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Boykott des Westens: Die Olympischen Spiele in Moskau (1980) und ihre Münzen

Am 26. Dezember 1979 landeten sowjetische Luftlandetruppen an strategisch wichtigen Punkten in Afghanistan. Panzerkolonnen stießen auf die Städte Herat, Mesar-i-Scharif und Kabul vor. Wenig später wurde die Hauptstadt Kabul besetzt. Ministerpräsident Hafizullah Amin kam dabei ums Leben. Sein Amt übernahm Babrak Karmal, der unter Amins Vorgänger stellvertretender Ministerpräsident war: "Karmal erklärt den toten Amin zum amerikanischen Agenten und verkündet, er selbst habe Moskau um 'brüderliche Hilfe' gebeten." (1) Trotz des erbitterten Widerstands afghanischer Rebellen blieben die sowjetischen Truppen im Lande. US-Präsident Jimmy Carter strich daraufhin die vereinbarte Lieferung von 17 Millionen Tonnen Weizen an die Sowjetunion. Außerdem stoppte er den Export moderner Technologien für die Förderung von Erdöl. Er gab außerdem bekannt, dass die Sportler der USA im kommenden Jahr nicht an den Olympischen Spielen in Moskau teilnehmen würden. Eine Reihe anderer Länder schloss sich dem Boykott an. Am 15. Mai 1980 entschied das Nationale Olympische Komitee der Bundesrepublik, ebenfalls keine Sportler zu entsenden. Dem Boykottaufruf der USA folgten nicht alle Verbündeten. Großbritannien und Frankreich entschieden sich für eine Teilnahme.


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Abschlussveranstaltung der Spiele im Moskauer Lenin-Stadion am 3. August 1980

Bildquelle: Wikimedia, Guneev


Am 5. Juli 1980 notierte der ARD-Korrespondent Klaus Bednarz: "Olympische Stimmung will nicht so recht aufkommen. Seit sicher ist, dass außer den Amerikanern auch die Bundesrepublik Deutschland und eine Reihe anderer westlicher Nationen den Spielen fernbleiben, ist das Interesse an Olympia merklich gesunken. Sowohl in der Moskauer Ausländerkolonie als auch bei vielen Sowjetbürgern. (...) Dabei hat sich Moskau mit Fleiß auf die Spiele vorbereitet. Das große Lenin-Stadion ist 'olympiareif' ausgebaut worden; eine hypermoderne Schwimmhalle ist am 'Prospekt des Friedens' entstanden und eine riesige Mehrzweckhalle gleich nebenan. Die Stadt wird geputzt und gewienert wie wohl noch nie in ihrer Geschichte." (2) Alte Häuser wurden abgerissen, neue gebaut. Fragte Bednarz auf den Straßen, wie die Bürger von dem Boykott hielten, waren die meisten aufrecht betrübt. Als Hauptschuldiger wurde häufig US-Präsident Carter gesehen, der auf diese Weise wohl Stimmen für seinen Wahlkampf gewinnen wolle. Die meisten Bürger hatten jedoch vordergründig andere Sorgen: Wird es während der Spiele genügend in den Geschäften zu kaufen geben? Die besten Sachen würden sicher für Devisen in den Spezialläden für Ausländer und in den Hotels für die Ausländer verkauft. So war es schon immer.


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Schatulle mit 28 Silbermünzen (14x5 Rubel, 14x10 Rubel) anlässlich der Olympischen Spiele von 1980

Bildquelle: Badisches Auktionshaus


Am 17. Juli 1980 strahlte die ARD eine Olympia-Sondersendung aus. Bednarz fragte einen Sowjetbürger, weshalb die Spiele seiner Meinung nach von so vielen Ländern boykottiert würden. Seine Antwort: "Ich glaube, der Hauptgrund sind die Ereignisse in Afghanistan. Hier haben die Amerikaner eine negative Position bezogen. Aber ich bin der Meinung, dass unsere Regierung richtig gehandelt hat, indem sie ruppen nach Afghanistan geschickt hat. Nun beginnen wir ja auch langsam, unsere Einheiten aus Afghanistan abzuziehen. Ich glaube, die Lage wird sich in nächster Zeit normalisieren." (3) Der Abzug sollte ein Wunschtraum bleiben. Als die Olympischen Spiele sich ihrem Ende näherten, beschwerten sich sowjetische Funktionäre über die Berichterstattung über Olympia im Westen: "So hat Wladimir Popow, der Pressechef der Spiele, den Massenmedien der Bundesrepublik vorgeworfen, sie hätten viel zu wenig über Moskau berichtet. Und außerdem Erfindungen und Lügen verbreitet: dass die Kinder weggeschafft worden wären, die Lebensmittel nicht reichten, es schlechte Resultate und keine guten Kämpfe gebe. Nichts dergleichen haben wir berichtet." (4) Am 1. August 1980 beim ARD-Empfang im Moskauer Hotel 'Kosmos' wechselte daher keiner der sowjetischen Offiziellen ein Wort mit Bednarz. Nur der Vertreter des Außenministeriums redete. Statt "Guten Tag" sagte er: "Packen Sie Ihre Koffer!"



150 Rubel (Olympische Spiele, Sowjetunion, 1977, 999er Platin, 15,5 Gramm, 28,6 mm)

Bildquelle: uCoin


Das Vorhaben, die Spiele zu einem erheblichen Teil über den Verkauf von Sammlermünzen zu finanzieren, erfüllte sich nicht. In der numismatischen Fachliteratur hieß es, dass anlässlich der Spiele insgesamt 45 verschiedene Münzen in fünf Wertstufen ausgegeben wurden. Die einfachen Rubelmünzen aus Kupfer-Nickel waren vor allem für die Sowjetbürger gedacht. Die Ausgaben in Gold, Silber und Platin sollten westliche Valuta in die Kassen spülen. Sechs Goldmünzen zu 100 Rubel kamen heraus. Der Schwerpunkt lag jedoch auf den Stücken in Silber: "Die Silbermünzen sind nach Motivgruppen geordnet. Es wurden 28 verschiedene Münzen herausgegeben, die in zehn Serien unterteilt sind: Geographie, Citius (schneller), Altius (höher), Fortius (stärker) mit je zwei Serien, außerdem Sport und Schönheit sowie Mannschaftssport mit je einer Serie." (5) Eine Novität waren die Stücke aus Platin: "Die Platinmünzen sind aus reinem Metall hergestellt. Damit wurden im 20. Jahrhundert, wie schon einmal im 19. Jahrhundert, Platinmünzen in der Welt geprägt. Als 150-Rubel-Münzen sind sie das größte Nominal in der Olympia-Sondermünzen-Serie. Die Darstellungen zeigen antike Olympia-Sportarten." (6) Westliche Versandhäuser verschickten die Kollektion der Silbermünzen in roten, doppellagigen Münzkassetten. Wegen der enorm hohen Auflagen werden die Münzen auch heute noch zum Materialwert gehandelt.


Dietmar Kreutzer



Quellenangaben:

(1) Chronik des 20. Jahrhunderts; Gütersloh 1994, S. 1156

(2) Klaus Bednarz: Mein Moskau - Notizen aus der Sowjetunion; München 1988, S. 191f.

(3) Ebenda, S. 202

(4) Ebenda, S. 209f.

(5) Iwan Georgewitsch Spasski: Das russischen Münzsystem; Berlin 1983, S. 213f.

(6) Ebenda

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