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Dietmar Kreutzer

Bayerns Silbergulden: Die Donaumoos-Clique

Nachgestellter Überfall der „Donaumoos-Räuber“ – Bildquelle: Donaukurier


Am 11. Dezember 1872 waren Xaver Gruber, Joseph Ettmüller und Franz Ullinger zum Markt im bayerischen Mainburg unterwegs. Da überholten sie drei bewaffnete Männer. Einer von ihnen drehte sich um und rief Gruber zu: „Legt ab!“ Als dieser nicht wunschgemäß reagierte, krachte ein Schuss. Der 30-Jährige brach tödlich getroffen zusammen. Als der 60-jährige Ettmüller auf seinen Kameraden zustürzte, feuerte der Mörder zum zweiten Mal. Auch Ettmüller stürzte tödlich verletzt zu Boden. Franz Ullinger händigte den Banditen daraufhin 450 Gulden aus, sein gesamtes Bargeld: „Die Räuber beraubten nun ihre beiden Opfer, die tot am Boden lagen. Sie fanden bei Ettmüller nur acht bis zehn Gulden, bei Gruber nur 40 Gulden. Einen Beutel mit 60 Gulden, der in den Rücken von Grubers Jacke eingenäht war, entdeckten sie nicht.“ [1] Anhand von Indizien konnten die vorbestraften Gewalttäter Eduard Gänswürger und Ferdinand Gump identifiziert werden. Gump erklärte später: „Wir setzten uns im Wald nieder und teilten die Beute. Gänswürger erhielt den größten Teil. Der dritte bekam nur 27 Gulden.“ [2] Gänswürger habe gelobt, nicht früher aus Bayern wegzugehen, bis er 30.000 Gulden zusammengeraubt habe. Um diesem Ziel näher zu kommen, gab es am 16. Januar 1873 den nächsten Überfall. Zwei schwarz gekleidete, maskierte Gangster überfielen drei Marktgänger in der Nähe von Neustadt. „Auf den Befehl der Räuber legten sie ihre Barschaft auf den Boden: Michael Guils einen Geldgurt mit 180 Gulden, Lorenz Guils eine Geldtasche mit elf Gulden, Joseph Bauer einen Geldgurt mit 285 Gulden.“ [3]


Bayern. Gulden von 1867. 900er Silber, 10,6 g, 31 mm [Numismatic Guaranty Company]


Die Rückständigkeit des Königreichs Bayern hatte zur Folge, dass es dort lange Zeit spektakuläre Überfälle und Raubmorde gab. Selbst nach dem Ersten Weltkrieg kam es unter den Hinterwäldlern auf dem Lande noch zu mysteriösen Kriminalfällen wie jenem, den Andrea Maria Schenkel vor einiger Zeit in ihrem Bestseller „Tannöd“ schilderte. Wirtschaftlich verfügte Bayern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch über keine nennenswerte Industrieproduktion. In einer überwiegend agrarischen und kleingewerblichen Ökonomie gab es lediglich mit Nürnberg, Augsburg und in Oberfranken einige gewerblich geprägte „Inseln“. Die Regierung bremste die Entwicklung des Gewerbes. Moderne Wirtschaftszweige wurden kaum gefördert. Lediglich der Ausbau der Eisenbahn war leidlich vorangekommen: „Die Dampfeisenbahn steht oftmals als Synonym für diese Entwicklung und kann stellvertretend aufzeigen, wie eine technische Innovation auf eine Zivilgesellschaft aufprallt und welche positiven und negativen Mechanismen dadurch ausgelöst werden. So wurde diese Neueinführung zunächst größtenteils noch abgelehnt. Vielen Zeitgenossen galt sie als ein seelenloses ‚Ungetüm der Fortschrittswelt‘. Die Dampflokomotiven wurden als ein Symptom der ‚krankhaften Unruhe und der nervösen Ungeduld‘ gesehen.“ [4] Insgesamt herrschte gegenüber der Moderne somit eine ausgeprägte Zurückhaltung. Das traditionelle Landleben dagegen wurde idealisiert. Erst im Jahr 1868 ermöglichte die Regierung die volle Gewerbefreiheit. Neue Industriezweige entwickelten sich in Bayern erst nach der Gründung des Deutschen Reiches – und auch dies eher schleppend. Im Jahr 1897 waren noch immer etwa 35 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, ein wesentlich höherer Anteil als im Rest des Reiches.


Bayern. 6 Kreuzer von 1866. 350er Silber, 2,5 g, 20 mm [MA-Shops, Künker am Dom]


Immerhin war 1837 mit einem in München geschlossenen Münzvertrag die Vereinheitlichung der verschiedenen Währungen angestoßen worden. Als Münzgrundgewicht wurde die Kölner Mark mit 233,855 g festgelegt. Aus diesem Münzgrundgewicht wurden 24½ Gulden geprägt und der Gulden in 60 Kreuzer unterteilt. Der sogenannte Süddeutsche Münzverein schuf damit die Grundlage zu einer Harmonisierung der Währungen mit den norddeutschen Staaten, zu der es im folgenden Jahr mit dem Dresdner Münzvertrag kam. Mithilfe eines Doppeltalers als Vereinsmünze wurden die norddeutsche Taler- und die süddeutsche Guldenwährung vertraglich aufeinander abgestimmt. Der Wiener Münzvertrag von 1857, der auch den österreichischen Gulden berücksichtigte, legte das Zollpfund als Grundgewicht fest. Ein überall gültiger Vereinstaler wurde eingeführt. Trotz all der Vereinbarungen blieb jedoch der Gulden zu 60 Kreuzern als bayerische Hauptmünze bestehen. Außerdem konnten regionale Landeskurantmünzen und Scheidemünzen ausgegeben werden. So wurden nach dem Inkrafttreten des Wiener Münzvertrags in Bayern folgende Hauptmünzen geprägt: Doppeltaler im Wert von 3½ Gulden, einfache Taler im Wert von 1 Gulden und 45 Kreuzern sowie Gulden zu 60 Kreuzern und Halbgulden zu 30 Kreuzern. An Kleingeld gab es verschiedene Stückelungen von Kreuzern und Pfennigen. Mit der Einführung der Reichswährung wurden diese Münzen schrittweise eingezogen. Erst im Frühjahr 1876 sind die letzten Gulden sowie Stücke zu 6, 3 und 1 Kreuzer umgetauscht worden.


Eduard Gänswürger nach seiner Ermordung im Februar 1873

[Wikimedia, Hauptstaatsarchiv München]


Die eingangs geschilderten Überfälle der „Donaumoos-Räuber“ erreichten am frühen Morgen des 5. Februar 1873 einen blutigen Höhepunkt. Nach dem Besuch bei ihrer Spießgesellin Margarethe Kufner spielte sich zwischen Gänswürger und Gump ein mutmaßliches Eifersuchtsdrama ab. Gump erklärte später, sein Kumpan habe völlig überraschend auf die neben ihm stehende Frau geschossen. Diese war sofort tot. Gump: „Als er den zweiten Schuss abgefeuert hatte und die Kufner niedergestürzt war, legte er auch noch auf mich an, drückte ab, die Kapsel ging mit einem mächtigen Knall los, aber der Schuss, der mich unfehlbar getroffen und getötet haben würde, versagte.“ Daraufhin schoss Gump zurück, tötete seinen Kumpan. Als die Leiche von Gänswürger entdeckt wurde, fand man ganze 2 Gulden und 24 Kreuzer in seinen Taschen. Nun kam es zu einer Großfahndung nach Gump. 500 Gulden Belohnung wurden auf seinen Kopf ausgesetzt. Am 22. März 1873 konnte das Haus, in dem er sich aufhielt, von 15 Gendarmen umstellt werden. Der Gesuchte schoss aus einem Fenster auf die Polizisten. Als er einen Gendarmen tödlich getroffen hatte, nutzte er das Durcheinander zur Flucht. Erst am 4. Juni 1873 konnte Ferdinand Gump gestellt werden. Wie immer hatte der abergläubische Verbrecher zum Schutz geweihte Münzen bei sich getragen. Diesmal hatten sie ihn nicht geschützt! Er starb am 25. November 1873 in Haft.


Ferdinand Gump im Juni 1873 [Wikimedia, Hauptstaatsarchiv München]


Quellen

  1. Raub und Raubmord: Der Fall Salvatore Giuliano und zehn weitere Kriminalfälle. Lausanne 1964, S. 17.

  2. Ebd. S. 23.

  3. Dirk Kränzlein: Das Königreich Bayern im 19. Jahrhundert am Übertritt zur Moderne.

  4. Raub und Raubmord, S. 47.


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