtspflege sei damals schlecht verwaltet und sehr ungerecht gewesen. „Man hatte sich angewöhnt, den Gesetzen mit List auszuweichen. Die Sachwalter trieben ein schändliches Gewerbe mit Treu und Glauben: Man brauchte nur reich zu sein, um seine Rechtssache zu gewinnen, und arm, um sie zu verlieren. Diese Missbräuche wurden von Tag zu Tag drückender und erforderten deshalb notwendig eine Verbesserung: sowohl in Absicht der Richter, Anwälte und Sachwalter als in Absicht der Gesetze selbst, welche man deutlich machen und hauptsächlich von jenen Förmlichkeiten reinigen musste, die eigentlich nichts zur Sache tun und nur den Gang der Prozesse verlängern. Diese Arbeit übertrug der König seinem Großkanzler von Cocceji“.


Die Gold- und Silbermedaillen von 1748 und 1785 feiern Preußens berühmtesten Herrscher als weisen Gesetzgeber [Gold: Münzkabinett Berlin, 18202069; Siliber: CNG, Auktion 91/1647]

Samuel Freiherr von Cocceji wurde vom König mit der Reformierung des preußischen Justizwesens beauftragt und entledigte sich dieser Aufgabe mit Bravour. Der Minister schuf eine einheitliche, in drei Instanzen aufgeteilte Gerichtsverfassung und sorgte für die Unabhängigkeit der Richter, die feste Gehälter erhielten und nicht mehr, wie bisher, auf den Adel und die Advokaten hörten, sondern sich Recht und Gesetz verpflichtet fühlen sollten. „Die natürliche Billigkeit verlangt ein rechtes Verhältnis zwischen Verbrechen und Strafe“, stellte der König fest. Diebstähle unter erschwerenden Umständen müssten mit dem Tod geahndet werden, bei Delikten aber, die keinen gewalttätigen Charakter besitzen, könne man Mitleid mit dem Täter walten lassen.


Friedrich II. erlebte es nicht, dass das Allgemeine Preußische Landrecht noch zu seinen Lebzeiten erlassen wurde. Wohl aber ehrt eine 1785 geprägte Medaille den König als Gesetzgeber. Auf der Rückseite weist Justitia auf das Gesetzbuch, und auf der Waage, den sie in der linken Hand hält, haben die Symbole bürgerlichen Lebens das gleiche Gewicht wie Krone und Zepter. Das 1794, acht Jahre nach dem Tod des Königs, verkündete Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten fasste alle bisher geltenden Texte zum Zivil- und Strafrecht zusammen und galt im Prinzip bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900.

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