top of page
Dietmar Kreutzer

Der Nixon-Schock: Vor 50 Jahren haben die USA das „Goldfenster“ geschlossen

Am Abend des 15. August 1971 schockierte US-Präsident Richard Nixon seine Bürger in einer Rundfunk- und Fernsehansprache: „Ich habe Finanzminister Conally angewiesen, vorübergehend die Konvertibilität des Dollars in Gold oder andere Reservemittel auszusetzen.“ (Thomas Mayer: Die neue Ordnung des Geldes – Warum wir eine Geldreform brauchen, München 2015, S. 211). Mit dieser Erklärung war ein Kernpunkt der internationalen Währungsordnung, die auf dem Abkommen von Bretton Woods basierte, plötzlich hinfällig geworden.

Diese Währungsordnung hatten die Vereinigten Staaten im Juli 1944 in Bretton Woods, einem Luftkurort im Nordosten der Vereinigten Staaten, den Vertretern aus 44 Staaten auf einer internationalen Währungskonferenz präsentiert. Die Konferenz fasste den Beschluss, eine alle Länder erfassende Währungs- und Finanzorganisation zu gründen und die Währungsbeziehungen über diese Organisation zu regeln. Ihr Name: Internationaler Währungsfonds (IWF). Die Unterzeichner verabschiedeten das Statut dieses Fonds und verpflichteten sich, es den Gesetzgebungsorganen der Mitgliedsländer zur Ratifizierung vorzulegen. Das Hauptziel der neuen Währungsordnung sollte darin bestehen, die Vorteile des Goldstandards aus der Vorkriegszeit zu übernehmen und sich zugleich von seinen Mängeln zu befreien. Als Vorteile wurden der weltweite Freihandel aufgrund stabiler Wechselkurse und die gegenseitige Konvertierbarkeit der Währungen angesehen. Die Mängel lagen in der Inflexibilität des Systems, das eine Ausweitung der Geldmenge in Krisenzeiten aufgrund der strengen Deckungsvorschriften behinderte. Im Rückgriff auf den Gold-Devisen-Standard der Zwischenkriegszeit sollten die Währungen der Teilnehmerstaaten nun wieder über Gold und eine goldgedeckte Währung abgesichert werden. Da die Vereinigten Staaten zu diesem Zeitpunkt über etwa 80 Prozent der weltweiten Goldreserven verfügten, wurde ein Gold-Dollar-Standard vereinbart: „Das von 32 Staaten unterzeichnete Abkommen vom 22. Juli 1944 verpflichtete die Unterzeichner, den Dollar als einziges vollgültiges Zahlungsmittel anzuerkennen. Er wurde mit einem Preis von 35 Dollar pro Unze fixiert. Zu diesem Preis war er jederzeit von den teilnehmenden Staaten bzw. ihren Nationalbanken in amerikanischem Gold einlösbar.“ (Dietmar Kreutzer: Der Dollar – Aufstieg und Fall einer Weltwährung, In: MünzenRevue, Heft 1/2021, S. 158).

Die Übereinkunft bedeutete, dass der Dollar die Rolle einer Leitwährung übernahm. Die Vereinigten Staaten konnten sich im internationalen Zahlungsverkehr damit grenzenlos verschulden. Zur Bezahlung von Krediten mussten sie nur Dollar drucken. Das System hatte jedoch einen Schwachpunkt. Lebten die USA über viele Jahre hinweg über ihre Verhältnisse, würde es immer größere Schwierigkeiten bereiten, das Versprechen eines in Gold konvertierbaren Dollars aufrecht zu erhalten. Genau dieser Fall trat ein. Schon wenige Jahre nach Kriegsende verwandelte sich der Überschuss im Außenhandel in ein Defizit. Zwischen 1950 und 1960 lag die Zahlungsbilanz schon mit 18 Milliarden Dollar im Minus: „Im Jahr 1960 stiegen die Währungsverbindlichkeiten der Vereinigten Staaten an das Ausland zum ersten Mal über die US-Goldreserven hinaus.“ (Barry Eichengreen: Das Ende des Dollar-Privilegs, Kulmbach 2012, S. 26). Doch es sollte noch schlimmer kommen. Zwischen 1960 und 1970 stieg das Defizit im Außenhandel auf 75,6 Milliarden Dollar. Zugleich schmolzen die Goldvorräte. Verfügten die USA in ihrer besten Phase von Ende 1949 über etwa 22.000 Tonnen Gold, waren es Ende 1960 nur noch 15.800 Tonnen. Eine der bedeutendsten Profiteure im Ausgleich von Überschüssen in der Handelsbilanz durch Gold war die Bundesrepublik Deutschland. Bis Ende 1958 konnte die Bundesbank insgesamt Goldreserven im Wert von 11,1 Milliarden DM ansammeln. Währenddessen führten die USA in Vietnam einen teuren Krieg. Die Inflation grassierte. Wie lange würde der sich entwertende Dollar noch konvertierbar bleiben? Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle griff im Februar 1965 das allein auf dem Dollar basierende Währungssystem scharf an: „Wir halten es für erforderlich, dass der internationale Verkehr, wie es vor den großen Heimsuchungen der Welt gewesen war, auf eine unumstößliche Grundlage gestellt wird, die nicht das Gepräge eines bestimmten Landes hat. Auf welche Grundlage? Um es geradeheraus zu sagen, ein anderer Standard als das Gold ist kaum vorstellbar. Ja, das Gold ändert seine Natur nicht, es kann in Barren, Blöcken oder Münzen existieren; es hat keine Nationalität, es gilt von alters her in der ganzen Welt als unwandelbarer Wert. Ohne Zweifel wird auch heute der Wert jeder Währung nach direkten oder indirekten, realen oder angenommenen Bindungen zum Gold bestimmt. Im internationalen Verkehr gibt es ein oberstes Gesetz, eine goldene Regel, eine Regel, die wieder in ihre Rechte eingesetzt werden sollte: die Pflicht, das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz der verschiedenen Währungszonen durch tatsächliche Einnahmen und Ausgaben von Gold zu garantieren.“ (Andrej Anikin: Gold, Berlin 1987, S. 268f.). Drei Tage nach dieser Rede warnte Jacques Rueff, der Finanzberater des Präsidenten, dringlich: „Wir sind in der Lage eines Mannes, der vom fünften Stock herunterfällt. Solange er fällt, ist alles gut, aber er kann sich darauf verlassen, und zwar absolut, dass er unten ankommen wird, und in diesem Augenblick wird seine Situation nicht mehr angenehm sein.“ (Bruno Bandulet: Das geheime Wissen der Goldanleger, Rottenburg 2010, S. 37).

Die Franzosen halfen jedoch selbst nach, dass auf den Fall ein möglichst harter Aufprall folgte: „Sie präsentierten in Washington haufenweise Dollars und ließen sich dafür Gold geben. Auf diese Weise gewannen die Franzosen allein 1966 Gold im Gegenwert von 601 Millionen Dollar. Und sie waren obendrein so misstrauisch, dieses Gold nicht einfach in den amerikanischen Gewölben vom amerikanischen Stapel auf einen französischen Stapel umschichten zu lassen, wie es andere ausländische Staatsbanken akzeptierten, nein, sie bestanden vielmehr darauf, dass das Gold über den Atlantik geflogen wurde und in ihren physischen Besitz gelangte.“ (Ebenda, S. 39). Währenddessen kletterte der in Dollar notierte Marktpreis für Gold unaufhaltsam. Der staatlich garantierte Abgabepreis von 35 Dollar pro Unze für den Außenhandel war selbst durch international koordinierte Verkaufsaktionen nicht mehr zu halten. Es war eine Frage der Zeit, wann das „Goldfenster“ geschlossen werden musste. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war eine Goldforderung der Briten vom 13. August 1971. Zwei Tage später hoben die USA für ausländische Regierungen und Zentralbanken die Konvertibilität des Dollars in Gold „vorübergehend“ auf. Vorübergehend, das wurde rasch klar, bedeutete für immer! #Gold #Goldstandard #USA #Frankreich #BRD #Großbritannien #CharlesDeGaulle #FortKnox #RichardNixon #Präsident #IWF #InternationalerWährungsfond #Konvertibilität #Konvertierung #Golddeckung #BrettonWoods #Goldvorrat #Währungssystem #Goldpreis #DietmarKreutzer

Comments


bottom of page