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Michael Kurt Sonntag

Die Goldstatere Philipps II. und ihre Vorbilder

Nun hatte Philipp II. von Makedonien seinem Sohn Alexander, den man später den Großen nannte, nicht nur ein geeintes Griechenland und ein gut ausgebildetes und hervorragend gerüstetes Heer hinterlassen, sondern was vielleicht für die Zukunft Makedoniens zumindest ebenso wichtig war, eine überall anerkannte und begehrte Währung. Dabei erfreuten sich vor allem seine goldenen Statere, die nach ihm „Philippeioi“ genannt wurden und die er nach attischem Standard (8,6 g/Stater) hatte prägen lassen, solch großer Beliebtheit, dass sie auch noch Jahrzehnte nach seinem Tode weitergeprägt wurden – in Pella bis 310 v. Chr. und in Amphipolis sogar bis 294 v. Chr.


Königreich Makedonien. Philipp II. (359-336 v. Chr.), Stater (um 340-328 oder 336-328 v. Chr.), Gold, 8,58 g, 18,36 mm, Münzstätte Pella. Bildquelle: F. R. Künker, Auktion 78 (2. Oktober 2002), 4010

Betrachtet man einen solchen Goldstater mal etwas eindringlicher, so fällt auf, dass er zumindest aus makedonischer Sicht eine komplette Neuschöpfungen war, sich also nicht im geringsten an bereits existierenden makedonischen Münzen orientierte. So findet sich auf der Vorderseite dieses Goldstaters der lorbeerbekränzte Kopf des Apollon im Profil, während sich auf den silbernen Stateren der Vorgänger Philipps – der Könige Amyntas und Perdikkas – der Kopf des bärtigen oder auch unbärtigen Herakles im Fell des „nemeischen Löwen“ fand. Nun kommen die Porträts des Herakles zwar auch auf Philipps goldenen Halb-, Viertel- und Achtelstateren vor, aber nie auf dem ganzen Stater.


Chalkidischer Bund (432-348 v. Chr.), Tetrobol (um 401-398 v. Chr.), Silber, 2,38 g, 14 mm, Münzstätte Olynthos. Bildquelle: MA-Shops, AGORA, Numismatiek, NL (Mai 2016)

Wie man seit langem weiß, weisen die frühesten makedonischen Darstellungen des Apollon auf den Goldstateren Philipps deutliche Ähnlichkeiten mit den Vorderseiten der Münzen des Chalkidischen Bundes auf. Alle Silber- und auch die gelegentlich geprägten Goldmünzen dieses Bundes zeigen auf der Vorderseite den lorbeerbekränzten Kopf des Apollon Olynthios im Profil.

Geprägt wurden diese Münzen vermutlich vom Anfang des 4. Jh. v. Chr. bis zum Jahre 348 v. Chr., als König Philipp diesen Bund besiegte und Olynthos – die Stadt, in der diese Münzen geprägt worden waren – zerstörte. Für den Vergleich mit Philipps Goldstateren eignen sich vor allem die chalkidischen Münzen, die in den fünfziger Jahren des 4. Jahrhunderts geprägt wurden, da die meisten dieser Apollon mit langem Haar zeigen, so wie er auch auf Philipps frühen Stateren zunächst nach links und dann nach rechts gewandt erscheint.


Chalkidischer Bund (432-348 v. Chr.), Tetradrachmon (um 350 v. Chr.), Silber, 14,47 g, 25 mm, Münzstätte Olynthos. Bildquelle: Solidus, Online-Auktion 8 (23. April 2016), Los 53

Das Vorderseitenbild der Statere Philipps war also eindeutig von dem Vorderseitenbild der Münzen des Chalkidischen Bundes entlehnt. Aber warum? Standen Philipps Statere etwa in Konkurrenz mit den chalkidischen? Nun, dies gerade nicht. Denn zum einen prägten die Chalkidier nur gelegentlich Goldmünzen, während Philipp den Versuch unternahm, mit seinen Stateren eine reguläre Goldwährung in Griechenland zu etablieren und zum anderen hätten die Münzen Philipps, wenn sie denn in Konkurrenz gestanden wären, sich doch erst recht stärker unterscheiden, also deutlich mehr „eigenes Profil“ zeigen müssen. Auch ist davon auszugehen, dass die Goldprägung Philipps erst nach 348 v. Chr. einsetzte, d. h. erst nachdem die Prägung von Olynthos zu einem abrupten Ende gekommen war. „Die anfängliche deutliche Orientierung an den spätesten chalkidischen Bundesmünzen ist am ehesten als Zeichen des ehrgeizigen Anspruchs zu verstehen, mit der makedonischen Goldprägung – nach 348 – an die Stelle der Münzprägung der besiegten Chalkidier zu treten und damit die bislang bedeutendste Währung in Nordgriechenland abzulösen; der baldige Übergang zu dem kurzhaarigen Typus wäre dann als der Versuch zu deuten, gegenüber den späteren chalkidischen Münzen, die Apollon vornehmlich langhaarig zeigen, ein eigenes Profil zu gewinnen“ (Stefan Ritter, Bildkontakte, Götter und Heroen in der Bildsprache griechischer Münzen des 4. Jhs. v. Chr., Berlin 2002, S. 142).



Königreich Makedonien. Philipp II. (359-336 v. Chr.), Stater (um 345-340 oder 342-336 v. Chr.), Gold, 8,45 g, 16 mm, Münzstätte Pella. Bildquelle: Savoca Numismatik GmbH & Co.KG, Auktion 22 (29. April 2018), Los 86, (Statere mit langhaarigem Apollonkopf sind äußerst selten)

Bleibt aber die Frage, warum überhaupt die Darstellung Apollons zum Münzvorderseitenbild gewählt wurde, wo der Stammvater der makedonischen Könige doch Herakles und nicht Apollon und Apollon in Makedonien auch kultisch gesehen, nicht besonderes verwurzelt war. Die Antwort der numismatischen Forschung – die sich hierin weitgehend einig ist – Apollon wurde von Philipp deshalb gewählt, um seine guten Beziehungen zum Apollonheiligtum von Delphi offensichtlich hervorzuheben.

Nach dem Sieg Philipps und der Delphischen Amphiktyonie im 3. Heiligen Krieg gegen die Phoker, hatte Philipp die Stimme der Phoker in der Amphiktyonie erhalten. Darüber hinaus war er 346 v. Chr. mit der Leitung der Pythischen Spiele betraut worden. Damit hatte Philipp jenes Ziel erreicht, um das sich seine Vorgänger so sehr bemüht hatten – „die Anerkennung des vollwertigen Griechentums des makedonischen Königs, und dies sogar in einer Führungsposition.“ (Ebenda, S. 143). Und doch handelt es sich bei dem Apollon auf Philipps Münzen nicht um den Gott von Delphi, wie auch vermutet wurde, sondern um Apollon ganz allgemein. War doch der Lorbeerkranz „nicht das distinktive Attribut des delphischen Gottes, sondern, wie die zahlreichen Darstellungen des Gottes auf griechischen Münzen des 5. und 4. Jahrhunderts zeigen, das feste Attribut Apollons schlechthin.“ (Ebenda).

Zudem spricht auch das Rückseitenbild gegen einen expliziten Bezug auf Delphi. Auf der Rückseite dieses goldenen Staters finden wir eine nach rechts galoppierende Biga. Diese wiederum verweist, wie durch Plutarch bezeugt ist, auf den olympischen Sieg Philipps im Wagenrennen im Jahre 352 v. Chr. Diese Münzbilder belegen also zum einen den Anspruch Philipps in einem besonderen Näheverhältnis zu Apollon ganz allgemein zu stehen und zum anderen helfen sie, an Hand seines propagandistisch geschickt genutzten Olympiasieges seinen Anspruch auf Ebenbürtigkeit in Griechenland zu unterstreichen. Mit anderen Worten, Philipp benutzte die Ikonographie seiner goldenen Statere gezielt für seine weitreichenden Ambitionen in Griechenland. Sollten diese Münzen doch jedermann suggerieren, dass er aufgrund seiner guten Beziehungen zu Delphi den besonderen Schutz und das Wohlwollen Apollons genoss und durch seine herausragenden Leistungen in Olympia den Edelsten unter den Hellenen ebenbürtig war.

Dass der Griff nach der Hegemonie in Griechenland unter solchen Voraussetzungen einfacher sein würde, das dürfte Philipp gewusst, zumindest aber stark gehofft haben. Allein hierauf hat er sich bei der Durchsetzung seiner Ziele nicht verlassen. Maß er doch der reellen Kaufkraft und der korrumpierenden Wirkung dieser goldenen Statere zumindest ebenso viel Bedeutung bei wie seiner schlagkräftigen Armee und seinem diplomatischen Geschick.

Warum aber prägte Philipp seine Goldmünzen nicht genauso wie seine Silbermünzen nach dem in Makedonien üblichen thrakisch-makedonischen Standard, sondern wählte hierzu den attischen? Nun, will man Historikern wie Ritter und Jones Glauben schenken, dann brauchte Philipp, um sein Heer, das zu einem großen Teil aus fremden Söldnern bestand, bezahlen zu können, Münzen, die überall in der damaligen griechischen Welt anerkannt und akzeptiert wurden. Da der thrakisch-makedonische Standard im Gegensatz zum attischen aber kein allgemein anerkannter und begehrter war, prägte Philipp sein Gold eben nach dem attischen Fuß; jenem Münzfuß, der in der griechischen Welt am weitesten verbreitet war.

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