Zeugnisse bürgerlichen Stolzes - Taler als geprägte Stadtgeschichte
- Helmut Caspar
- vor 6 Tagen
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Sammler sollen besonders glückliche Menschen sein. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe begeisterte sich für die von ihm mit Liebe und Eifer gesammelte „geprägte Form“, und er wusste: „Manches Herrliche der Welt / ist in Krieg und Streit zerronnen. / Wer beschützet und erhält, / hat das schönste Los gewonnen“. Aus den riesigen Mengen in der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit in rauchigen Schmieden hergestellten Geldstücken blieb nur ein Bruchteil erhalten, und diese gewähren uns einen interessanten Einblick in das Buch der Geschichte. Tonnenweise wurden Taler und Dukaten, Groschen und Pfennige bei der Umstellung von einer alten Währung in eine neue eingezogen und eingeschmolzen, um aus dem Metall neues Geld zu fertigen. Als nach 1871 die Mark als neue deutsche Einheitswährung geschaffen wurde, wanderten zum Leidwesen heutiger Sammler nicht mehr gebrauchte Münzen auf Nimmerwiedersehen in den Schmelztiegel.

Der Taler aus der dänischen Stadt Glückstadt von 1629 zeigt als redendes Wappen die antike Glücksgöttin Fortuna. König Christian IV. hatte im frühen 17. Jahrhundert Glückstadt als Hafen- und Festungsstadt gegründet, um mit der mächtigen Hansestadt Hamburg in Konkurrenz zu treten, was aber allein schon wegen der Größenverhältnisse und fehlender Verbindungen und Traditionen utopisch war. Leu Auktion 20, Los 436, 43mm, 29.09g. Davenport 3668. Hede 156.
Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und umliegenden Regionen besaßen zahlreiche Reichs-, Freie und weitere Städte das Münzrecht. Die Kaiser sowie Fürsten hatten ihnen das einträgliche und prestigeträchtige Privileg gegen Geldzahlungen, aber auch für Treue in kriegerischen Zeiten und aus anderen Gründen verliehen. Es gab Perioden, in denen in etwa 90 Städten der Prägehammer kraftvoll geschwungen wurde. Die Frühe Neuzeit knüpfte damit an die Hochphase der Münzstättenvielfalt im Mittelalter an. Nun kamen aber zu den Münzstätten der Klöster, Bistümer, Grafen, Fürsten und Kaiser die der selbstbewussten und vor allem ökonomisch bedeutenden Städte hinzu. Manche Kommunen übten ihr Münzrecht über Jahrhunderte aus und hinterließen ein reiches numismatisches Erbe. Andere taten dies für nur wenige Jahre. Es gab Städte, die ihr Geld auswärts prägen ließen, weil für sie der Unterhalt einer eigenen Münzschmiede zu teuer war.

Die Hansestadt Stralsund wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zusammen mit Wismar und anderen norddeutschen Territorien dem schwedischen Königreich zugeschlagen und kam 1815 im Ergebnis der Befreiungskriege an Preußen. Auch hier ist der dreifache Strahl ein redendes Wappen. Leu Auktion 20, Los 423, 43mm, 28.69g. Ahlström 9. Bratring 84a. Davenport 5835. Delzanno 402.II.6.
In der neuen 20. Saalauktion der Leu Numismatik AG wird am 18. Oktober 2025 eine kleine Serie seltener Städtetaler angeboten. Diese überwiegend aus Norddeutschland stammenden Gepräge zeugen von einem bereits verblassenden Glanz städtischer Unabhängigkeit kurz vor und während des Dreißigjährigen Krieges.

Zahlreiche Münzen der Fürsten und Städte sind mit Bildern von Heiligen geschmückt. Der Taler aus Wismar von 1624 ehrt den Heiligen Lorenz, der nach der Legende als christlicher Märtyrer in Rom auf einem glühenden Rost hingerichtet wurde. Der Stadtpatron hält ihn als Attribut in der Hand. Leu Auktion 20, Los 439, 41mm, 28.65g. Davenport 5941. Grimm 121. Kunzel 195 A/g.
Die Münzen und Medaillen der Städte sind gut erforscht und publiziert. Das betrifft auch Verträge, die die Kommunen untereinander mit umliegenden Herrschaften vereinbart haben, um ihrem Geld zu höherer Akzeptanz zu verhelfen und es vor betrügerischen Machenschaften zu schützen. Beim Anblick der Groschen und Schillinge, Gulden, Taler und Dukaten sollte nicht übersehen werden, dass es hinter den dicken Mauern, mit denen sich die Städten umgaben, ein großes soziales und kulturelles Gefälle zwischen Oben und Unten gab. Hier gab es Reichtum und Wissen und dort Armut, Krankheit und schreiendes Unrecht. Zwischen den Bürgern und den sie umgebenden geistlichen und weltlichen Fürsten gab es immer wieder Streit um Gewährung oder Entzug von Privilegien. Sie mussten immer wieder eingefordert und mit viel Geld bezahlt werden. Die Diskrepanzen, Begehrlichkeiten und Machtansprüche führten zu politischen und sozialen Spannungen, die in gewaltsamen Erhebungen gipfelten. Hinzu kamen Pest, Feuersbrünste, Kriege und Belagerungen, die den Bewohnern so schwere Schäden zufügten, dass es lange dauerte, bis diese behoben wurden.

Auf dem Taler von 1633 aus Thorn beschützt ein Engel das Stadtwappen. Da König Wladyslaw III. von Polen deren oberster Gebieter war, hat man ihn auf der Vorderseite mit Krone, Schwert und Reichsapfel abgebildet. Leu Auktion 20, Los 541, 45mm, 28.63g. Davenport 4374. Gumowski 1610. Kopicki 8272.
Auf Perioden wirtschaftlicher Prosperität und städtischen Selbstbewusstseins folgten Zeiten, in denen die Städte von äußeren Feinden bedroht und belagert wurden. Manchmal gingen Münzakten bei verheerenden Stadtbränden verloren, doch haben sich städtische Magistrate ihrer auch entledigt, wenn das Münzprivileg erloschen war und man auf die alten Urkunden nicht mehr zu benötigen glaubte. So kann heute nicht immer gesagt werden, wann eine Stadt das Recht zur Münzprägung erworben hat. Fest steht aber, dass es unter den uns überlieferten Münzen und Medaillen, die man bei diesem Thema nicht außer Acht lassen wird, bedeutende Raritäten gibt. Das rief schon immer Fälscher auf den Plan, und ist man beim Erwerb bestimmter Stücke gut beraten, ihre Echtheit in Münzkabinetten und beim Handel prüfen zu lassen.

Der Lübecker Brömsentaler von 1537 zählt zu den schönsten Münzen des 16. Jahrhunderts. Er wurde Kaiser Karl V. gewidmet, der den Bürgermeister Brömse zum Ritter geschlagen hatte. Leu Auktion 20, Los 418, 42mm, 28.00g. Behrens 90a. Davenport 9398. Dummler 152. Schulten 1818.
Die metallenen Miniaturen mit Kirchen sowie Rat- und Bürgerhäusern unter dem Gottesauge, die manchmal von einem Festungsgürtel eingefasst sind, stellen beliebte Sammelstücke dar. Den Stempelschneidern standen der eigene Augenschein, aber auch Stiche, Holzschnitte und Gemälde zur Verfügung. Um den Darstellungen Tiefe und Bedeutung zu geben, hat man sie oft mit allegorischen Figuren garniert und auch die Bereiche vor der Stadt ins Münzbild einbezogen. Manche Künstler schufen mit diesen Panoramen wahre Meisterwerke der Gravierkunst, die sich erst bei der Betrachtung mit der Lupe erschließen. Schaut man die auf geprägtem Metall überlieferten Stadtansichten genauer an, dann kann man herausragende Zeugnisse der Baukunst erkennen.

Die Münzen und Medaillen von Frankfurt am Main finden sich immer wieder in den Angeboten des Münzhandels. Auf dem Taler von 1772 zeigt sich die Reichs- und Krönungsstadt selbstbewusst von der Wasserseite. Leu Auktion 20, Los 415, 40mm, 28.05g. Ampach 2629. Davenport 2226. Erbstein 6932. Joseph/Fellner 877a.

Von diesem in Erfurt geschlagenen Taler aus dem Jahr 1637 ist nur eine Stempelkombination bekannt. Von der identischen Ausgabe des Jahres 1617 kommen hingegen mehrere Varianten vor. Leu Auktion 20, Los 414, 41mm, 29.00g. Davenport 5274. KM 16.5. Leitzmann 565. Madai -. Schulthess-Rechberg -.
Im ausgehenden Mittelalter wurde Erfurt mit etwa 20.000 Einwohnern nur noch von Köln, Nürnberg und Magdeburg übertroffen. Die Handels- und Universitätsstadt wurde zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für den seinerzeit heiß begehrten Farbstoff Waid. Ihr Reichtum der lässt sich heute noch an den monumentalen Kirchen sowie den Wohn- und Handelshäusern des Patriziats ablesen. In der Reformationszeit bekannten sich die Erfurter zur Lutherschen Lehre und ließen sich 1618 vom Mainzer Erzbischof, von dem sie abhängig waren, ihre Religionsfreiheit bestätigen. Der so genannte Purimstaler wurde 1632 in Erfurt unter schwedischer Besatzung geschlagen. Auf der Vorderseite liest man oben den Gottesnamen Jehova in hebräischer Schrift in einem strahlenden Oval, während auf der Rückseite eine zwölfzeilige Inschrift in lateinischer Sprache König Gustav II. Adolf als Oberbefehlshaber des gehen die Kaiserlichen kämpfenden protestantischen Heeres huldigt.

Der in verschiedenen Varianten am Amboss geprägte Taler wurde anlässlich des jüdischen Purimfestes geschlagen, das in Erfurt am 7. September 1632 zum Andenken an die Wiedereinsetzung des protestantischen Glaubens gefeiert wurde. Leu Auktion 20, Los 413, 43mm, 28.93g. Davenport 5274. Ahlström 23b. Davenport 4546. Delzanno 354. Gräßler/Walde 572. Leitzmann 778.
Das Bedürfnis, eine Stadt von Bedeutung und Ausstrahlung ins enge Münzrund zu bannen, hängt mit der bürgerlichen Emanzipation und dem Verlangen der Bewohner zusammen, sich für alle Zeiten auf geprägtem Metall zu präsentieren. Da die Münzen oft weite Verbreitung außerhalb ihres eigentlichen Geltungsbereichs fanden, erhofften die Städte von ihnen Prestigegewinn und Werbeeffekte. Den Stempelschneidern standen der eigene Augenschein, aber auch Stiche, Holzschnitte und Gemälde zur Verfügung. Um den Panoramen Tiefe und Bedeutung zu geben, hat man sie auch mit allegorischen Figuren garniert und Bereiche vor der Stadt ins Münzbild einbezogen.

Auch die Magd über der Burg ist das bis heute genutzte redende Wappen der Stadt Magdeburg, zu sehen auf einem Taler von 1628. Leu Auktion 20, Los 420, 42mm, 29.20g. Davenport 5516. Schrötter 1085. Schulthess-Rechenberg -.
So bewahren die Taler und Medaillen der Städte nicht nur das Bild vergangener Epochen, sondern auch den Stolz und die Hoffnungen ihrer Bürger – kleine Monumente aus Metall, die Geschichte, Kunst und Erinnerung auf engstem Raum vereinen.
Helmut Caspar
Insgesamt werden 12 attraktive Städtetaler dieser Sammlung in der Auktion 20 angeboten. Die Auktion ist hier online einsehbar: www.leunumismatik.com. Das Bieten ist auf gewohnten und bequemen Wegen möglich. Sie können schriftliche Vorgebote auf der Website (www.leunumismatik.com), bei biddr, numisbids und sixbid oder per E-Mail abgeben. Das Live-Bieten findet nach Voranmeldung per Telefon oder über biddr statt. Zudem sind Sie selbstverständlich vor Ort in Zürich im historischen Ambiente des Zunfthauses Saffran herzlich zum Bieten eingeladen.
Leu Numismatik AG, Stadthausstrasse 143
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