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Gold, Silber & Kupfer: Otto Flakes Streifzüge durch Konstantinopel (1914)


In seinen Leipziger Studententagen erhielt er seinen ersten Job als Theaterkritiker. Wenige Jahre später reiste er als Mitarbeiter der Neuen Rundschau nach Konstantinopel. Was der Schriftsteller Otto Flake (1880–1963) kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Konstantinopel erlebte, veröffentlichte er später in seinem „Logbuch“.

Straßenbild am Istanbuler Zeughaus auf der europäischen Seite des Bosporus (um 1900)

Bildquelle: Wikimedia, Library of Congress

Flake berichtete über Brückengeld-Einnehmer, die damals am Ende jeder Brücke von Istanbul standen. Als Dienstkleidung trugen die Zöllner lange Kutten ohne Taschen. Mit ihrer Hilfe sollte verhindert werden, dass die Zolleinnahmen unauffällig in die Taschen der Angestellten wandern konnten: „Jeder Fußgänger bezahlt zehn Para, das sind fünfzig Pfennige, jeder Wagen zweieinhalb Piaster, das sind fünfundzwanzig Pfennige. Diese hellbraunen Zöllner sind sehr genau, nur türkische Frauen ließen sie oft unbehelligt, wenn sie weitergingen, ohne einen Obolus in ihre Handflächen, die von dem vielen Gelde längst schmutzig waren, gelegt zu haben. Da man nicht immer kleines Geld bei sich hat, steht an jeder Gehseite ein Wechselhäuschen; die Männer darin wühlen im Geld. Es gibt keine Stelle in der ganzen Türkei, wo so viel Geld vor aller Augen zusammenströmt, wenn es auch nur Kupfermünzen sind. Immer wieder reichen die Männer in den Kutten einen vollen Beutel hinein.“ (Otto Flake: Das Logbuch. Gütersloh 1970, S. 91)

Türkisches Pfund oder Lira, offiziell zu 100 Piaster (Mohammed V., ab 1909, 917er Gold, 7,2 Gramm)

Bildquelle: Comptoir des Monnaies

5 Piaster (in der Landessprache: Kurush, Mohammed V., ab 1909, 830er Silber, 6 Gramm)

Bildquelle: Numista, Heritage Auctions

Die Währung war bimetallisch. Das Goldpfund hatte einen Wert von 105,25 silbernen Piaster (inkl. Agio). Das Osmanische Reich litt unter einem Reformstau. Der Sultan war bei Europas Großmächten hoch verschuldet. Um die Anleihen zurückzahlen zu können, mussten zahlreiche staatliche Einnahmen über Jahre hinaus verpachtet werden.

Der Brückenzoll war an ein englisches Anleihekonsortium vergeben worden: „Vor dieser Anleihe erhob die Stadtverwaltung den Zoll. Jahrelang waren Tag für Tag ansehnliche Summen eingegangen, denn die Kontrolle galt für zuverlässig. Da nahmen die Engländer die Sache in die Hand und siehe, die ersten Tage brachten eine Zunahme von durchschnittlich zweihundert Pfund; nun forschte man nach und stellte fest, dass die ganze Gesellschaft, Gelderheber und Wechsler, unter einer Decke gesteckt hatte; aber das hätte noch nicht genügt, die Gelder mussten noch vor dem Abend fortgeschafft werden, und das war geschehen, indem alles, was es an Verwandten gab, im Laufe des Tages herüber und hinüber spazierte, wechselte und Franken und Talerstücke hingelegt bekam – abends teilte man dann die Beute.“ (Ebenda, S. 92)

5 Para (Abdülaziz, ab 1864, Kupfer, 3 Gramm; ab 1909 Para-Umstellung auf Nickel)

Bildquelle: Numista, Heritage Auctions

Neben dem Goldpfund und dem Silber-Piaster kursierten im Land zahlreiche ausländische Währungen. In Konstantinopel handelte es sich dabei vor allem um französische und englische Münzen. In anderen Landesteilen lief allerdings auch russisches, italienisches, persisches oder indisches Geld um. Die Geldwechsler hatten Hochkonjunktur.

Flake berichtet über den Ausbau der Kriegsflotte, der mit deutschen Militärhilfe erfolgte: „Der Mangel an Silber- und Goldmünzen ist groß. Neulich saß ich in meinem Hotel mit dem deutschen Hauptmann zu Tisch, der hier den Rang eines Majors einnimmt. Der Monatserste war schon vorüber, und er hatte sein Geld noch nicht erhalten. Er ließ sich gerade nicht eben höflich darüber aus, als die Tür aufging und zwei Soldaten eintraten, die sich mit schweren Säckchen schleppten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie von dem Karren, der vor der Tür stand, alles abgeladen hatten. Sie brachten dem Major sein Gehalt in Kupferstücken – es mochten zwischen acht- und zehntausend Münzen sein. Die nächste halbe Stunde ging darüber hin, dass wir den Betrag, den der Major dem Wirt schuldig war, auszählten. Den Rest verschloss er im Schrank.“ (Ebenda, S. 106f.)

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