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Helmut Caspar

Paduaner - Geprägte Antiken aus Padua

Antike Münzen werden seit etwa 600 Jahren gesammelt. Fürsten, Patrizier und Gelehrte fanden Gefallen an den Geprägen der römischen Kaiser, die als direkte Vorgänger der aktuell regierenden römisch-deutschen Kaiser angesehen wurden. Hat man bisher im gotischen Stil gebaut, so entdeckte man in der Renaissance die Architektur der alten Römer und Griechen als vorbildlich für Paläste, Kirchen, Denkmäler und andere repräsentative Bauten. Maler und Bildhauer schufen realistische Porträts und erfanden neue Sujets, Gelehrte sammelten und publizierten die Schriften antiker Autoren. Münzen und das damals neu entwickelte Genre der Medaillen orientierten sich an antiken Formen und Themen und entwickelten sie fantasievoll weiter.


Die Bronzemedaille mit dem Porträt des Julius Caesar und dem berühmten Zitat VENI VIDI VICI (Ich kam ich sah ich siegte) ist ein Erfindung des 16. Jahrhunderts.


Man bemühte sich um die wenigen originale Münzen, denn die großen Funde mit den wunderbaren Darstellungen des Götterhimmels der Griechen und Römer und Bildnissen von Königen und Kaisern waren noch nicht gemacht. Zeitgleich begann die Geschichte der Münzfälschung zum Schaden der Sammler. Sie muss von der Falschmünzerei unterschieden werden, mit der Betrüger zum Schaden des Staates und der Gesellschaft mit schlecht legiertem und am Rand beschnittenem Geld aus Gold und Silber Profit zu machen versuchten. Das Thema wird ausführlich in der bis zum 21. September 2025 laufenden Ausstellung „Lange Finger – falsche Münzen. Die dunkle Seite der Numismatik“ und einem dazu gehörigen Buch behandelt.


Nach dreijähriger Schreckensherrschaft wurde Kaiser Caligula (genannt Stiefelchen) ermordet. Der von Cavino geschaffene Sesterz zeigt ihn, wie er vor seinen Soldaten eine Ansprache hält.


Was tun, wenn echte und alte Münzen nicht im Angebot sind, aber man sie unbedingt haben will, um die Serie der römischen Kaiser möglichst vollständig sein eigen nennen zu können? Wie immer in solchen Fällen, fanden sich hilfreiche Stempelschneider und Goldschmiede und beschafften geprägte Nachbildungen oder erfanden neue Motive. Berühmt wurden die Werke des in Padua tätigen Goldschmieds, Stempelschneiders und Medailleurs Antonio Cavino (1500 bis 1570). Der Herkunftsort gab seinen Arbeiten den Namen Paduaner. Die geprägten oder gegossenen Arbeiten aus Bronze und Silber, meist in der Größe römischer Sesterzen, waren zu ihrer Zeit begehrt und erzielen heute, da sie inzwischen als eigenständige künstlerische Werke der Renaissance anerkannt und wegen ihres besonderen Hintergrunds geschätzt werden, ähnliche Preise wie die Originale.


Bei seinen Medaillen orientierten sich Antonio Cavino und Kollegen an bewährten Vorbildern, hier eine silberne Arbeit auf den Kaiser Titus, die auf der Rückseite das Kolosseum in Rom zeigt.


Die Medaille von Cavino auf den 69 nach Christus durch Selbstmord geendeten Kaiser Otho ist einem seiner Denare oder goldenen Aurei nachempfunden. Bronzeprägungen hat dieser enge Freund von Kaiser Nero nicht hinterlassen.


Warum die Paduaner in Fälschungsabteilungen numismatischer Sammlungen fehl am Platze sind und welche eigenständigen Kunstwerke sich unter ihnen befinden, dokumentiert das Buch „All’ antica – Die Paduaner und die Faszination der Antike“ (Battenberg Gietl Verlag, Regenstauf 2018). Herausgegeben von Michael Matzke im Auftrag des Historischen Museums Basel und der Numismatischen Gesellschaft Speyer e. V., ist das voluminöse, hervorragend mit Fotos von Alwin Seiler ausgestattete Referenzwerk weitaus mehr als ein bloßer Katalog mit Nummern, Bildern und Beschreibungen. Die Beiträge von Lucas Burkart, Jürgen Kraut, Michael Schaffner und dem Herausgeber analysieren die in der Art und im Geist der Antike geschaffenen Medaillen im Besitz des Historischen Museums Basel.


Einem Sesterzen des Kaisers Commodus nachempfunden ist diese Arbeit aus Padua. Als dieser Kaiser 192 nach Christus ermordet wurde, hat man seinen Namen aus Schriften und Bauwerken getilgt.


Das Buch mit Angaben über 450 Stücke sowie einem Stempelverzeichnis und Register macht mit einem ungewöhnlichen, in der schweizerischen Stadt nicht vermuteten Bestand bekannt und belegt die einzigartige Qualität der Medaillen, die Zierde einer jeden Sammlung von Werken der Renaissance sein müssten, es aber wegen ihres besonderen „Ruchs“ vielfach nicht sind. Sie von dem Verdacht zu befreien, sie seien nur zum Zweck der Täuschung von Sammlern hergestellt worden, ist Aufgabe dieser ungewöhnlichen Ehrenrettung, zu der das Historische Museum Basel und die Numismatische Gesellschaft Speyer e. V. ihre Kräfte segensreich zusammengeschlossen haben.


Die in dem Buch vorgestellten Medaillen stammen aus dem Nachlass des Sammlers und Leibarztes der Herzöge von Savoyen, Ludovic Demoulin de Rochefort (1515-1582). Der Zeitgenosse des Antonio Cavino verließ den glanzvollen Hof in Turin und ging nach Basel, um ließ sich „in der Ruhe der Gelehrsamkeit dieser Stadt“ niederzulassen, wie es auf seinem Grabmal in der Peterskirche in Basel heißt. Nach seinem Tod gelangte das Erbe in den Besitz von Basilius Amerbach und von dort nach manchen Zwischenetappen ins Museum von Basel. In dessen Sammlung befinden sich nicht nur die an antike Vorbilder angelehnten Paduaner aus Bronze und Messing, sondern auch Medaillen auf Zeitgenossen von Cavino und seiner Kollegen. Viele Stücke sind geprägt, andere gegossen, ziseliert und patiniert. Erfasst sind auch Stücke, die dem Basler Museum im 18. Jahrhundert und später übereignet wurden. Offenbar hat man dort erkannt, dass man herausragende, eigenständige Arbeiten vor sich hat, und das in einer Zeit, als diese noch als dubiose Machwerke abgetan wurden. Prägestempel aus Cavinos Werkstatt wurden einhundert Jahre nach dem Tod des Künstlers nach Paris verkauft und kamen in das Cabinet des Médailles der Bibliothèque nationale de France. Bereits im Jahr 1692 veröffentlichte Claude du Molinet Arbeiten des noch im späten 17. Jahrhundert geschätzten Italieners, weshalb auch mit diesen Werkzeugen angefertigte Stücke in dem Basler Katalog erwähnt werden.


Die Silbermedaille aus der Werkstatt des Antonio Cavino ehrt Kaiser Hadrian mit einer rückseitig abgebildeten Brücke auf vier Säulen.


Die Autoren zeigen an vielen Beispielen und im Vergleich mit ihren Vorlagen, dass die Schöpfungen des Antonio Cavino und anderer hochkarätiger Künstler der italienischen Renaissance ebenso wertvoll und bedeutsam sind wie die antiken Geldstücke, ja dass sie bedeutsam und aussagekräftig als Zeugnisse für die intensive Auseinandersetzung mit der Zeit, Welt und Kunst der Antike sind. Dass sich die Urheber der Paduaner da und dort zu abenteuerlichen Erfindungen und Übertreibungen verstiegen, ist dem Geist der Zeit geschuldet, aber wohl auch ihrem Drang zu noch größerer ästhetischer und technischer Perfektion und dem Bestreben, Ruhm zu erwerben.


Antonio Cavino ahmte sicher nicht nur aus purer Begeisterung zur antiken Geschichte und Kunst die alten Kaisermünzen nach, sondern befriedigte die Nachfrage seiner Zeitgenossen und betrieb damit auch ein recht einträgliches Geschäft. Er mühte sich nicht wie Fälscher und Betrüger, seinen Arbeiten den Anschein zu verleihen, sie würden noch aus der römischen Kaiserzeit stammen. Es gibt auffällige Abweichungen gegenüber den Originalen wie die Verwendung von Silber statt Bronze oder abweichende und untypische Inschriften, die der Meister den Originalen nicht anglich. Neben diesen Stücken schuf Cavino auch fantasievolle Gepräge, für die er keine Vorbilder hatte, sowie solche zu Ehren von Zeitgenossen. Cavino war nicht der einzige Italiener, der auf geniale Weise die Antike adaptierte. Auch andere im erwähnten Katalog über die „Baseler“ Paduaner wie Valerio Belli, Giovanni Boldù, Gian Giacomo Bonzagni, Alessandro Cesati und Vittorio Gambello verdienten mit ähnlichen Arbeiten ihren Lebensunterhalt. Ihnen müssen einschlägige Vorlagen aus der römischen Antike zur Verfügung gestanden haben, vielleicht auch preiswerte Abgüsse.



In der 23jährigen Herrschaft des Antoninus Pius ging im Römischen Reich friedlich zu. Hier überreicht die von Victoria bekränzte Roma dem Kaiser eine Blüte. Das von Cavino geschaffene Stück ist einem Medaillon des Lucius Verus nachempfunden, auf dem Roma dem Kaiser einen Ölzweig reicht.


Bereits im 16. Jahrhundert müssen die Paduaner einigen Ärger verursacht haben, denn nicht jeder kannte ihre eigentliche Historie, und nicht jeder wusste, woher sie kamen. Die Bewertung solcher Arbeiten fiel später günstiger aus. Johann Wolfgang von Goethe, dessen etwa 4.000 Münzen und Medaillen umfassende Sammlung in Weimar erhalten ist und wissenschaftlich aufgearbeitet wird, störte es nicht, dass er auch solche Stücke besaß, im Gegenteil: „Welcher Freund alter Münzkunde macht es sich nicht zur Freude, die Cavinischen Arbeiten zu sammeln, um an der täuschenden Nachbildung sein Gefühl für die Originale immer mehr zu schärfen.“ Der Dichter hatte Recht, denn legt man die antiken Originale und die Arbeiten von Cavino und seiner Kollegen nebeneinander, so fallen die Unterschiede sofort ins Auge. Die Randgestaltung des 16. Jahrhunderts ist gleichmäßiger als es in antiken Münzschmieden möglich war. Es gibt Gewichtsunterschiede und abweichende Größen.


Helmut Caspar



Repros aus dem oben erwähnten Buch und Archiv Caspar

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