Kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1957 empfahl eine große deutsche Wochenzeitung allen deutschen Ehemännern, ihrer Liebsten eine Goldmünze unter den Christbaum zu legen: „Es wird nämlich wieder modern, Goldmünzen zu besitzen. Meine Leserinnen werden mir bestätigen, dass Goldmünzen als Schmuck gegenwärtig begehrt sind. Nicht wenige der Zwanzig-Mark-Stücke, die in diesen Wochen an den Bankschaltern ihren Besitzer wechseln, finden ihren Weg zu den Juwelieren und Goldschmieden.“ (Gespräche am Bankschalter – Weihnachtsgeschenke für den Notfall, in: Die Zeit, Ausgabe 49/57, 5. Dezember 1957) Erkundigte man sich bei den Ehemännern nach dem Grund für eine solche Entwicklung, hörte man häufig, dass es kein billigeres Weihnachtsgeschenk gebe. Außerdem bleibe der Wert der Münzen erhalten. In Notzeiten könne man auf sie zurückgreifen. Dabei war der Preis für damalige Verhältnisse gar nicht einmal so gering bemessen: „Mit einem Schalterverkaufspreis von 52,50 DM hat das Zwanzig-Mark-Stück einen Höchststand seit Aufnahme des Goldmünzenhandels am 15. Oktober 1954 erreicht.“ (Ebenda)
Wie konnte es dazu kommen, obwohl die Alliierten den Goldhandel schon kurz nach Kriegsende verboten hatten? Den ersten Schritt zur Renaissance des Goldes hatte der bundesdeutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard getan: „Am 15. Oktober 1954 genehmigte die Bank deutscher Länder (heute Deutsche Bundesbank) nach Zustimmung des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers zunächst den Binnenhandel mit Goldmünzen. Von dem genannten Zeitpunkt an durften Inländer unbeschränkt Goldmünzen kaufen und verkaufen, verschenken oder gegen andere Goldmünzen tauschen. Der Handel über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus blieb jedoch vorerst untersagt. Im Juni 1956 wurde dann die Einfuhr freigegeben, und zwar ohne irgendwelche mengen- oder wertmäßige Beschränkungen.“ (Wilhelm Clausen: Goldmünzen und Goldbarren als Geldanlage, München 1958, S. 7f.) Wegen der damaligen Rolle des Goldes im internationalen Währungssystem hatte die Bank deutscher Länder gegen eine solche Freigabe zunächst Bedenken angemeldet. Angesichts des in den USA und zahlreichen weiteren Ländern geltenden „Goldverbotes“ für Privatpersonen war der freie Handel damals auch eher unüblich.
Der Münzhandel stellte sich umgehend auf die Freigabe ein. Neben dem Verkauf historischer und ausländischer Münzen kam es zu vielfältigen Fantasieprägungen: „In den letzten Jahren sind etwa 60 verschiedene Arten von Medaillen herausgekommen, von denen ein Teil bereits vergriffen oder jedenfalls nicht mehr vom Hersteller zu erhalten ist. Das gilt zum Beispiel für den Souveränitäts-Dukaten, der anlässlich der Wiedererlangung der deutschen Souveränität im Jahren 1955 herausgebracht wurde.“ (Ebenda, S. 43) Große Verbreitung erfuhren aber auch der sogenannte Türkenlouis zum 300. Geburtstag des Markgrafen Ludwig von Baden oder die „Saar-Dukaten“, die anlässlich der politischen Rückkehr des Saargebiets am 1. Januar 1957 geprägt wurden. Einige dieser Ausgaben erschienen in Wertstufen zu zehn, zwanzig und dreißig Dukaten. Die damaligen Verkaufspreise wirken angesichts des Goldwertes aus heutiger Sicht lächerlich. Für ein Zehn-Dukaten-Stück aus 34,3 Gramm Feingold waren 260 DM zu zahlen. Ein Zwanzig-Dukaten-Stück aus 68,6 Gramm Feingold kostete 520 DM und ein Dreißig-Dukaten-Stück aus 102 Gramm Feingold ganze 780 DM. Einen hohen Sammlerwert haben die Stücke jedoch nicht.
Eine ganz besondere Medaille brachte die hessische Gold- und Silberscheideanstalt Heraeus Edelmetalle in Hanau heraus. Im Gewicht, in der Legierung und den Abmessungen entspricht sie einem historischen Zwanzig-Mark-Stück. Auf der Vorderseite ist sie mit einem Porträt des von Ludwig Erhard und der Inschrift „Freie Marktwirtschaft“ versehen: „Diese Medaille, die im Juwelierjargon nach dem französischen Vorbild des Louis d’or bereits Goldener Ludwig heißt, wird mit einem Aufpreis von nur 15 Prozent vom reinen Goldwert gehandelt. Das durchschnittliche Aufgeld bei Goldmünzen liegt bei 50 Prozent. Ursprünglich sollte diese Goldmedaille bereits im Herbst 1954 auf den Markt gebracht werden – als Dank dafür, dass Erhard die Abschaffung der letzten Restriktionen für das Goldschmiedegewerbe durchgesetzt hatte.“ (Goldimport – Ludwig der Goldene, in Der Spiegel, Ausgabe 15/1957, 9. April 1957) Aus unbekannten Gründen kam die Ausgabe jedoch nicht gleich zustande. Am 4. Februar 1957 war es aber endlich soweit. Die Firma schrieb einen Brief an den Wirtschaftsminister: „Anlässlich Ihres 60. Geburtstages haben wir hier in Hanau, der Stadt des edlen Schmucks, eine Goldmedaille mit Ihrem Porträt herausgebracht. Wir erlauben uns, Ihnen diese Medaille als Geburtstagsgeschenk zu überreichen, und hoffen, Ihnen damit eine Freude bereitet zu haben.“ (Ebenda) Ludwig Erhard fühlte sich geschmeichelt. Auf eigene Rechnung bestellte er zehn weitere dieser Medaillen, von denen er eine seine Schwester abgab.
Doch nicht jeder Hersteller von Neuware wollte seine Produkte als solche erkennbar halten. Der Bonner Augenarzt Karl-Heinz Schmidt begann einige Zeit nach der Liberalisierung des Goldhandels mit der Herstellung täuschend echter Reichsgoldmünzen: „Dem Münzensammler Schmidt war schon vor Jahren aufgefallen, dass alte deutsche Goldstücke aus der Wilhelminischen Ära im Vergleich zu ihrem Metallwert unverhältnismäßig teuer waren. So kostete etwa ein Zwanzig-Mark-Goldstück aus der Kaiserzeit zeitweise bis zu 78,50 Mark, obwohl sein Materialwert nur 32,27 Mark ausmachte.“ (Goldmünzen - Arzt am Scheideweg, in: Der Spiegel; Ausgabe 22/1961, 23. Mai 1961) Schmidt bot seine aufwändig produzierten Falsifikate wesentlich günstiger an: „Angesichts der niedrigen Preise verblüffte es die Münzfachleute ganz besonders, dass Schmidts Basteleien nur unter dem Mikroskop von echten Münzen zu unterscheiden sind.“ (Ebenda) Durch ein Urteil des Amtsgerichts Bonn aus wurden der Arzt und seine Schwester Ilona Eva Hausmann im Jahr 1963 wegen Betruges zu je sechs Monaten Haft auf Bewährung sowie Zahlung einer Geldstrafe von 12.000 DM verurteilt. Inzwischen waren allerdings schon über 100.000 Fälschungen in den Handel gekommen. Um Nachahmer abzuschrecken, wurden 1975 derartige Nachprägungen verboten.
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