top of page

Forschungen zum Geld der Kipper und Wipper am Berliner Münzkabinett

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kauften Händler im Römisch-deutschen Reich die guten alten Taler und anderes vollhaltiges Geld auf. Die Silbermünzen wurden von den Kippern und Wippern gewogen und aussortiert. Schwere Stücke hat man von der Waage (Wippe) gekippt und dem Schmelztiegel übergeben. Das mit Kupfer gestreckte Silber diente als Rohmaterial für neue, im Edelmetallgehalt deutlich herabgesetzte Geldstücke. Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin verfügt über einen bedeutenden Bestand von Münzen der Kipper und Wipper. Dank der großzügigen Spende eines US-amerikanischen Förderers und Freundes des Münzkabinetts wird er aufgearbeitet.


Das Unwesen der Kipper und Wipper am Beginn des Dreißigjährigen Kriegs stürzte viele Menschen ins Elend und wurde in Spott-und Streitschriften als Teufelswert heftig attackiert.

Repro: Caspar, IKMK Berlin


Bearbeiter des Bestandes von etwa 7000 Geldstücken vom Gulden bis zum Pfennig ist seit 2019 Paul Höffgen. Die Bearbeitung und fotografische Dokumentation ist zu großen Teilen geschafft. Erfasst werden Gewichte, Größen, Stempelstellungen, Bilder, Wappen und Inschriften und, wo es möglich war, auch die Prägeorte und Prägezeiten, ebenso die Münzmeister und Münzstätten. Ziel der Dokumentation ist es, die Kippermünzen nach und nach im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts (IKMK) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit dem Projekt sollen weitere Studien über die Inflation vor 400 Jahren und ganz allgemein über Geldentwertungen und Manipulationen im Münz- und Geldwesen angeregt und unterstützt werden.


Die kursächsischen Engelmünzen waren mehr Schein als Sein, auch wenn an die guten alten Schreckenberger aus der Zeit um 1500 anknüpften.

Bildquelle: 40 Groschen, 1622, Johann Georg I., MA-Shops, Münzenhandlung Brom


Zu diesem Thema sind zahlreiche Publikationen erschienen, zuletzt der Sammelband „Die Kipper und Wipperzeit 1619 bis 1623. Die größte Inflation in der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation.“ Das von der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland herausgegebene Buch befasst sich mit den Auswirkungen in Braunschweig, Mecklenburg, Westfalen, Hessen, Sachsen, Mansfeld und anderen Regionen, aber auch wie die Kipper und Wipper in zeitgenössischen Pamphleten be- und verurteilt und im Werk des Schriftstellers Gustav Freytag im 19. Jahrhundert behandelt wurden. Das Buch kann online hier eingesehen werden. Ulrich Rosseaux befasst sich in seinem Buch „Die Kipper und Wipper als publizistisches Ereignis (1620-1626)“ mit der öffentlichen Kommunikation im Dreißigjährigen Krieg (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 67, Berlin Duncker & Humblot 2001). Das Buch behandelt die Reaktionen auf die rasante Münzverschlechterung und wie der frühneuzeitlichen Medienmarkt beschaffen war.


Verwirrend groß ist die Zahl der von den Mansfelder Grafen ausgegeben Kippermünzen. Manche sind von grobem Stempelschnitt.

Repro: Caspar, IKMK Berlin


Als Beispiel für die Schwierigkeiten bei der Recherche erwähnt Paul Höffgen die Münzpolitik der Grafen von Mansfeld, die zahlreiche Münzstätten für kurze Zeit unterhielten. Etwa 30 solcher Heckenmünzen hat Höffgen gezählt. Hinzu kommen etwa zehn Münzherren, die in der Grafschaft prägen ließen. Die verwirrende Zahl Mansfelder Kipper- und Wipper-Münzen ergibt sich aus den drei Hauptlinien des Hauses Mansfeld – Hinterort, Mittelort und Vorderort -, hinzu kommen etliche Nebenlinien, die fast alle Münzen prägten. Allein für die Grafschaft Mansfeld ergeben sich etwa 70 Einträge. In anderen Regionen sieht es nicht ganz so unübersichtlich aus.


Die Betreiber der „höllstinkende Wucherer“ genannten Kipper und Wipper unterlagen keiner staatlichen Kontrolle, und sie hielten sich auch nicht an die Vorschriften der Reichsmünzordnungen. Da große und kleine Landesherren an der Münzverschlechterung prächtig verdienten, war es schwer, den Münzbetrügern das Handwerk zu legen, mochte der Volkszorn noch so hoch kochen.



Der aus Franzburg stammende 1/16 Taler (Düttchen) des pommerschen Herzogs Philipp Julius von 1622 gibt an, nach des Reiches Schrot und Korn geprägt zu sein.

Repro: Caspar, IKMK Berlin


Die Aufrufe, Warnungen und Drohungen ließen offen, wer die eigentlichen Urheber und Nutznießer der „leichten“ Münzprägung sind. Angegriffen wurden meist nur die Handlanger der Fürsten. Man nannte sie gottloses Pack und meinte damit auch Juden, denen man die durch die Kipperei ausgelöste Inflation in die Schuhe schob und damit die Pogromstimmung anheizte. Der durch zahlreiche Pamphlete angestachelte Volkszorn sah sich bei seinen Aufrufen zur Selbsthilfe auf der sicheren Seite, denn nach den damaligen Strafgesetzen waren Verfälschung, Beschneidung und Nachprägung von Münzen streng verboten.

Auch die Weimarer Herzöge, die Erzbischöfe von Salzburg und viele andere Reichsfürsten sowie Städte brachten Kippermünzen heraus, die sehr schnell in Verruf gerieten und großen Schaden anrichteten.

Bildquelle: Württemberg, Johann Friedrich, 1622-23, Los von Schillingen, Kreuzern und Hellern, Münzhandlung Sonntag, Auktion 44, Los 1488


Um ihren Lebensunterhalt und ihre Existenz bangende Menschen griffen in ihrer Verzweiflung zu Äxten und Fackeln und zündeten illegalen Geldschmieden an. Die Tumulte in Brandenburg, Sachsen und anderen Territorien riefen die Staatsmacht auf den Plan, denn die gottgewollte Feudalordnung war in Gefahr. Sofort wurden Truppen in Marsch gesetzt, gewalttätige Protestaktionen im Keim zu ersticken und die Rädelsführer zu bestrafen. In den meisten Fällen aber blieb es bei landesväterlichen Warnungen und ätzenden Streitschriften und Flugblättern.


In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde erneut versucht, aus schlechtem Geld Profit zu schlagen. Diese „Zweite oder Kleine Kipperzeit“ hatte aber nicht die Ausmaße der Geldentwertung zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs. Aus dem Schaden von damals lernend, wurden große Anstrengungen unternommen, um Ordnung, Übersicht und Beständigkeit in das Münzwesen zu bringen und „Confusionen“ zu vermeiden.


Helmut Caspar

Comments


www.muenzen-online.com | Regenstauf

© 2025 Battenberg Bayerland Verlag GmbH

bottom of page