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Piaster & Franken: Das Silber der französischen Kolonien

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umfasste das französische Kolonialreich eine Fläche von fast zwölf Millionen Quadratkilometern mit mehr als 100 Millionen Einwohnern. Es erstreckte sich von Algerien bis nach Zentralafrika, umfasste die aus mehreren Kolonien und Protektoraten bestehende Union von Indochina, außerdem eine Reihe von Inselgruppen im Pazifik sowie Mandatsgebiete im Mittleren Osten.


Französische Kolonisten in Indochina (ca. 1880) – Bildquelle: Flickr, Manhhai.


Welchem Zweck diese Einflussgebiete dienten, ließ sich schon damals nicht aus sachlichen Erwägungen heraus begründen. Zumeist wird die Entstehung dieses Kolonialreiches mit historischen Sachverhalten erklärt:

„Zahlreiche französische Kolonien hatten sich mehr oder weniger zufällig von der Küste aus ins Innere Afrikas vorgeschoben. Senegal und andere Stützpunkte in Westafrika verdankten ihre Existenz lokalen Handelsinteressen und Rechtsstreitigkeiten. Tunesien geriet unter den Einfluss französischer Finanzinteressen und wurde in Rivalität mit Italien besetzt. In Indochina galt es zunächst, den dort eingerichteten französischen Missionsstationen zu helfen.“ (1)

Oft wurde behauptet, die tropischen Kolonien seien als Rohstoffquellen und Absatzmärkte für französische Produkte bedeutsam. Tatsächlich blieb der Handel zwischen Frankreich und den meisten Territorien in Übersee allerdings bescheiden. Insgesamt ergaben sich aus den weit verstreuten Territorien somit keine entscheidenden wirtschaftlichen oder anderweitigen Vorteile. Rückblickend konstatieren einige Historiker daher, dass seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Kolonien erobert wurden, die

„keinen wirklichen Zweck verfolgten oder für deren Erwerbung kein wirklich zwingender Anlass vorlag“. (2)

Piastre (Französisch-Indochina, 1907, 900er Silber, 27 Gramm, 39 mm) – Bildquelle: Numismatic Guaranty Company.


Französisch-Indochina ist ein Beispiel dafür. Als der König von Annam französische Missionare bedrohte, wurde 1847 eine Flotte nach Touraine entsandt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen erhielt Frankreich einen Teil des Landes inklusive der Stadt Saigon zugesprochen. Von dort gelang eine sukzessiven Ausweitung des Territoriums:

„In der Mitte der achtziger Jahre bestanden die französischen Kolonien also bereits aus den Protektoraten Annam, Kambodscha und Tongking und der direkten Verwaltungskolonie Kotschinchina mit der Hauptstadt Saigon.“ (3)

Piastre (Französisch-Indochina, 1931, 900er Silber, 20 Gramm, 35 mm) – Bildquelle: Numista, Professional Coin Grading Service.


Im Zuge der Gründung von Französisch-Indochina aus diesen Gebieten im Jahr 1887 ergaben sich ein bevorzugter Handel mit dem Mutterland und damit die Einführung einer neuen Währung. In Anlehnung an den bisher kursierenden Peso wurde ein silberner Piaster mit einem Gegenwert von 100 Cent geschaffen. Bis vor knapp 100 Jahren sind diese Piaster und ihre Teilstücke in großen Stückzahlen geprägt worden, zumeist in Paris:

„Das Design wurde von dem berühmten französischen Bildhauer und Medailleur Jean-August Barre geschaffen und ist mit der thronenden, von Strahlen umgebenen Marianne sehr symbolträchtig.“ (4)

Die krisenbedingte Abwertung des Piasters führte dazu, dass 1931 eine neu gestaltete Münze mit geringerem Gewicht herauskam. Für die Gestaltung im Stil des Art déco war der französische Medailleur Edmond-Émile Lindauer zuständig. Er kombinierte das Porträt einer Marianne mit phrygischer Mütze und Lorbeerkranz auf der Vorderseite mit einer Wertseite, die von südostasiatischen Motiven inspiriert ist. Der neue Piaster hatte einen Wert von zehn Franken, war aber genauso groß und schwer wie das französische 20-Franken-Stück. Für einen üblichen Piaster war die Münze dennoch zu leicht:

„Weil es sich um einen Handelsdollar handelte, war das Silbergewicht für den Wert der Münze unerlässlich. Als Folge des reduzierten Gewichts wurden die neuen Münzen von der lokalen Bevölkerung nicht allgemein akzeptiert, so dass die Produktion nach lediglich einem Jahr eingestellt wurde.“ (5)

20 Francs (Marokko, 1929, 680er Silber, 20 Gramm, 35 mm) - Bildquelle: Ebay, World Coins R Us.


Den Ausgaben für Indochina entsprachen ähnlich attraktive Silbermünzen für Marokko und Tunesien, die keine regelrechten Kolonien waren, sondern sogenannte Protektoratsgebiete. Höchste Wertstufe in Marokko war zwischen den Weltkriegen ein 20-Franken-Stück. Gewicht und Legierung sind identisch mit jenem der zur gleichen Zeit in Frankreich ausgegebenen Münze. Die Gestaltung ist jedoch eine ganz andere. Auf der Vorderseite ist innerhalb eines Ringes mit einem doppelten dreiflügeligen Stern das arabische Ausgabejahr zu sehen. Mit der Umschrift wird die traditionelle Staatsbezeichnung in zwei Sprachen wiedergegeben. Auf der Rückseite sind innerhalb des Ringes zwei versetzte Quadrate zu sehen. In ihnen steht der in lateinischer Schrift angegebene Nennwert. Die Umschrift wiederholt die Angaben zweisprachig. Medailleur war der bereits für Indochina tätige Edmond-Émile Lindauer.


20 Francs (Tunesien, 1930, 680er Silber, 20 Gramm, 35 mm) – Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.


Die größte Silbermünze in Tunesien war zu dieser Zeit ebenfalls ein 20-Franken-Stück. Legierung und Gewicht entsprechen wieder dem französischen Vorbild. Auf der Vorderseite wird eine arabische Inschrift von zwei Zeigen gefasst. Sie bezeichnet das einheimische Staatsoberhaupt, die Landesbezeichnung, den Nennwert und das Ausgabejahr. Auf der Rückseite zieren Arabesken den französischen Landesnamen, die Wertangabe und das Ausgabejahr. Die Vorlagen zeichneten Henri Dubois und Edmond-Émile Lindauer.


50 Piastres (Libanon, 1929, 680er Silber, 10 Gramm, 28 mm) – Bildquelle: Numismatic Guaranty Company.


Ähnliche kunstvoll gestaltete Münzen erschienen zugleich im Libanon und in Syrien, welche nach dem Ersten Weltkrieg zu französischen Mandatsgebieten erklärt wurden. Die höchste Wertstufe im Libanon war ein 50-Piastres Stück. Auf der Vorderseite ist oberhalb der zweisprachigen Staatsbezeichnung eine Libanonzeder abgebildet. Die Rückseite zeigt zwei Füllhörner und die Wertangabe, ebenfalls zweisprachig. Der Entwurf kam von Lucien Bazor, dem langjährigen Chefgraveur der Monnaie de Paris.



50 Piastres (Syrien, 1929, 680er Silber, 10 Gramm, 28 mm) – Bildquelle: Katz Auctions, Auction 67, Lot 2724.


Dieselbe Wertstufe für das französische Mandatsgebiet Syrien zeigt den Nominalwert in einer verzierten Kartusche. Zwischen den Staatsbezeichnungen in Arabisch und Französisch. Auf der Rückseite ist über einer reich verzierten Rosette erneut die arabische Staatsbezeichnung zu lesen. Unter der Rosette befindet sich das Prägedatum in zweifacher Ausführung. Der Medailleur ist in diesem Fall wieder Lucien Georges  Bazor.     


100 Francs (Neue Hebriden, 1966, 835er Silber, 25 Gramm, 37 mm) – Bildquelle: Numista, Poc.


Nach dem Zweiten Weltkrieg zerfiel das Kolonialreich allmählich. Zu Silberprägungen kam es nur noch vereinzelt. Gab es in den verbliebenen, nun als Departements in Übersee bezeichneten Territorien überhaupt eine eigene Währung, so wurden die Münzen in unedlen Metallen produziert. Eine Ausnahme ist das für den regulären Umlauf hergestellte 100-Franken-Stück für die Neuen Hebriden aus dem Jahr 1966. Auf der Vorderseite sind ein Porträt der Marianne mit phrygischer Mütze und die Staatsbezeichnung zu sehen. Die Rückseite zeigt den Oberteil eines traditionellen Zeremonialstabes mit menschlichem Antlitz. Die Umschrift gibt die Wertbezeichnung sowie den Namen des Departements wieder, für das die Münze hergestellt worden ist. Entworfen wurde die modern gestaltete Münze von dem französischen Bildhauer und Medailleur Raymond Joly. Im Sommer 1980 erhielt die melanesische Inselgruppe ihre Unabhängigkeit. Heute trägt der Staat die Bezeichnung Vanuatu.


500 Francs (Westafrikanische Staaten, 900er Silber, 25 Gramm, 37 mm) – Bildquelle: Katz Auctions, Auction 86, Lot 2219.


Die Kolonialzeit überdauert hat der sogenannte CFA-Franc der westafrikanischen Staaten. Die ehemalige Währungseinheit von Französisch Westafrika gilt auch heute noch in acht ehemaligen Kolonien und ist an dem Französischen Franc bzw. Euro gekoppelt. Die neuen Münzen sind zwar aus unedlen Metallen. Sonderausgaben erscheinen aber auch in Silber. Erste derartige Ausgabe war ein 500-Franken-Stück zum zehnten Gründungsjubiläum der Zentralbank im Jahre 1972. Die Vorderseite zeigt das Emblem der Bank - ein traditionelles Goldgewicht der Ashanti. Die Rückseite gibt die Insignien der beteiligten Länder wieder. Auch dieses Stück hat Raymond Joly entworfen.


Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

  1. David K. Fieldhouse: Das Kolonialreich seit dem 18. Jahrhundert; Reihe: Weltbild Weltgeschichte, Band 29; Augsburg 1998, S. 254.

  2. Ebenda.

  3. Ebenda, S. 167.

  4. Tyler Rossi: The Piastre in French Indochina;  auf: coinweek.com, 21.02.2023.

  5. Ebenda.

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