Im Frühsommer des Jahres 79 - in seinem neunten Konsulat - hielt sich Kaiser Vespasian in Kampanien auf. Während dieses Aufenthaltes wurde er von leichten Fieberschauern ergriffen. Daher reiste er so schnell wie möglich nach Rom und von dort weiter auf sein Landgut bei Reate, dem heutigen Rieti. In dessen Nähe befand sich das Heilbad Aquae Cutiliae, nahe dem heutigen Castel Sant’Angelo. Dort unterzog er sich in der Hoffnung auf Besserung seines angeschlagenen Gesundheitszustandes kalten Bädern. Trotz oder vielleicht auch wegen dieser Anwendungen verschlimmerte sich sein Zustand, zusätzlich wurden seine Gedärme in Mitleidenschaft gezogen. Trotzdem führte er die kaiserlichen Amtsgeschäfte weiter fort, er empfing sogar Gesandtschaften, diese jedoch nur noch im Liegen. Als ihn am 23. Juni 79 plötzlich ein heftiger Durchfall befiel, wollte er noch aufstehen bzw. sich aufrichten lassen, denn seiner Meinung nach „müsse der Kaiser im Stehen sterben“. Während des Aufrichtens verstarb er in seinem siebzigsten Lebensjahr. Der spätantike Historiker Paulus Orosius bezeichnete die Krankheit, die zum Tode Vespasians führte, als Ruhr. Auch moderne Mediziner halten aufgrund der beschriebenen Symptome diese Krankheit als Todesursache für möglich.
Abb. 1 S, 80/81, Rom, RIC Titus 258. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18227818.
Bei Beginn seiner Krankheit soll Vespasian laut dem römischen Historiker Sueton den eingangs zitierten Satz ausgesprochen haben. Bei Cassius Dio, ebenfalls römischer Historiker, klingt das Ganze weniger drastisch: „Als er [Vespasian] bestimmt mit seinem Ende rechnen musste, lauteten seine Worte: Nun werde ich schon ein Gott.“ Auch wenn Vespasian einen etwas derben Humor besaß, ist die Authentizität dieser Sätze in der heutigen Forschung umstritten.
Die Asche Vespasians wurde zunächst im Mausoleum des Augustus beigesetzt. Gegen Ende der Regierungszeit des Domitian wurde dann die Urne Vespasians in den „Templum Gentis Flaviae“ transferiert. Dieser „Tempel“ bzw. diese Gedenkstätte wurde von Domitian auf dem Quirinal an der Stelle seines Geburtshauses errichtet. Wohl um das Jahr 94 war der „Templum Gentis Flaviae“ fertiggestellt. Bestattet waren dort neben Vespasian auch Titus, dessen Tochter Iulia, der Sohn des Domitian sowie Domitian selbst.
Vespasian wurde nicht unmittelbar nach seinem Tod bzw. nach seinem Begräbnis unter die Götter erhoben, auch wenn er das gemäß seinen oben zitierten Worten erwartet hatte. Wohl erst im Jahr 80 scheint die „consecratio“ Vespasians erfolgt zu sein. Es war dies die erste Divinisierung eines Nicht-Angehörigen der iulisch-claudischen Dynastie und somit ein Novum für den römischen Senat. Daher mussten zunächst die Grundlagen für die Vergöttlichung geschaffen werden. Mit der Deifikation Vespasians war sein Sohn und Nachfolger Titus der „Divi filius“ (der Sohn des Vergöttlichten) und stand somit ganz in der Tradition des großen Vorbildes Augustus. Der Vorbildcharakter des Divus Augustus wird auch in den Münzprägungen für den Divus Vespasianus deutlich.
Bereits unser erstes Beispiel, ein unter Titus geprägter Sesterz der Münzstätte Rom (Abb. 1), zeigt dies besonders eindrucksvoll. Denn diese Prägung gleicht in Wort und Bild einem von Tiberius für den Divus Augustus emittierten Sesterz. Auf dem Avers des Titus-Sesterz ist eine nach rechts gezogene Elephanten-Quadriga dargestellt. Auf jedem Elephanten sitzt ein Mahoud, ein Elephantenführer. Der einachsige Wagen besitzt außergewöhnlich starke Räder. Der Wagenkasten ist sehr hoch und seitlich mit einem Waffenfries verziert. Die beiden Friesbänder sind von mehreren Schmuckleisten umrahmt. Auf dem podiumähnlichen Wagenkasten thront die Statue des Divus Vespasianus. Bekleidet ist sie mit der Toga. Auf dem Haupt trägt Vespasian die Strahlenkrone, wie es seit Augustus für die Divi üblich ist. Mit der erhobenen Rechten hält Vespasian ein langes Zepter. In seiner vorgestreckten linken Hand trägt er eine kleine Viktoriastatuette mit Palmzweig und Kranz. Ergänzt wird das Bild durch die Inschrift "DIVO AVG(usto) VESPAS(iano) SPQR" (für den göttlichen Kaiser Vespasian Senat und römisches Volk). Die Reverslegende nennt die aktuelle Titulatur des Titus, wobei diese wiederum in Anlehnung an augusteische Vorbilder durch "DIVI F(ilius)" (Sohn des Vergöttlichten) ergänzt wird. Im Zentrum des Revers ist groß SC zu lesen, womit auf die Rolle des römischen Senats bei der „conse- cratio“ hingewiesen wird.
Abb. 2 D, 80/81, Rom, RIC Titus 357. Bildquelle: https://ikmk-win.ch/object?id=ID1580.
Auf der Vorderseite des ebenfalls unter Titus für seinen vergöttlichten Vater geprägten Denars (Abb. 2) ist der nach rechts gerichtete Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz abgebildet. Die im Gegenuhrzeigersinn verlaufende Legende "DIVVS AVGVSTVS VESPASI- ANVS" verweist wiederum auf die Apotheose des Vespasian. Interessanter ist die Rückseitendarstellung: In einem Perlkreis sind zwei auseinanderstrebende Capricorne dargestellt. Der Capricornus ist ein Mischwesen, bestehend aus dem Vorderteil einer Ziege und einem Fischschwanz, und symbolisiert das Sternzeichen des Steinbocks. Er war das Nativitätsgestirn des Augustus und wurde in der augusteischen Bildsprache sehr oft verwendet. Zwischen den beiden Capricorne befindet sich ein großes Schild, auf dem deutlich die Buchstaben "SC" zu erkennen sind. Auch hier verweisen die beiden Buchstaben auf die Mitwirkung des Senats bei der Deifikation Vespasians. Unterhalb dieses Schildes ist ein mit einem Rautenmuster verzierter Globus als Herrschaftssymbol abgebildet. Die Reversdarstellung verweist wiederum auf eine Prägung des Tiberius für den Divus Augustus, wobei auf der tiberischen Münze der Mittelschild wesentlich größer ausgeführt ist und von einem Eichenkranz, der "corona civica", mit der Inschrift "OB CIVIS Ser(vatos)" (wegen der Errettung der Bürger) gerahmt wird.
Der Avers unseres nächsten Beispiels, wieder ein Denar des Titus (Abb. 3), ähnelt hinsichtlich Bild und Legende dem eben besprochenen. Die Rückseite zeigt innerhalb eines Perlkreises ein überaus interessantes Gefährt.
Abb. 3 D, 80/81, Rom, RIC Titus 361. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18221744.
Auf den ersten Blick meint man eine ganz normale, nach links gezogene Quadriga zu sehen. Bei genauer Betrachtung zeigt der Wagen aber eine für einen Triumphwagen ganz und gar unübliche Form. Der einachsige Wagen mit einem sechsspeichigen Rad trägt einen mit Girlanden verzierten Wagenkasten. Darüber befindet sich ein rechteckiger Aufbau. Innerhalb dieses Aufbaus sind mehrere Figuren zu sehen, bei denen es unklar ist, ob es sich um Reliefs oder um freistehende Statuen handelt. Der obere Aufbaurahmen ist mit einem Perlstabornament verziert. Darüber erhebt sich wie bei einem Tempel ein Giebel. Dieser wird von vier Pferdeprotomen bekrönt, die sicherlich symbolisch stehen für eine vollständige Quadriga. Diese Quadriga wird von zwei seitlichen Viktorien, die gleichsam die Akroterien des Giebels bilden, bekränzt. Bei diesem Wagen handelt es sich um eine Tensa. Das ist ein Wagen, der ausschließlich zum Transport von Götterbildern, dann auch zum Transport von Abbildern vergöttlichter Kaiser benutzt wurde. Sein Aufbau gleicht dem eines Tempels, in dessen Mitte die Gottheit thront. Für die Benutzung der Tensa gab es genau festgelegte Regularien; beispielsweise durften keine lebenden Menschen damit fahren, die Art der Begleitung war genau festgelegt und die Zugtiere waren in der Regel weiß. Die auf unserem Denar abgebildete Tensa diente demnach zum Transport der Statue des Divus Vespasianus. Darauf weist auch die Inschrift im Abschnit unten "EX SC" hin. Die Tensa wird auch schon in augusteischer Zeit auf Münzen abgebildet.
Bereits die wenigen Beispiele von Prägungen des Titus für seinen vergöttlichten Vater Vespasian belegen ganz deutlich den Wunsch des Titus, eine Kontinuität vom Divus Augustus hin zu Vespasian und zum Geschlecht der Flavier zu zeigen. Dies war wichtig im Hinblick auf die Legitimation der Herrschaft der Flavier. Die Regierungszeit des Titus war nur von kurzer Dauer. Am 13. September 81 stirbt Titus, übrigens in derselben Villa wie sein Vater. Noch am gleichen Tag erfolgt die imperatorische Akklamation des Domitian.
Auch unter Domitian gibt es, wie der Aureus Abb. 4 belegt, Prägungen für den Divus Vespasianus. Die Vorderseite des Aureus zeigt das übliche Bild, allerdings trägt Vespasian hier die Strahlenkrone. Das erste Kaiserporträt mit Strahlenkrone erscheint in der stadtrömischen Münzprägung auf Prägungen des Tiberius für den Divus Augustus. Erst auf neronischen Reichsmünzen trägt ein lebender Kaiser die Strahlenkrone, und in der Folge wird die Strahlenkrone Zeichen für den doppelten Wert der Münze: As - Dupondius; Denar - Antoninian.
Abb. 4 AV, 82/83, Rom, RIC Dom. 146 Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203230.
Im Gegensatz zum Avers unseres Aureus wirft die Rückseite nach wie vor Fragen auf. Zu sehen ist eine nach rechts gewandte, drapierte Porträtbüste einer mittelalten Frau, die eine Frisur trägt, wie wir sie in ähnlicher Weise von den beiden Agrippinas her kennen. Die Legende "DIVA DOMITILLA AVGVSTA" benennt zwar die dargestellte Person, allerdings kennen wir drei Frauen mit dem Namen Flavia Domitilla: Zum einen die Gattin des Vespasian, eine Freigelassene, die erst später das volle römische Bürgerrecht erhalten hat. Diese war bereits vor der Machtübernahme Vespasians verstorben. Zum Zweiten deren Tochter, also die Schwester von Titus und Domitian, die ebenfalls schon bei Herrschaftsantritt Vespasians verstorben war. Und zum Dritten die Tochter der jüngeren Domitilla, diese lebte jedoch bei Herausgabe des Münztyps und fällt damit weg. Die beiden erstgenannten Domitillae scheinen beide den Augusta-Titel erhalten zu haben und unter Domitian konsekriert worden zu sein. In der Forschung hält ein Großteil die jüngere Domitilla für die Dargestellte, somit wären Vater und Tochter abgebildet. Im Normalfall erscheinen jedoch der Kaiser und seine Gattin auf Avers und Revers einer Münze.
Dies würde für die ältere Domitilla sprechen. Eine Lösung des Problems ist in diesem Fall im Moment nicht in Sicht.
Die angeführten Beispiele zeigen, dass sowohl Titus wie auch sein Bruder Domitian in Anlehnung und in Fortsetzung der Divinisierung des Augustus diejenige des Vespasian in Szene setzten und gerade durch das Medium der Münze verbreiteten. Damit wollten sie verdeutlichen, dass das flavische Geschlecht mehr oder minder übergangslos in die Fußstapfen der iulisch-claudischen Dynastie getreten ist.
Horst Herzog
Die Bilder stammt aus dem sammlungsübergreifenden Internetportal IKMK. Einen Artikel in unserem Blog zu diesem Projekt finden Sie hier.
Comments