Die "Gummi-Fünfziger": Fälschung von DDR-Münzen
- Dietmar Kreutzer
- vor 1 Tag
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Vor etwa zehn Jahren stellte der Wirtschaftshistoriker Peter Leisering (1942-2020) das Ergebnis seiner Nachforschungen zum Thema Falschgeld in der DDR vor. Trotz des geringen Wertes der einfachen Umlaufmünzen kam es schon erstaunlich früh zu Fälschungen. Die im Jahr 1949 geprägten 50-Pfennig-Stücke der Deutschen Notenbank aus Aluminiumbronze kamen erst in Herbst in Umlauf, nach der Gründung der Republik. Am 2. Oktober übergab das Polizeipräsidium Leipzig der örtlichen Filiale der Deutschen Notenbank siebzehn falsche 50-Pfennig-Münzen: "Lt. heutiger telefonische Rücksprache (...) sollen diese Falschstücke in verschiedenen Automaten einer Leipziger Firma (Männerschutz) auf dem Hauptbahnhof Leipzig festgestellt worden sein." (1) An den Automaten gab es Kondome zum Preis von 50 Pfennigen, auch Gummi-Fünfziger genannt. Drei der "falschen Fünfziger" gingen zur Prüfung an die Münze Berlin. Der Leiter der Prägestätte schätzte ein, dass es sich um plumpe Guss-Fälschungen handelte, die im Publikumsverkehr völlg unbrauchbar seien. Für den Automatenverkehr seien sie jedoch gefährlich. Da keine weiteren Stücke auftauchten, belief sich der Schaden zwar nur auf 8,50 Mark. Es zeichnete sich jedoch ab, dass die Zahlung an Automaten störanfällig ist. Tatsächlich kam es immer wieder zu Betrügereien, oft mithilfe von Unterlegscheiben aus Metallbetrieben.
Original eines DDR-Markstückes (1956, Aluminium, 2,4 Gramm, 25 mm)
Bildquelle: Numiscorner

Erste Mark-Fälschung aus Leichtmetall (1956)
Bildquelle: KfW-Stiftung, Historisches Konzernarchiv
Mit der erstmaligen Ausgabe von Markstücken aus Aluminium im Jahr 1956 und Zwei-Mark-Münzen im Folgejahr nahm die Wahrscheinlichkeit von Fälschungen zu. Die erste derartige Fälschung tauchte im Dezember 1956 in einer Konsum-Verkaufsstelle in Brandenburg auf. Weitere Einzelstücke von schlechter Qualitöt folgten. Zum ersten "Zugriff" auf einen Fälscher kam es jedoch erst nach der Ausgabe von 2-Mark-Stücken: "Am Sonntag, dem 5. Januar 1958, teilte der Gastwirt Heinker aus der Leipziger Coppistraße dem Volkspolizeikreisamt mit, dass bei ihm ein junger Mann erschienen sei und beim Kauf von Zigaretten ein falsches 2-DM-Stück zu Bezahlung vorgelegt habe." (2) Schnell konnte ermittelt werden, dass der Kunde vorgeschickt worden war. Urhaber der schlechten Fälschung war ein Formerlehrling aus dem VEB Metallgusswerk Böhlitz-Ehrenberg, der 14-jährige Wolfgang Wiegebauch. Er hatte dieses und weitere Stück am Tag zuvor in seiner Lehrwerkstatt gegossen. Es handelte sich wohl um eine "Mut- und Kraftprobe". Im April 1959 konnte ein weiterer Urheber ermittelt werden, diesmal in Dresden. Der 16-jährige Lehrling Bernhard Dieckmann aus dem Metallgusswerk Dresden hatte 2-Mark-Münzen im Sandgussverfahren hergestellt. Er hatte eine im Lehrbetrieb verwendete Alu-Legierung genutzt. Mithilfe einer echten Münze stellte er eine zweiteilige Gussform aus Formsand her, in die er das heiße Metall einbrachte. Wegen der hohen Porosität der Oberfläche, mit der die Stücke leicht als Falschgeld zu identifizieren waren, setzte er sie aber lediglich an Automaten ein.

Mehrfach verwendbare Gipsform für die Herstellung einer 2-Mark-Münze
Bildquelle: KfW Stiftung, Historisches Konzernarchiv

Gussfälschung eines 2-Mark-Stückes mit Riffelrand
Bildquelle: KfW Stiftung, Historisches Konzernarchiv
Ende 1966 kam die erste Gedenkmünze der DDR heraus, ein silbernes Zehn-Mark-Stück zum 125. Todestag von Karl Friedrich Schinkel. Da es für einen Export zur Erlösung von Devisen bestimmt war, musste hier nicht mit Fälschungen gerechnet werden. Zum 20. Jahrestag der DDR ist im Jahr 1969 ein Fünf-Mark-Stück aus einer eigenwilligen Kupferlegierung aufgelegt worden, die sich schnell verfärbte. Diese unschöne Eigenschaft machte die Münze jedoch relativ fälschungssicher. "Erst am 16. Oktober 1972, also drei Jahre nach der Erstemission, übergab die Gaststätte Sternburgbräu in Torgau der örtlichen Filale der Industrie- und Handelsbank eine verdächtige 5-M-Münze, Ausgabejahr 1969, die heller in der Farbe und am Rand 'zerschlagen' war." (3) Die ersten falschen Zehn-Mark-Stücke waren Ausgaben waren Gedenkausgaben aus Neusilber, die für den Umlauf in der DDR bestimmt waren. Im Januar 1974 wurden Gussfälschungen der im Vorjahr erschienenen Ausgabe X. Weltfestspiele sichergestellt. Im Jahr 1980 gelang es, eine Fälschung in größerem Maßstab aufzudecken. Im Februar war in einem Spirituosengeschäft in Berlin mit einem falschen 20-Mark-Stück mit dem Porträt von Friedrich Schiller bezahlt worden. In den nächsten Wochen tauchten im unmittelbaren Umfeld immer neue Gussfälschungen dieser Münze aus einer Blei-Zinn-Legierung auf. Im März 1980 gelangten die ersten Fälschungen eines weiteren Motivs n den Umlauf. Ein Kellner stellte den Kunden, der schon zum zweiten Mal mit Falschgeld bezahlen wollte: Kurt Michel aus Prenzlauer Berg. Insgesamt 52 Falsifikate hatte er unters Volk gebracht. Er kam für fünf Jahre und sechs Monate in Haft.

Original (links) und gute Gussfälschung einer Thälmann-Gedenkmünze
Bildquelle: KfW Stiftung, Historisches Konzernarchiv
In den folgenden Jahren kam es vor allem zu Betrügereien mit Falschgeld an Fahrkartenautomaten der Deutschen Reichsbank, insbesondere in Berlin und Leipzig. Das sollte sich jedoch bald ändern: "Im April 1986 saß in der Gaststätte Zum Hirsch in Dresden-West Rudolf Kurjowski, ein älterer Herr (...) und unterhielt sich mit einem Fremden, dessen schlechte Kleidung ihm auffiel. Kurjowski fragte den Mann nach seiner Herkunft und erfuhr, dass dieser aus dem 'gelben Elend' kam, dem Strafvollzug in Bautzen und dort wegen Münzfälschung 'gesessen' hatte. Der alte Herr Kurjowski wollte kaum glauben, dass es in der DDR Münzfälscher gab, und ließ sich genau erklären, wie sein Gesprächspartner das angestellt hatte." (4) Danach kaufte er Gips in einer Drogerie und goss daheim eine erste Form. Für den Guss verwendete er Lötzinn. Nach einigen Probegüssen funktionierte es. Die Fälschungen wurden beim Bezahlen nicht erkannt. In einem Fall begeisterte sich eine Kundin, die hinter ihm stand, sogar besonders für die Münze, die er gerade ausgegeben hatte. Sie kaufte sie der Kassiererin ab. Am 1. Oktober saß Kurowski wie jede Woche in seinem Stammlokal und wollte mit Falschgeld zahlen. Da wurde er verhaftet!
Der notorische Münzfälscher hatte mindestens 50 seiner Münzen zu fünf Mark mit dem Brandenburger Tor sowie zu zehn Mark mit dem Porträt von Ernst Thälmann sowie der Gedenkstätte Buchenwald ausgegeben. Die Stücke waren so gut, dass sie in der gesamten DDR umliefen.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
(1) Peter Leisering: Falschgeld in der DDR; Berlin 2014, S. 157
(2) Ebenda, S. 271
(3) Ebenda, S. 282
(4) Ebenda, S. 302f.
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