Berliner Sonderausstellung: Die Pazzi-Verschwörung
- Helmut Caspar

- 2. Nov.
- 6 Min. Lesezeit
Mordkomplott und blutige Rache: Berliner Münzkabinett und Skulpturensammlung widmen der Pazzi-Verschwörung von 1478 eine Ausstellung
Italien bestand vor vielen hundert Jahren ähnlich wie das Römisch-deutsche Reich aus zahlreichen Fürstentümern und Stadtstaaten. Die italienische Historie kennt manche Herrscher, die alles andere als Musterbilder frommer und treu sorgender Landesväter waren. Und auch die Päpste in Rom sahen oft nur sich und versorgten ihren Anhang mit einflussreichen und einträglichen Pfründen. An den fürstlichen Höfen und in den reichen Handelsstädten gab es blutige Machtkämpfe und Intrigen, Mord und Totschlag, Missgunst und Neid sowie unmäßigen Luxus und Ausschweifungen, aber auch eine reiche Bautätigkeit und Förderung der Künste und Wissenschaften. Maler, Bildhauer, Medailleure, Gelehrte, Künstler und Poeten hatten es bei ihnen gut, vor allem dann, wenn sie ihre Beschützer verherrlichten und ihre Gegner in den Staub zogen.

In Florenz spielten sich 1487 gewaltsam ausgetragene Machtkämpfe ab. In der Kathedrale brachten die Meuchelmörder Giuliano de Medici um und wurden dafür grausam bestraft.

In Florenz wurde Ende des 13. Jahrhunderts der Florin aus der Taufe gehoben, eine Goldmünze, die überall in Europa unter verschiedenen Namen nachgeahmt wurde.
Das Münzkabinett, die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz greifen das Thema in ihrer bis zum 20. September 2026 laufenden Sonderausstellung „Die Pazzi Verschwörung. Macht, Gewalt und Kunst im Florenz der Renaissance“ auf. Die Dokumentation in den Ausstellungsräumen des Münzkabinetts im Bode-Museum ruft dramatische, geradezu filmreife und auch verfilmte Ereignisse im Jahr 1487 und ihre Folgen in Erinnerung und zeigt dazu passende Bilder, Skulpturen sowie Münzen und Medaillen. Sie macht auf einen wenig bekannten und beachteten Schatz der Staatlichen Museen aufmerksam und lädt zu einer Reise in eine Zeit ein, als Menschenleben wenig galten und blutige Kriege um Kronen, Ländereien und Reichtümer geführt wurden.
Ehrgeiz, Neid und Hass
In Florenz tobte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein blutiger Machtkampf zwischen der aus einer Apothekerfamilie („de Medici“) stammenden, reich und einflussreich gewordenen Handels- und Bankier-Dynastie Medici und der adelsstolzen Familie der Pazzi. Getrieben von Ehrgeiz und Eifersucht, Neid und Hass, haben Pazzi-Leute am 26. April 1478 die Brüder Lorenzo und Giuliano de Medici bei der Messe in der Kathedrale von Florenz überfallen. Kardinal Raffaele Sansoni Riario hatte dazu das Stichwort gegeben. Wie auf einer von Bertoldo di Giovannio geschaffenen Medaille zu sehen ist, kam Giuliano bei dem Anschlag durch Messerstiche ums Leben, sein Bruder Lorenzo konnte sich in Sicherheit bringen.
Attentat beim Gottesdienst
Der Ablauf des Mordanschlags ist durch den Zeitgenossen Angelo Poliziano überliefert. „Kaum hatte der Priester die Kommunion vollendet, wurde ein Zeichen gegeben und Bernardo Bandini, Francesco di Pazzi und einige andere Verschwörer umzingelten Giuliano. Bandini rammte ihm als erster das Schwert in die Brust und erstach den Jüngling. Der tödlich Verwundete versuchte einige Schritte zu fliehen. Ich war nahezu bei ihm. Dem Jüngling ging der Atem aus, und er stürzte zu Boden. Francesco stach immer wieder mit dem Dolch auf den am Boden Liegenden ein. So brachten sie den unschuldigen Jüngling um.“

Das Alexander Hesse zugeschriebene Gemälde aus der Zeit um 1840 zeigt, wie das Attentat auf die Medici-Brüder stattgefunden haben könnte.

Sandro Botticelli malte den ermordeten Giuliano de Medici
mit halb geschlossenen Augen.
Nach der Niederschlagung des Staatsstreichs übte Lorenzo der Prächtige blutige Rache. Die Leichen der Hingerichteten wurden geschändet und, wie damals üblich, zur allgemeinen Abschreckung öffentlich zur Schau gestellt, und man malte von den Leichen Spottbilder an Hauswände. Die Familie Pazzi verfiel der schon in der Antike geübten Damnatio memoriae, mit der das Andenken an sie getilgt wurde. Überall in Florenz wurden mit Hammer und Meißel auf sie verweisende Delphin-Wappen und Inschriften getilgt. Nicht angetastet wurden in der Franziskaner-Kirche Santa Croce die Reliefs und Wappenschilder der Familie aus farbig glasierter Terrakotta.
Flucht nach Konstantinopel
An den in der Ausstellung durch Medaillen vertretenen Papst Sixtus IV. aus der Familie Rovere konnten sich die Medici nicht wagen, obwohl er die Verschwörer ermutigt und unterstützt hatte. Das gilt auch für Sultan Mehmet II. Fatih, zu dem der Messerstecher Bandini und weitere Verschwörer nach Konstantinopel geflohen waren. Der Sultan lieferte die Pazzi-Verschwörer an die Medici aus, die sie grausam hinrichten ließen. Lorenzo de Medici beauftragte derweil Sandro Botticelli mit einem Gemälde, das seinen ermordeten Bruder mit halb geschlossenen Augen zeigt und unterstreicht, dass er unvergessen ist. Von sich ließ Lorenzo Büsten anfertigen und in Florenz und Assisi aufstellen, um zu zu zeigen, dass er weiterhin die Macht in festen Händen hält.

Papst Sixtus IV., der auf der Medaille von Andrea Guazalotti dargestellt ist, zog im Interesse seiner eigenen Familie Rovere bei der Pazzi-Verschwörung die Strippen, konnte aber von Lorenzo de Medici nicht belangt werden.
Der Chronist Stefano Infessura urteilte über Sixtus IV., er habe keine Liebe zu seinem Volk empfunden, sondern nur Wollust, Geiz, Prunksucht und Eitelkeit gekannt, und er habe zahllose Menschen in seinen Kriegen sterben lassen. Der Stifter der Sixtinischen Kapelle in Rom begünstigte die Pazzi-Verschwörer, die seiner Familie im reichen Florenz Einfluss verschaffen sollten. Unter diesem Papst trieb der Nepotismus schlimme Blüten, denn er machte seine Neffen (Nepoten) zu Kardinälen, um seine Stellung in der Herrscherwelt von damals auszubauen.
Nur 19 Medaillen bekannt
Die „Pazzi-Verschwörung“ war ein für die damalige Zeit typisches Komplott, das in eindrucksvoller Weise künstlerisch verarbeitet wurde. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine von Bertoldo di Giovanni um 1478 geschaffene Gussmedaille aus Bronze. Sie schildert in Form eines Comics, wie wir heute sagen würden, den dramatischen Mordanschlag auf Mitglieder der Medici-Familie. Während in einem Oktogon mit dem Kopf von Lorenzo Medici obenauf der Gottesdienst stattfindet, stürzen sich bewaffnete und hier unbekleidet dargestellte Verschwörer auf Giuliano de Medici und ermorden ihn. Die ähnlich gestaltete Rückseite schildert, wie sich Lorenzo in Sicherheit bringt. Unter der Köpfen der Brüder liest man die lateinischen Worte SALVS PUBLICA und LUCTVS PVBLICVS (Öffentliches Wohl und Öffentliche Trauer).

Die von Bertoldo da Giovanni geschaffene Gussmedaille von 1487 schildert, wie Giuliano de Medici bei einem Gottesdienst durch Messerstiche der Pazzi-Attentäter stirbt und wie sein Bruder Lorenzo, genannt der Prächtige, in die Sakristei der des Doms zu Florenz flieht.
Von der Medaille sind nur 19 Stück bekannt, zwei liegen in Berlin. Die eine gelangte 1869 aus der Sammlung Benoni Friedlaender ins Münzkabinett, die zweite ist eine Schenkung von James Simon aus dem Jahr 1904 an die Skulpturensammlung. Beide sind gemeinsam mit anderen Kunstwerken in der neuen Ausstellung zu sehen, was alle Beteiligten in ihren Vorträgen als beispielhaft für die Zusammenarbeit der Museen und Sammlungen lobten.
Münzsystem von Florenz
Ähnlich wie die deutsche Münzprägung im Römisch-deutschen Reich und vor der Reichseinigung von 1871 war auch die italienische Geldproduktion bunt und schwer zu überschauen. Florenz besaß ein Münzsystem mit unterschiedlichen Wertstufen und eine effektive Finanzverwaltung, die Steuern und Einnahmen sowie die Münzherstellung betraf. Die führenden Familien der Stadt lösten sich einander im Halbjahresrhythmus bei der Überwachung der Münzproduktion ab. Indem die Ausstellung im Bode-Museum zu einem Streifzug durch die ältere Münz- und Medaillengeschichte Italiens einlädt, macht sie neugierig auf weitere Zeugnisse der antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Numismatik und auf Geschichten hinter ihnen.

Die Kuratoren Dr. Karsten Dahmen (sitzend) und Dr. Neville Rowley schilderten bei der Ausstellungseröffnung, wie es 1478 zur Pazzi-Verschwörung kam und welche Kunstwerke von ihr erhalten sind.
Zur Eröffnung der Ausstellung wurde das Programm im Gobelinsaal des Bode-Museums festlich vom Trio „I signi“ mit Musik des 14. Jahrhunderts umrahmt. Antje Scherner, die Direktorin der Skulpturensammlung und Museums für Byzantinischen Kunst, Bernhard Weisser, der Direktor des Münzkabinetts, Neville Rowley, Kurator der Gemäldegalerie, und Karsten Dahmen, Kurator am Münzkabinett, ordneten die ausgestellten Kunstwerke in ihre Zeit ein und unterstrichen, dass viele von ihnen, ähnlich wie bei den Medaillen, zwei Seiten haben - eine glänzend-erfreuliche und eine abgrundtief-blutige, was sie für uns heute interessant und zum Nachdenken über unser Woher und Wohin anregend macht.
Blick in ferne Zeiten
Das Buch zur Ausstellung richtet den Blick in ferne Zeiten. Verfasst von Karsten Dahmen, Neville Rowley und Kay Usenbinz, erschien es im Battenberg Bayerland Verlag GmbH Regenstauf (125 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-866456-271-7, 35 Euro). Es schildert, wie in in der Handels- und Kunstmetropole Florenz die mit den Medici konkurrierenden Pazzi die Verschwörung von 1478 angezettelt haben und wie dieses Ereignis in der Malerei, Skulptur und Numismatik dokumentiert wurde. Gezeigt werden in der Ausstellung und im Buch Florentiner und andere Münzen und Medaillen aus dem 15. und 16. Jahrhundert und solche der Päpste. Zu erfahren ist auch, warum sich der Berliner Museumsdirektor und Renaissance-Spezialist Wilhelm von Bode und der Sammler und Mäzen James Simon so intensiv um italienische Kunstwerke aus dieser Zeit bemühten und was die Königlichen, ab 1918 Staatlichen Museen zu Berlin ihnen verdanken.

Blick in die bis September 1926 im Münzkabinett laufende Pazzi-Ausstellung.
Der Ausstellung ist ein ähnlich großer Erfolg wie bei der voran gegangenen Dokumentation zum Thema Falschmünzerei und Münzfälschung zu wünschen. Sie regt an, anhand uralter Kunstwerke Geschichte und damit auch heutige Machenschaften in Politik und Gesellschaft kritisch zu hinterfragen und sich über unser Woher und Wohin klar zu werden. Offensichtlich ist die Lernfähigkeit von uns Menschen unterentwickelt, denn sonst würde es heute nicht wieder blutige Kriege und selbstzerstörerische Konflikte wie zu Zeiten der Pazzi-Verschwörung, nur viel umfassender und gefährlicher geben.
Text und Fotos: Helmut Caspar




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