Auf die Frage, woher der abgebildete Goldstater stammt, haben Numismatiker unterschiedlich geantwortet.
Punier in Sizilien. Stater (350-320 v. Chr. nach Jenkins und Lewis; um 311-310 v. Chr. nach Leo Mildenberg), Gold, 9,34 g, Ø [Höhe, Vs.] 18,25 mm, Münzstätte Karthago nach Jenkins und Lewis; im karthagischen Teil Siziliens nach Leo Mildenberg. Bildquelle: Dr. Busso Peus Nachf., Auktion 374 (23. April 2003), Los 206.
Für G. K. Jenkins und R. B. Lewis sowie für viele andere Fachleute ist die Sache klar. Sie ordnen diese Goldstatere ebenso wie die gesamte übrige punische Goldprägung ganz einfach Karthago zu. Anders Leo Mildenberg. Zwar stellt auch er fest, dass diese Münzen genauso wie die übrigen in Karthago geprägten anepigraphisch sind – also keine Aufschriften tragen – und Münz- bzw. Serienzeichen in Form von Kügelchen besitzen, weist aber darauf hin, dass die einfachen Goldstatere im Gegensatz zu allen anderen in Karthago geprägten Münzen nicht mit fixierten, sondern mit losen Münzstempeln geprägt wurden, wie dies damals so nur in Sizilien und in Griechenland üblich war und im übrigen auch bei allen sikulo-punischen Großsilber- und mehrfachen Elektronprägungen der Fall ist. Zeigen Vorderseite und Rückseite einer Münze aus fixierter Stempelprägung bei einer seitlichen Drehung der Münze immer genau auf 12 h, so ist dies bei loser Stempelprägung nicht der Fall. Hier kann die Rückseite zur Vorderseite in jeder nur erdenklichen Uhrzeigerposition stehen (1 h, 2 h, 3 h, 4 h, 5 h, 6 h, 7 h, 8 h, 9 h, 10 h, 11 h, sogar 12 h) – wie sie letztlich steht, entscheidet der Zufall, da die Position der Münzstempel nicht von vornherein auf 12 h fixiert wurde. Mildenberg deshalb wörtlich: “I have never understood that this impasse does not exist for the communis opinio, taking for granted that the gold coins were struck in Carthage. For me, it is inconceivable that the basic techniques of coin production in a mint are changed from one day to the other and that a mint official suddenly decides to fix the hitherto loose dies. The only unproven explanation I have to offer is that gold staters were struck in Carthaginian Sicily in the first period of the War against Agathocles, whereas electrum staters were issued in Carthage in the second period, after the Syracusan king had landed on the African coast” (Leo Mildenberg, Vestigia Leonis, Göttingen 1998, S. 141). Seiner Meinung nach wurden diese einfachen Goldstatere also im karthagischen Teil Siziliens während der ersten Periode des Krieges gegen Agathokles, d. h. um 311-310 v. Chr. und nicht schon sehr viel früher in der Metropole Karthago geprägt. Eine Behauptung, die er nach eigenem Bekunden zwar nicht beweisen kann, für die aber seines Erachtens die Prägung mit losen Stempeln spricht. Berücksichtigt man ferner, dass diese einfachen Goldstatere längst nicht nur in Afrika, sondern zu einem großen Teil sogar in Sizilien selbst gefunden wurden, dann könnte dies vielleicht ebenfalls als Hinweis darauf gewertet werden, wo diese Goldmünzen ursprünglich entstanden sind. Die Prägung dieser einfachen Goldstatere in das karthagische Sizilien zu verlegen und diese Münzen damit ebenfalls zu sikulo-punischen zu erklären, scheint folglich plausibel.
Aber wer ist diese auf beinahe allen Münzvorderseiten immer wiederkehrende „Göttin“, die wir zunächst ohne, dann mit Kornähren im Haar sehen, deren numismatisches Vorbild zweifellos der um 400 v. Chr. entstandene Arethusa- bzw. Kore-Persephonekopf des syrakusanischen Meisters Euainetos war? Ist es ebenfalls Kore-Persephone, deren Kult auf ganz Sizilien verbreitet war, oder handelt es sich hier um die punische Göttin Tanit? Für die Numismatiker G. K. Jenkins, R. B. Lewis und viele andere ist es eindeutig die punische Tanit, für P. R. Franke ist es die Persephone-Tanit und für Leo Mildenberg ist es zweifelsfrei Kore-Persephone. „Die zugefügten Kornähren zeichnen die Göttin als Kore-Persephone. Es ist jedoch schwierig, wenn überhaupt möglich, ihre punische Entsprechung zu benennen. Tanit ist es nicht; denn sie steht im 4. und 3. Jh. v. Chr. für Artemis. Auch die phönizische Astarte ist auszuschließen; denn ihr Kult war im späten Karthago schon von Tanit verdrängt worden“ (H. A. Cahn, L. Mildenberg, R. Russo und H. Voegtli, Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig. Griechische Münzen aus Grossgriechenland und Sizilien, Basel 1988, S. 154).