Anfang des Jahres 136 erkrankte Kaiser Hadrian so schwer, dass er die Regierungsgeschäfte nur noch mit Mühe bewältigen konnte. Die meiste Zeit verbrachte er nun in seiner Villa bei Tivoli. Da Hadrian keinen leiblichen Erben hatte, war die Nachfolgeregelung in Anbetracht der Schwere seiner Krankheit eine seiner dringendsten Aufgaben. Lange Zeit war Hadrians Schwager Lucius Iulius Ursus Servianus einer der Favoriten für die Nachfolge. Allerdings war Servianus 136 schon im stolzen Alter von neunzig Jahren. Wesentlich jünger und geeigneter war dagegen der Enkel des Servianus, Lucius Pedanius Fuscus Salinator. Astrologen hatten dem Fuscus Salinator auch schon den „Purpur“, d. h. die Kaiserwürde, prophezeit. Entgegen der Voraussage der Gestirne entschied sich Hadrian jedoch ganz anders, wobei die Gründe für Hadrians Wahl seines Nachfolgers nach wie vor unklar sind.
Abb. 1 S, 136, Rom, RIC Hadr. 765f. Bildquelle: https://www.virtuelles-muenzkabinett.de/object?id=ID109.
Der Auserwählte war Lucius Ceionius Commodus aus der Familie der Ceionier, die aus Etrurien stammte. Lucius Ceionius Commodus ist um die Wende des ersten zum zweiten Jahrhundert geboren. Im Jahr 130 war er Prätor, im gleichen Jahr wurde ihm ein Sohn geboren. Dieser wurde 138 von Antoninus Pius adoptiert und 161 unter dem Namen Lucius Verus Mitregent von Marcus Aurelius. Lucius Ceionius Commodus war Senator, besaß aber keinerlei militärische Erfahrung. Im Jahr 136 bekleidete Lucius Ceionius Commodus sein erstes Konsulat. Mitte des gleichen Jahres erfolgte seine Adoption durch Hadrian, gleichzeitig wurde er zum Caesar erhoben. Durch die Adoption wurde Lucius Ceionius in die Familie der Aelier aufgenommen, sein neuer Name lautete nun Lucius Aelius Caesar. Der Beiname Caesar bezeichnete seitdem den potentiellen Thronerben. Anlässlich der Adoption wurden in Rom Zirkusspiele veranstaltet und 300 Millionen Sesterze unter das Volk und das Militär verteilt. Diese Geldspende findet ihren Niederschlag in Prägungen Hadrians mit der Reverslegende "LIBERALITAS AVG VI SC" (Abb. 1).
Auf der Vorderseite unseres Sesterz ist die nach rechts gerichtete, drapierte Büste Hadrians mit Lorbeerkranz abgebildet. Die Averslegende "HADRIANVS AVG COS III PP" nennt das dritte Konsulat Hadrians, das er im Jahr 119 innehatte, und den Titel „pater patriae“ (Vater des Vaterlandes). Diesen Titel nahm Hadrian im Jahr 128 an. Das Rückseitenbild zeigt Liberalitas, die Personifikation der Großzügigkeit und Wohltätigkeit, nach links hin stehend. Wie üblich hält sie in ihrem linken Arm ein Füllhorn und in ihrer vorgestreckten rechten Hand ein Zählbrett.
Nach den Feierlichkeiten begab sich Lucius Aelius unverzüglich nach Pannonien, das Teile des heutigen Ungarn, Österreich und des Westbalkanraumes umfasste, da ihn Hadrian als Statthalter beider pannonischer Provinzen - sowohl Pannonia superior als auch Pannonia inferior - eingesetzt hatte. In diesen beiden Provinzen waren vier römische Legionen stationiert, eine der größten römischen Truppenkonzentrationen zu dieser Zeit. Daher verwundert diese Statthalterschaft des Lucius Aelius etwas, denn er besaß, wie bereits erwähnt, keinerlei militärische Erfahrung.
Abb. 2 As, 137, Rom, RIC Hadr. 2661. Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID1867.
An den Aufenthalt des Lucius Aelius in den beiden Pannonien erinnert das As Abb. 2. Auf seiner Vorderseite zeigt es den nach rechts gerichteten Kopf des Lucius Aelius mit der Legende "L AELIVS CAESAR". Wie Hadrian trägt Lucius Aelius einen Vollbart, der ebenso gelockt ist wie die Haarkappe. Die Stirn ist leicht gewölbt, das Auge liegt tief und die Wange ist lebendig modelliert. Auf der Münzrückseite ist eine nach links gewandte weibliche Figur dargestellt. Diese ist mit einem langen, tunikaartigen Gewand bekleidet. Darüber trägt sie einen Mantel, der wohl auf der rechten Schulter mittels einer Fibel zusammengehalten wird und von dort nach hinten und zur Seite herabfällt. Gelegentlich wird dieser Mantel als Paludamentum identifiziert. Mit ihrer linken Hand rafft unsere Figur auf Hüfthöhe diesen Mantel. Mit ihrer rechten Hand hält sie ein Vexillum, ein Feldzeichen. Beiderseits der Figur verläuft die Inschrift "PANN-ONIA / S - C". Damit ist die Figur eindeutig benannt, es handelt sich um die Personifikation Pannoniens. Erst unter Traianus Decius (249 - 251) werden beide pannonische Provinzen im Münzbild dargestellt. Das Vexillum als Attribut der Pannonia weist auf die enorme militärische Bedeutung Pannoniens hin. Die restliche Legende unseres As "TR POT COS II" verweist auf die „tribunicia potestas“ des Lucius Aelius, die dieser am 10. Dezember 136 antrat, und auf sein zweites Konsulat, das er im Jahr 137 bekleidete.
Abb. 3 As, 137, Rom, RIC Hadr. 2700. Bildquelle: http://www.mkfrankfurt.uni-frankfurt.de/object?id=ID2059.
Die Legende der Rückseite des As Abb. 3 verweist auch wieder auf die „tribunicia potestas“ und das zweite Konsulat des Lucius Aelius. Das Rückseitenbild des As zeigt Spes, die Personifikation der Hoffnung, insbesondere der Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang. Gemeint könnte in unserem Fall die Hoffnung auf einen „guten“ Nachfolger sein. Spes ist in der seit Claudius gewohnten Manier dargestellt: eine nach links gewandte junge Frau, bekleidet mit einem Chiton; in ihrer erhobenen rechten Hand hält sie eine Blüte, mit der gesenkten Linken rafft sie ihr Gewand. Auf dem Avers ist der nach rechts gerichtete Kopf des Lucius Aelius abgebildet. Auf den ersten Blick vermeint man, hier ein Hadrian-Porträt zu sehen. Das eher rundliche Kopfprofil gleicht dem des Hadrian, es fehlt lediglich die Locke über der Stirn. Erst die Umschrift "L AELIVS CAESAR" benennt den Dargestellten eindeutig. Bei diesem As wird durch die Porträtähnlichkeit bewusst eine enge familiäre Verwandtschaft impliziert, die de facto nicht vorhanden war.
Abb. 4 AV, 137, Rom, RIC Hadr. 2715. Bildquelle: https://www.univie.ac.at/ikmk/object?id=ID759.
Die beiden Aurei Abb. 4 und Abb. 5 unterscheiden sich nur minimal. Während auf dem Avers des Aureus Abb. 4 der Kopf des Lucius Aelius nach rechts gerichtet ist, ist die drapierte Büste auf dem Aureus Abb. 5 nach links gerichtet. Auf beiden Aurei ist das Kopfprofil nicht rund wie bei dem As Abb. 3, sondern in die Länge gezogen, wie wir es später von Marcus Aurelius, Lucius Verus und Commodus kennen. Laut der „Historia Augusta“, einer zwar unzuverlässigen, aber leider für diese Zeit oftmals die einzige historische Quelle, soll Lucius Aelius wegen seiner Schönheit und seiner Anmut die Gunst Hadrians erworben haben. Diese Schönheit spiegeln zumindest die Münzporträts nicht wider. Der Revers beider Aurei zeigt jeweils die gleiche Personifikation, die auf dem Aureus Abb. 5 auch klar mit Concordia benannt wird. Concordia sitzt nach links gerichtet auf einem thronartigen Stuhl, in der vorgestreckten Linken hält sie eine Patera, eine Opferschale, ihr rechter Arm liegt auf der Thronlehne. Die Füße der Concordia ruhen auf einem niedrigen Fußschemel. Rechts neben dem Thron steht ein Füllhorn. Concordia ist die Personifikation der Eintracht, hier ist sicherlich die Eintracht innerhalb des Kaiserhauses gemeint.
Abb. 5 AV, 137, Rom, RIC Hadr. 2624. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203551.
Unser letztes Beispiel, wiederum ein Aureus (Abb. 6), zeigt auf der Vorderseite die nach rechts gerichtete drapierte Büste des Lucius Aelius und die gewohnte Legende. Auch die Rückseitenumschrift bleibt in dem gewohnten Muster, neu ist die dargestellte Personifikation, die hier auch wieder durch die Beischrift „PIE - TAS“ benannt wird. Die verschleierte Pietas steht nach rechts hin. Während ihre rechte Hand nur nach vorne gestreckt ist, hält sie in der linken eine Acerra, ein kleines Weihrauchkästchen. Rechts vor Pietas steht ein kleiner Rundaltar, der seitlich mit Girlanden geschmückt ist, und auf dem drei rundliche Gebilde dargestellt sind. Pietas ist die Personifikation der Pflichterfüllung gegenüber den Göttern, dem Staat und dem Volk und gegenüber der Familie.
Abb. 6 AV, 137, Rom, RIC Hadr. 2713. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18273133.
Spes, Concordia und Pietas sind Personifikation, die auf eine glückliche Zukunft, in unserem Fall auf eine erfolgreiche Nachfolge des amtierenden Kaisers verweisen. Es handelt sich hierbei allerdings um keine außergewöhnlichen Darstellungen und Aussagen, sondern alles bleibt in einem ganz gewohnten, man möchte fast sagen, in einem pflichtmäßigen Rahmen. In der gesamten Für-Prägung Hadrians für Lucius Aelius Caesar fehlen jedoch jegliche militärische Themen. Dies ist für einen designierten Thronfolger äußerst ungewöhnlich, hatte doch die Geschichte schon gezeigt, dass das Militär der Kaisermacher sein kann. Diese zögerliche Propagierung des designierten Nachfolgers Hadrians in der stadtrömischen Münzprägung könnte sich darauf zurückführen lassen, dass Hadrian - laut „Historia Augusta“ - die Adoption des Lucius Aelius schon bald bereut haben soll. Denn Lucius Aelius war schon zum Zeitpunkt der Adoption krank, nach dem römischen Historiker Cassius Dio soll Lucius Aelius schon vor seiner Designation öfter Blut gespuckt haben. Der Krankheitszustand des Lucius Aelius scheint sich immer weiter verschlechtert zu haben. Als Hadrian erkannte, dass Lucius Aelius ihn nicht oder nicht lange überleben würde, soll er nach der „Historia Augusta“ gesagt haben: „Mir scheint, ich habe keinen Sohn, sondern einen Divus adoptiert.“ Gleichzeitig soll Hadrian auch die hohen Ausgaben für die Feierlichkeiten der Adoption bedauert haben. Noch vor Ende des Jahres 137 kehrte Lucius Aelius aus Pannonien nach Rom zurück. Als er am 1. Januar 138 eine Rede vorbereitete, um den Kaiser zu beglückwünschen, erlitt er einen Blutsturz und starb. Er wurde aber erst 139 im Mausoleum des Hadrian, der heutigen Engelsburg, beigesetzt, aber nicht divinisiert. Möglicherweise litt und starb Lucius Aelius an einer Lungentuberkulose, einer Krankheit, die wohl auch zum Tode Hadrians führte. Hadrian überlebte Lucius Aelius nur ein knappes halbes Jahr, er starb am 10. Juli 138. Bereits im Februar 138 hatte er seinen Nachfolger Antoninus Pius adoptiert.
Horst Herzog
Rainer Pudill
Hadrian in Ägypten im Spiegel numismatischer Quellen
Titel: Battenberg Verlag
ISBN: 978-3-86646-158-1
Auflage: 1. Auflage 2018
Format: 17 x 24 cm
Abbildungen: durchgehend farbige Abbildungen
Cover-Typ: Hardcover
Seitenanzahl: 168
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