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Ungewöhnliche MĂŒnzen in Russisch-Amerika – Teil 1

Wenn man auf die Kolonialgeschichte Nordamerikas schaut, spricht man meist von den Kolonien Englands, Hollands, Frankreichs oder Spaniens. Kaum denkt man dabei an russische Besitzungen. Dennoch besaß auch Russland verschiedene Ansiedlungen in Nordamerika.

Mitte des 18. Jahrhunderts erkundeten die ersten europĂ€ischen Seefahrer mit zwei Schiffen den nordöstlichen Pazifik von Kamtschatka aus. Gemeinsam starteten im Mai 1741 der Russe Aleksej Tschirikow auf der „St. Paul“ und der im Dienst der russisch-kaiserlichen Marine stehende DĂ€ne Vitus Bering auf der „St. Peter“ von Petropawlowsk-Kamtschatski. Nach einem Sturm wurden beide Schiffe getrennt und segelten dennoch weiter östlich; am 15. Juli 1741 landete Tschirkow auf der heutigen Baker-Insel und Bering ging einen Tag spĂ€ter und etwa 450 Meilen nördlich mit Sicht auf den Mount St. Ellis an Land. Sie sahen sich nie wieder. Vier Jahre spĂ€ter erreichte Stepan Glotow und seine MĂ€nner als erste russische PelztierjĂ€ger die westlichen Aleuten. Danach kamen in den folgenden Jahrzehnten JĂ€ger, HĂ€ndler und auch Kirchenleute ins Land. Gegen den Willen der Ureinwohner errichteten sie erste Ansiedlungen. So entstanden Nowo Archangelsk (heute Sitka) nahe dem aufgegebenen Michailowsk, Kodiak u. a.

Der russische Zar Paul I. verfĂŒgte im Ukas vom 8. Juli 1799 die Genehmigung einer „Russisch-Amerikanische Gesellschaft unter dem Schutz Seiner kaiserlichen MajestĂ€t“, die â€žĐ ĐŸŃŃŃ–ĐčсĐșĐŸ-ĐĐŒĐ”Ń€ĐžĐșĐ°ĐœŃĐșая ĐšĐŸĐŒĐżĐ°ĐœŃ–Ńâ€œ (RAK) im sibirischen Irkutsk. Das war eine halbstaatliche Handelsgesellschaft, die den Pelzhandel unterstĂŒtzen und die Verwaltung des russischen Besitzes in Nordamerika organisieren sollte. Das Gebiet der Kompanie umfasste Teile Alaskas mit den Aleuten und erstreckte sich bis ins Fort Ross (ĐšŃ€ŃŁĐżĐŸŃŃ‚ŃŒ Đ ĐŸŃŃŃŠ, 1812 im heutigen Kalifornien gegrĂŒndet). Auch Fort Elizabeth (ЕлОзаĐČĐ”Ń‚ĐžĐœŃĐșая ĐșŃ€Đ”ĐżĐŸŃŃ‚ŃŒ) wurde 1817 auf der Hawaii-Insel Kauai errichtet, um auch dort Einfluss zu gewinnen. Die RAK war Ă€hnlich groß wie die Hudsonៜs Bay Company oder die East India Company.

Russische Landkarte vom Januar 1835 „КАРбА РОССIЙСКОГО ВЛАДѱНIĐŻ ĐČъ ĐĄŃŁĐČĐ”Ń€ĐœĐŸĐč ĐĐŒĐ”Ń€ĐžĐșо“ (= Karte des russischen Besitzes in Nordamerika); eine Ă€ltere Karte von 1802 bezeichnete diese See- und Landgebiete als „maritime Entdeckungen russischer Seefahrer im pazifischen und arktischen Meer“

Diese Gesellschaft unter ihrem ersten „Gouverneur“ Alexander Baranow war bald gezwungen, Geldzeichen (МАРКА ВĐȘ АМЕРИКѱ = Zahlungsmittel in Amerika) vor allem fĂŒr den Pelzhandel einzufĂŒhren. Schon 1803 schlug Baranov eine KolonialwĂ€hrung fĂŒr den Handel auch mit fremden JĂ€gern und Einheimischen vor. Die ersten Geldscheine wurden 1816 ausgegeben.

In der Forschung wurde nun bekannt, dass es neben dem seltsamen Ledergeld von 10 Kopeken bis 25 Rubel auch ungewöhnliche MĂŒnzen der russischen Kolonie gegeben hat. Das sind GeldstĂŒcke aus Silber und aus Gold – jedoch ohne aufgeprĂ€gte Nennwerte und ohne Datumsangaben. Eine nĂ€here ÜberprĂŒfung ergab jedoch den wahren Hintergrund dieser Geschichte. Es handelte sich tatsĂ€chlich nur um Fantasie-PrĂ€gungen. Die MĂ€r vom Auffinden von SilbermĂŒnzen in der russischen Ansiedlung nahe des heutigen Yakutat veranlasste den MĂŒnzhĂ€ndler Dick Hanscom aus Faibanks/Alaska um 2010 eigene „russische“ PrĂ€gungen zu fabrizieren: Alle dieser MĂŒnzen zeigen auf der Vorderseite „РАК“ (Đ ĐŸŃŃŃ–ĐčсĐșĐŸ-ĐĐŒĐ”Ń€ĐžĐșĐ°ĐœŃĐșая ĐšĐŸĐŒĐżĐ°ĐœŃ–Ń = Russisch-Amerikanische Gesellschaft) und „МОНЕбА АМЕРИКѱ“ (= MĂŒnze von Amerika) und auf der RĂŒckseite den russischen gekrönten Doppeladler bzw. die Darstellung von Đ•ĐłĐŸŃ€ĐžĐč ЄрабрыĐč (Jegorij der Mutige = St. Georg) im Kampf mit dem Drachen.

Hanscom schlug eine unbestimmte Anzahl von SilbermĂŒnzen mit beiden Motiven und etwa zwölf GoldmĂŒnzen nur mit dem Doppeladler. Bei der einfachen und gewollt undeutlichen AusfĂŒhrung bemĂŒhte er unterschiedliche Quellen mit Berichten aus der Zeit des Bestehens der russischen Kolonie in Nordamerika.

SilbermĂŒnze/Fantasieausgabe, o. J., im Wert von etwa 10 Kopeken um 1800
GoldmĂŒnze/Fantasieausgabe, o. J., im Wert von etwa 1 Rubel um 1800

Die MĂŒnzen wurden demnach in 999er Silber mit einem Gewicht von einer Zehntel Unze geschlagen. Die GoldmĂŒnzen bestehen aus sog. Seifen- oder Flussgold mit einer Reinheit von 60 bis 65 Prozent. Es ist unraffiniertes naturbelassenes Gold.

Angeblich prĂ€gten die Russen deshalb keine eigens fĂŒr Nordamerika bestimmten MĂŒnzen, weil man vermutete, dass die Ureinwohner diese als Schmuck und nicht als Zahlungsmittel verwenden wĂŒrden.

TatsĂ€chlich aber gab es dennoch russische Zahlungsmittel in der russischen Kolonie. Es waren die ovalen 10-Kopeken-StĂŒcke aus dem Jahre 1822, die man auf starkem Karton druckte und durchaus als PappmĂŒnzen bezeichnen kann.

10 Kopeken, o. J., oval mit Aufdruck МАРКА ВĐȘ АМЕРИКѱ, 5stellige Kontrollnummer, signiert mit Dор: ĐĐœĐŽŃ€: ĐĄĐ”ĐČĐ”Ń€ĐžĐœ = Direktor Andrej Sewerin, Rs.: Đ”Đ”ŃŃŃ‚ŃŒ ĐșĐŸĐżĐżĐ”Đșъ. (= 10 Kopeken) und Siegel der RAK, Um- und Inschrift РОССİЙС : АМЕРИ= КАНС : КОМПА= НİЙ ПЕЧАбЬ. / ПОКРОВИб : ПОДĐȘ ВЫХОЧ : ЕГО ИМП : ВЕЛИЧ : (= Russisch-Amerikanische Gesellschaft unter dem Schutz Seiner kaiserlichen MajestĂ€t)

Daneben verwendeten die russischen Kolonisten die ĂŒblichen russischen MĂŒnzen jener Zeit. Im sĂŒdlichsten Standort der Kolonie, im Fort Ross, fand man in den 1940ern eine russische 5-Kopeken-MĂŒnze aus dem Jahr 1770. Diese Festung – heute als Fort Ross bekannt – wurde 1812 von russischen Siedlern und HĂ€ndlern gegrĂŒndet. Sie war ein StĂŒtzpunkt, der ihr nördliches Gebiet mit Lebensmittel und notwendigen GĂŒtern versorgen sollte. Auch wurde dort mit Robbenfellen gehandelt.

Sonderbriefmarke der Russischen Post zu 13 Rubel von 2012 – ausgegeben zum 200. Jahrestag der GrĂŒndung von ЀОРй РОСС im heutigen US-Bundesstaat Kalifornien, mit Darstellung der Flagge der Kolonie, die von Zar Alexander I. 1806 genehmigt wurde
Fort Ross, 1841, GemĂ€lde des russischen Entdeckers und Naturwissenschaftlers Juri G. Woznesenskij, wĂ€hrend seines zweijĂ€hrigen Aufenthalts im russischen RAK-Außenposten

Der StĂŒtzpunkt wurde von den Russen am 13. Dezember 1841 verkauft. Die Schwierigkeiten mit mexikanischen und amerikanischen Siedlern, vor allem der Niedergang des Robbenfangs und die unrentable Landwirtschaft zwangen die russischen Kolonisten zur Aufgabe. Das GelĂ€nde, alle Bauten und das ganze Inventar erwarb der Schweizer Kaufmann Johann August Sutter, der es in seine Privatkolonie Neu-Helvetien eingliederte. Der einst mittellose Einwanderer kaufte Fort Ross fĂŒr 30.000 Dollar. Niemand ahnte, dass – sieben Jahre spĂ€ter – am 24. Januar 1848 Gold auf seinem Besitz gefunden wurde und danach das bekannte Goldfieber in Kalifornien ausbrach.

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