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Im Zeichen des Neptun - die sizilianischen Prägungen des Sextus Pompeius Magnus

Ende der vierziger und in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre des ersten vorchristlichen Jahrhunderts tobte im westlichen Mittelmeer eine heftige Auseinandersetzung um die Herrschaft über Sizilien, Sardinien und Korsika sowie eng damit verbunden um den freien Seeweg der Getreideschiffe nach Rom. Die Protagonisten dieses Krieges waren auf der einen Seite die „Caesarianer“ unter der Führung des jungen Octavian, auf der anderen Seite Sextus Pompeius Magnus, der jüngste Sohn des Cnaeus Pompeius Magnus. Dieser wurde noch im Jahr 44 oder Anfang 43 v. Chr. vom Senat zum Flottenpräfekt (praefectus classis et orae maritimae) ernannt. Nachdem er von den Triumvirn Octavian, M. Antonius und M. Aemilius Lepidus auf die Proskriptionslisten gesetzt worden war und damit all seiner Ämter verlustig ging, bemächtigte er sich bis Anfang 42 v. Chr. Siziliens. Mit seiner Flotte war es ihm möglich, die Getreideversorgung Roms erheblich zu stören. In der Folge kam es immer wieder zu Seeschlachten zwischen den „Caesarianern“ und Sextus Pompeius Magnus, die dieser - oft auch mit Unterstützung des Meergottes Neptun, des Herrn über Sturm und Flaute - für sich entscheiden konnte. Im Frühsommer 39 v. Chr. wurde dem Sextus Pompeius Magnus im Vertrag von Misenum von Octavian und M. Antonius die Statthalterschaft über Sizilien, Sardinien und Korsika zuerkannt. Gleichzeitig erhielt er die Augurenwürde und es wurde ihm das Konsulat für das Jahr 35 v. Chr. versprochen. Allerdings hielt der Friede nicht allzu lange, beide Kriegsparteien rüsteten in den folgenden Jahren ihre Flotten massiv auf. Im Sommer 36 v. Chr. kam es dann zum Showdown: nach Kämpfen bei Mylae und Tauromenium fiel die Entscheidung in der Bucht von Naulochos durch Marcus Agrippa für Octavian. Sextus Pompeius Magnus floh nach Kleinasien, dort wurde er 35 v. Chr. gefangengenommen und im Sommer desselben Jahres in Milet hingerichtet.


Abb. 1 AV, 37/36 v. Chr., Sicilia, RRC 511,1 Bildquelle: https://www.ikmk.uni-tuebingen.de/object?id=ID1502.


In Sizilien wird von Sextus Pompeius Magnus als „Praefectus Classis et Orae Maritimae ex SC“ eine Serie Aurei und Denare geprägt. Diese Münzen sind inhaltlich so eng miteinander verbunden, dass eine nahezu gleichzeitige Ausgabe aller vier Prägungen anzunehmen ist. Für die Datierung dieser vier Münztypen, auf denen Sextus Pompeius Magnus unter anderem die Titulatur "IMP[ERATOR] ITER" (zum zweiten Mal Imperator) verwendet, ist entscheidend, wann Sextus Pompeius Magnus die zweite Akklamation zum Imperator erhalten hat. Bernhard Woytek hat diese überzeugend auf Mitte 38 v. Chr. datiert, d. h. nach der siegreichen Schlacht beim Kap Skyllaeum, in der die Flotte Octavians zum einen von Sextus Pompeius Magnus besiegt und zum anderen einen Tag später durch einen Sturm fast restlos vernichtet wurde. Im Herbst 37 v. Chr. verlängerten die Triumvirn im Vertrag von Tarent ihr Triumvirat, gleichzeitig wurden Sextus Pompeius Magnus das Augurat und die Designation zum Konsul aberkannt. Dies erklärt das Fehlen dieser beiden Titel auf den vier Münztypen des Sextus Pompeius Magnus. Diese Münzen werden wohl in dem Zeitraum zwischen Herbst 37 und Mitte 36 v. Chr., dem Beginn des Showdowns, zur Finanzierung des Flottenbauprogramms geprägt worden sein.


Die Averslegende aller vier Münztypen (Abb. 1 - 4) ist gleich: "MAG(nus) PIVS IMP(perator) ITER". Der Prägeherr Sextus Pompeius Magnus nennt hier nicht seinen vollen Namen, sondern nur zwei Beinamen: Magnus in Anlehnung an seinen Vater Cn. Pompeius Magnus und Pius als das Familienmitglied, das gegenüber seiner Familie, in unserem Fall gegenüber seinem ermordeten Vater und seinem hingerichteten Bruder, die Pflicht zur Rache bzw. zur Rehabilitation erfüllt. Diese prägnante Art der „Namensnennung“ zeugt natürlich auch von einem großen Selbstverständnis des Sextus Pompeius Magnus. Aber auch sein direkter Kontrahent Octavian zeigt ein ähnliches Verhalten auf seinen Prägungen.


Abb. 2 D, 37/36 v. Chr., Sicilia, RRC 511, 3b Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18207996.


Auch die Reverslegende ist bei unseren vier Münztypen nahezu gleich. Während sie auf dem Aureus Abb. 1 und dem Denar Abb. 2 dreizeilig verläuft, passt sie sich bei den beiden Denaren Abb. 3 und 4 dem Münzrund an und lautet vereinheitlicht: "PRAEF CLAS ET ORAE MARIT EX SC" (praef(ectus) clas(sis) et or(ae) marit(imae) ex S(enatus) C(onsulto) – „Kommandeur über die Flotte und die Küstengebiete gemäß dem Senatsbeschluss“). Sextus Pompeius Magnus greift hiermit auf eine Titulatur zurück, die ihm bereits 43 v. Chr. infolge seiner Proskription durch die Triumvirn entzogen worden war.


Der Aureus Abb. 1 zeigt auf seiner Vorderseite einen nach rechts gerichteten Kopf, der aufgrund der Münzlegende sicher als der des Sextus Pompeius Magnus identifiziert werden kann. Das Münzbild zeigt einen jungen Mann, der entgegen der damals üblichen Mode einen Bart trägt. Während der Bart sich aus Punkten zusammensetzt, wird die Haarkappe aus mehreren Reihen von fein gesträhnten Sichellocken gebildet. Stirn und Wange sind fein modelliert. Das tiefliegende Auge gibt dem Porträt einen zusätzlichen individuellen Akzent. Es ist dies übrigens das einzige Porträt des Sextus Pompeius Magnus. Umrahmt wird der Kopf von einem Eichenkranz, der „corona civica“ (Bürgerkrone). Diese wurde einem römischen Bürger verliehen, der einen Mitbürger in der Schlacht das Leben gerettet hat. Hiermit könnte Sextus Pompeius Magnus darauf anspielen, dass er in Sizilien viele proskripierte Senatoren aufgenommen und ihnen dadurch das Leben gerettet hatte.


Auf der Rückseite des Aureus sehen wir zwei einander zugewandte Köpfe, den eines älteren Mannes links und den eines jüngeren rechts. Der ältere Mann lässt sich zweifelsfrei mit dem Vater des Sextus Pompeius Magnus, Cn. Pompeius Magnus identifizieren. Der jüngere kann dann nur der ältere Bruder des Sextus Pompeius Magnus sein, Cn. Pompeius Magnus der Jüngere. Beide Porträts werde zusätzlich durch die hinter ihnen angebrachten Symbole gekennzeichnet. Hinter dem Vater befindet sich ein Lituus, die Insigne des Augurs. Der Lituus spielt auf das Augurenamt des Cn. Pompeius Magnus an. Hinter dem älteren Bruder ist ein Dreifuß dargestellt. Dieser verweist auf die Priesterschaft der „XV viri sacris faciundis“, wobei wir nicht wissen, inwieweit Cn. Pompeius Magnus der Jüngere mit dieser Priesterschaft verbunden war. Mit diesem Aureus zeigt Sextus Pompeius Magnus ganz eindeutig seine Pietas gegenüber seiner Familie. Der Lebende auf dem Avers steht in enger Verbindung mit den Toten auf der Münzrückseite.


Mit dem Denar Abb. 2 ändert sich dieses Bild. Nun erscheint auf dem Avers das Porträt des Vaters Cn. Pompeius Magnus. Deutlich sind die Altersmerkmale wie die „zerfurchte“ Stirn oder die tief eingegrabene Nasolabialfalte zu erkennen. Typisch für die Porträts des Cn. Pompeius Magnus ist die Anastole, ein aufstehender Haarwirbel, über der Stirnmitte. Die Anastole war eines der Hauptmerkmale von Porträts Alexanders des Großen und wurde von seinen „Nachfolgern“ gerne imitiert. Vor dem Pompeius-Kopf ist wieder ein Lituus abgebildet, dahinter eine Kanne, beides Insignien der Auguren-Priesterschaft. Die Rückseite unseres Denars bietet ein vielseitiges Bild. Im Zentrum des Geschehens sehen wir eine Statue des siegreichen Neptun. Neptun ist bis auf eine Chlamys, einem umhangartigen Mantel, unbekleidet. Der Meeresgott ist nach links gerichtet, er stellt seinen rechten Fuß auf einen Schiffsbug, in seiner vorgestreckten rechten Hand hält er ein Aphlaston, die Heckzier eines Schiffes. Links und rechts des Neptun sehen wir jeweils eine, bis auf ein Mäntelchen, nackte männliche Figur, die eine andere Figur wegträgt. Die beiden werden als die Catanäischen Brüder Amphinomos und Anapias identifiziert. Diese retteten bei einem Ausbruch des Ätna ihre Eltern und stehen als Symbol für die Pietas gegenüber den Eltern. Damit passen sie in das inhaltliche Gesamtkonzept der Münzen Abb. 1 und 2. Man kann das Reversbild noch weiter interpretieren, indem man Neptun mit dem Vater Cn. Pompeius Magnus und die Catanäischen Brüder mit seinen beiden Söhnen gleichsetzt. Damit wäre Sextus Pompeius Magnus der Sohn des Neptun, „Neptuni filius“. Als solcher fühlte er sich laut dem römischen Historiker Cassius Dio bereits nach seinem Sieg über die Flotte Octavians im Jahr 42 v. Chr.


Abb. 3 D, 37/36 v- Chr., Sicilia, RRC 511,2 a-c Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202203.


Während die Münzen Abb. 1 und 2 die Pietas des Sextus Pompeius Magnus zum Thema hatten, beschäftigen sich die beiden folgenden Prägungen (Abb. 3 u. 4) mit dem Seekriegsgeschehen. Der Denar Abb. 3 zeigt auf seiner Vorderseite einen nach rechts gerichteten bärtigen Kopf. Die Haare sind helmartig aufgetürmt und fallen in langen Strähnen nach unten. Über der Stirn bilden sie s-förmige Locken. Der Mann trägt ein Diadem, seitlich ab dem Ohr Richtung Stirn erscheinen „protomen-förmige“ Ornamente. Der Bart ist ebenfalls in lange Strähnen gegliedert. Hinter dem Kopf ist ein Dreizack abgebildet. Dieser ist eines der Hauptattribute des Neptun. Somit sehen wir hier einen Kopf des Neptun. Passend dazu ist auf der Münzrückseite ein Siegesmal abgebildet, das sich aufgrund seiner Bestandteile eindeutig auf einen Seesieg beziehen lässt. Das Tropaeum besteht aus einem Brustpanzer in der Mitte, darüber befindet sich ein Helm mit einem Dreizack als Bekrönung. Den rechten „Arm“ bildet ein Schiffsbug, den linken ein Aphlaston (Heckzier). Schiffsbug und Aphlaston stehen stets als Symbole für einen Seesieg. Die Pteryges des Panzers laufen in zwei Hundsköpfe aus, wie wir sie dann auch bei der Darstellung der Skylla auf dem Denar Abb. 4 sehen. Und das Ganze steht auf einem Anker. Die Aussage dieser Prägung ist klar: Neptun hat seinem „Sohn“ zum Sieg in einer Seeschlacht, vielleicht in der des Jahres 38 v. Chr., verholfen.


Abb. 4 D, 37/36 v. Chr., Sicilia, RRC 511, 4 d Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202271.


Auch der Denar Abb. 4 beschäftigt sich mit der Seekriegführung. Auf dem Avers sehen wir wieder ein vielgestaltiges Bild. Im Zentrum ist ein Leuchtturm abgebildet, wohl der von Messana. Der Turm besitzt ähnlich einer Säule eine profilierte Basis. Das Obergeschoß mit zwei Rundbogenfenstern ist vom Untergeschoß durch ein Rundprofil abgesetzt. Das haubenförmige Dach wird von einer Neptunstatue bekrönt. Der unbärtige Neptun trägt einen Helm, ansonsten ist er bis auf eine Chlamys nackt. Seinen linken Fuß setzt er auf einen Schiffsbug, in der erhobenen Linken hält er einen Dreizack, in der Rechten wieder ein Aphlaston. Vor dem Leuchtturm ist eine Galeere abgebildet mit einem Legionsadler am Bug und Aphlaston, Zepter und Dreizack am Heck. Auf dem Revers unseres Denars sehen wir das Meerungeheuer Skylla. Skylla besitzt einen weiblichen Oberkörper, den Unterkörper bilden zwei fast parallel angeordnete Fischschwänze sowie drei Hundsköpfe. Skylla holt mit einem Ruder zu einem mächtigen Schlag aus, quasi so, als würde sie ein vorbeifahrendes Schiff mit dem Schlag vernichten wollen. Das Meerungeheuer begegnet uns schon in der Odyssee in der Verbindung mit Charybdis. Beim Kap Skyllaeum, dem heutigen Scilla in Kalabrien, hatte Sextus Pompeius Magnus die Flotten Octavians sowohl 42 als auch 38 v. Chr. besiegt. Dazu passt das Bild der Skylla als „Personifikation“ des Ortes der Seesiege des Sextus Pompeius Magnus natürlich bestens.


Sextus Pompeius Magnus Pius macht mit den hier besprochenen vier Münztypen seinem Namen alle Ehre. Mit den ersten beiden Prägungen (Abb. 1 u. 2) bringt er seine Pietas gegenüber seiner Familie klar zum Ausdruck, mit den „maritimen“ Münztypen (Abb. 3 u. 4) setzt er voll und ganz auf die Unterstützung seines „Vaters“ Neptun.


Octavian / Augustus beschreibt seinen Triumph über Sextus Pompeius Magnus in seinem Tatenbericht (res gestae 25) mit den knappen Worten: „Mare pacavi a praedonibus“ (Dem Meer habe ich Ruhe vor den Seeräubern verschafft.), wobei sich der Begriff „Seeräuber“ auf Sextus Pompeius Magnus und seine Anhänger bezieht.


Horst Herzog

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