Der preisgekrönte Roman Die Gestirne von Eleanor Catton befasst sich mit einem mysteriösen Mordfall zur Zeit des neuseeländischen Goldrausches. Nach dem Tod des stadtbekannten Trinkers Crosbie Wells im Januar 1865 werden Goldbarren im Wert von über 4000 Pfund Sterling in seiner Hütte gefunden. Vor Gericht streiten sich zwei Parteien um das Gold: der Minenbesitzer Emery Staines und die Witwe Lydia Wells. Staines erklärt: „Das Gold wurde auf dem Claim namens Aurora gefunden, der sich bis vor Kurzem in meinem Besitz befand. Es wurde Mitte letzten Jahres von meinem Angestellten Mr Kuei geschürft. Mr Kuei schmolz das Metall zu Barren, wie er es immer tat, und händigte mir diese Barren als rechtmäßigen Ertrag aus. Als ich den Goldschatz erhielt, ließ ich ihn nicht auf die Aurora gutschreiben, wie ich es von Gesetzes wegen hätte tun sollen. Stattdessen nahm ich das Gold an mich, brachte es ins Arahura-Tal und vergrub es dort.“ [1] Die Aussage der Witwe des Verstorbenen steht dazu im Widerspruch. Ihr Mann sei im März 1864 im Dunstan-Tal auf eine Goldader gestoßen. Das geschürfte Gold habe er seiner Frau in einem transportablen Tresor geschickt. Sie verkaufte es aber nicht an einen der privaten Aufkäufer: „Der Goldpreis schwankte von Tag zu Tag, und der Goldmarkt war praktisch nicht einzuschätzen. Wir hielten es für das Beste, mit dem Verkauf auf die richtige Gelegenheit zu warten.“ [2]
Serienmörder Richard Burgess, 1829–1866 [Radio New Zealand, Willis]
Der Roman hat einen historischen Hintergrund. Im September 1860 war dem australischen Goldsucher Thomas Gabriel Read zu Ohren gekommen, dass Gold in Neuseeland zu finden sei. Im Februar 1861 kam er in Port Chalmers an. Im Mai 1861 wurde er am Tuapeka River in der Nähe der heutigen Stadt Lawrence fündig. Innerhalb kürzester Zeit stellten sich weitere Schürfer ein. Von 1861 bis 1867 kamen alleine über 50.000 Australier ins Land. Als die Erträge am Tuapeka River nach einigen Jahren zurückgingen, verlagerte sich die Suche an die Westküste Neuseelands in die Nähe der Hafenstadt Dunedin, wo der Roman spielt. Das geschürfte Gold konnte beim Government Gold Receiver abgegeben oder bei einer Bank oder einem Händler in der Stadt deponiert werden. Im Gemischtwarenladen konnten die Bergleute den Goldstaub oder die Nuggets gegen Vorräte an Nahrungsmitteln oder Bergbauwerkzeugen eintauschen. Sogar die Hotels und Restaurants hielten Waagen vor, um die Rechnungen in Gold zu begleichen. Die Bank of New Zealand, die Bank of New South Wales oder die Union Bank of Australia waren auf den neuseeländischen Goldfeldern tätig und kauften das Gold von den Bergleuten. Diese konnten einen Kreditkonto bei der Bank einrichten oder Bargeld entgegennehmen, wenn sie es für ihre laufende Ausgaben benötigten. Viele Bergleute hielten jedoch an ihrem Gold fest. Dies war allerdings eine gefährliche Praxis, da es eine Reihe bewaffneter Banditen gab, die es ihnen abnehmen wollten.
Australien. Victoria. Sovereign von 1866. 917er Gold, 8,0 g, 22 mm [Numismatic Guaranty Company]
Einer der brutalsten Banditen aus der Zeit des Goldrausches jener Jahre war Richard Burgess. Seine Bande brachte zwischen fünf und 35 Menschen um. Als Schwerverbrecher nach Australien verbannt, floh er 1862 nach Neuseeland. Auf den Goldfeldern von Otago, wo er sich mit anderen australischen Sträflingen zusammenschloss, machte er Jagd auf die Bergleute. Ihren ersten Mord verübte die Bande an einem jungen Landvermesser, den sie für einen Goldaufkäufer hielten. Etwas später trafen sie auf einen alten Bergmann, James Battle, der ihnen sofort großes Misstrauen entgegenbrachte. Er wurde seiner Habe von drei Pfund und 17 Shilling beraubt, von Burgess erdrosselt und begraben. Eine Gruppe von vier weiteren Goldsuchern überlebte das Zusammentreffen ebenfalls nicht: Einer der Unglücklichen wurde erdrosselt, die anderen erschossen oder erstochen. Der Ertrag belief sich auf 300 Pfund Sterling an Goldstaub und Geld. Eines der Opfer wurde begraben, damit die Polizei dachte, dieser hätte seine Mitreisenden ermordet und sei geflohen. Ein Mitglied der Bande sah wenig später ein Plakat, auf dem eine Belohnung für die Ergreifung der Täter versprochen wurde. Sachdienliche Hinweise von Komplizen, die nicht unmittelbar an den Morden beteiligt waren, würden Straffreiheit bringen. Er verriet daraufhin seine Kameraden. Im Oktober 1866 wurden Burgess und weitere Mitglieder seiner Bande hingerichtet.
Großbritannien. Victoria. Shilling von 1852, 925er Silber, 5,5 g, 24 mm [CoinsHome]
Von diesen Ereignissen hatte sich die neuseeländische Autorin Eleanor Catton wohl für ihren Roman Die Gestirne inspirieren lassen. Welches Münzgeld seinerzeit in der britischen Kronkolonie umlief, erfährt man in dem Buch ebenfalls. Der Hotelier Edgar Clinch, der sich nach dem Mord an dem überraschend wohlhabenden Trunkenbold Crosbie Wells um dessen Hinterlassenschaft kümmert, erhält zum Dank eine Belohnung von 30 Pfund Sterling: „Er wechselte die Banknote gegen dreißig funkelnde Sovereigns ein, und mit diesem Geld erstand er eine Seidenweste, eine Kiste Whisky, eine Sammlung ledergebundener Geschichtswerke, eine Krawattennadel mit Rubin, eine Schachtel erlesener importierter Pralinen und einen Satz Taschentücher mit Monogramm, auf denen seine Initialen sich von einer Rose abhoben.“ [2] Es ist davon auszugehen, dass seinerzeit vor allem die ab 1853 in Australien geprägte Variante der britischen Goldmünze genutzt wurde. Genau wie in England war ein Sovereign zwanzig Shilling wert. Einem Shilling entsprachen zwölf Pence, die Mehrzahl von Penny. Das Silbergeld musste allerdings aus England importiert werden. Wegen des örtlichen Kleingeldmangels gab es zwischen 1857 und 1881 in einigen Regionen auch privat geprägte Wertmarken, in Dunedin beispielsweise halbe und ganze Pennys der Firma Drapers. Vom Hotelier Clinch bekommen wir das seinerzeitige Preisniveau erklärt: „Wir bieten ein Gericht für drei Pennys an und eines für sechs – und zu dem für sechs gibt es ein Bier.“ [4]
Neuseeland. Wertmarke über einen Penny. Bronze, 9,3 g, 31 mm [Coinsandaustralia]
Quellen
Eleanor Catton: Die Gestirne. München 2017, S. 839f.
Ebd., S. 856.
Ebd., S. 242.
Ebd., S. 977.
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