Auf der Grundlage des von Wolfgang J. Mehlhausen verfassten Buches „Handbuch Münzensammeln“ möchten wir in mehreren Teilen einen Leitfaden für das Münzensammeln veröffentlichen – für bereits Aktive und die, die es werden wollen, denn Nachwuchs ist wie überall, wichtig!
Im Jahr 2012 gab es eine europaweite 2-Euro-Münzenserie zum Thema 10 Jahre Euro-Bargeld. Die Bürgerinnen und Bürger sollten dazu ihre Vorschläge einreichen. Man staunt, wie schnell die Zeit vergangen ist. 2016 erschien eine weitere Europa-Serie auf die EU-Flagge, die noch umfangreicher geworden ist, weil dann auch alle baltischen Länder im Euro-System integriert wurden.
Als das neue Geld in Münzen- und Geldscheinform an die Bürgerinnen und Bürger ausgegeben wurde, herrschte keineswegs Euphorie. Die meisten in Deutschland hätten lieber ihre gute alte DM behalten. Das neue Münzgeld sollte bei uns ab 17.12.2001 in Form von Beuteln im Gegenwert von 20 DM in den Verkehr kommen. Immerhin hatte man 53 Millionen Stück davon hergestellt, doch diese „Münztüten“ waren schnell weg. Es wird vermutet, dass sie willkommene Weihnachtspräsente darstellten und deshalb gehortet wurden. Noch vor Weihnachten setzte zugleich eine kräftige Tauschaktion ein: A gegen D und F gegen alle... Sammlerinnen und Sammler wollten „sortenreine“ Tüten mit den fünf Münzbuchstaben haben, und in der Regel gleich alle 5. Der Münzhandel gab in der Öffentlichkeit Erklärungen ab, dass bei den Beuteln Wertsteigerungen eigentlich nicht zu erwarten sind, aber alles nützte nicht. Die privaten Geschäftsbanken mussten zusätzlich eigene Münzbeutel herstellen und an die wartenden Kundinnen und Kunden ausgeben.
Gleich im neuen Jahr zeigte sich, dass das Interesse der Leute an den neuen Münzen außerordentlich groß war. Man berichtete sich gegenseitig, wenn man neben den deutschen Münzen endlich mal ein fremdes Stück als Wechselgeld erhielt. Besonders an Flughäfen, Tankstellen und Bahnhöfen mit Auslandsverkehr konnte man mit etwas Glück einen Euro aus Frankreich oder 50 Cent aus den Niederlanden bekommen. Der professionelle Münzhandel indes hatte auch nicht geschlafen und bot bald lose wie kunstvoll verpackt die Münzen der meisten Euro-Länder an. Dabei gab es Überraschungen, denn einige Staaten hatten nicht nur Stücke mit 2002, sondern auch mit den Jahren davor geprägt. In fast allen Boulevardzeitungen und Magazinen waren schnell Massen von Annoncen zu finden. Selbst Lebensmitteldiscounter führten bald entsprechende Münzalben zum Sammeln des „Kleingelds“.
Die meisten Leute rechneten noch geraume Zeit ihre Preise in DM um und die Politikerinnen und Politiker beteuerten immer wieder, dass die Preissteigerungen bei der Umstellung nur „gefühlt“, aber nicht statistisch belegt sind. Trotz alledem: der Euro schien nun vielen Menschen interessant als Sammelobjekt. Alle Münzhändler berichteten von ganz neuen Kunden, die nach „Starterkits“ (wie man plötzlich die Beutel nannte) aus anderen Ländern fragten. Manche Neukunden staunten, wie „billig“ die 3,88-Euro-Serien im Handel waren, im Vergleich zu anderen „Quellen“. Als dann noch die Sonder- und Gedenkmünzen in den Zeitschriften und im Fernsehen als Wertanlage angepriesen wurden, stiegen die Preise dramatisch.
Scheinbar unbezahlbar waren bald die Münzen der „Kleinstaaten“ San Marino, Monaco und Vatikan. Der Kirchenstaat hatte seine Euro-Kursserien an alte Abonnenten weiter zu den ganz moderaten Preisen ausgeliefert, aber verkaufen konnte man sie für ein paar Hundert Euro. Die Preise stiegen bald auf 1.000 Euro. Bei San Marino gab es 120.000 Serien von 2002, auch hier gaben Leute 250 Euro und mehr für die konfektionierten Münzen aus. Ursache für diese Preisentwicklung waren die kleinen Auflagen für die Münzen der drei Zwergstaaten Europas, deren Münzvolumen vertraglich begrenzt ist. Es gibt nun Veränderungen bei den Prägekontingenten, aber die Chance, eine Münze des Vatikans im Discounter an der Kasse zu finden ist weiterhin „0“. In Monaco wird heute ein „einheimischer“ Euro für 13 Euro an Touristen verkauft.
Schon nach einigen Jahren beruhigte sich die „Sammlerleidenschaft“ bei vielen neuen Münzliebhabern. Manche erfreuen sich an dem, was sie im Geldverkehr finden konnten und kauften höchstens mal 1- und 2-Cent-Stücke aus Finnland auf dem Flohmarkt dazu, andere sahen schnell ein, dass sie nie im Leben alles das, was allein 2002 an Euro-Gedenkmünzen und Original-Kursserien herauskam, erwerben können. Das berühmte „Strohfeuer“ erlosch, aber der Handel war dennoch zufrieden, denn eine ganze Menge jüngerer und gut verdienender, geschichtsinteressierter Sammelinteressierter war übrig geblieben, suchte den fachlichen Rat und entsprechende Münzen.
Durcheinander bei Euro-Gedenkmünzen
Die Bargeldeinführung des Euro war eine logistische Meisterleistung. Es kam zu keinen nennenswerten Pannen. Viele bemerkten aber erst im Laufe des Jahres 2002, dass die Europäische Zentralbank EZB vieles, aber längst nicht alles klar geregelt hat. Sinn einer Währungsunion und Gemeinschaftswährung ist, dass man mit dem gleichen Geld im gesamten Währungsraum bezahlen kann. Bei den Geldscheinen trifft dies zu, bei den Münzen jedoch nicht. Denn die Gedenkmünzen, so stellte sich heraus, konnte jeder machen „wie er lustig“ ist.
Es gab keine Festlegungen von verbindlichen Standards, weder zu Nominalwerten noch zu Metallen, Legierungen und Parametern, wie Masse und Durchmesser, Form und bildliche Darstellungen. Dies hatte man schlicht vergessen oder einfach keinen Handlungsbedarf gesehen.
Das Entscheidende ist jedoch: Die Gedenkmünzen sind nur im Ausgabeland „Geld“ und können nicht in anderen Ländern in Zahlung gegeben werden. In der Praxis machten nun die Zentralbanken der EU wirklich, was sie wollten. Dabei wurden nicht einmal Empfehlungen der EZB eingehalten. Sie bat darum, dass das Nominal von 5 Euro nicht durch Gedenkmünzen belegt, sondern für spätere Kursmünzen freigehalten werden sollte.
Österreich prägte prompt Silberstücke mit 800er Silber als 5-Euro-Münzen, auch aus Finnland gibt es solche als Bimetallausgaben. Frankreich gab 1⁄4 Euro-Münzen, nicht etwa 25-Cent-Stücke heraus, in Kupfernickel, Silber und sogar Gold. Als Slowenien dem „Euroclub“ 2007 beitrat, erfreute es die Sammlerwelt mit einem 3-Euro-Stück in Bimetall und 30 Euro in Silber. Was die Auflagen angeht, so gibt es auch hier nicht im Ansatz eine vernünftige Regel für alle Euroländer. Frankreich gab schon mal 5.000-Euro-Stücke in Gold heraus mit nur 29 Stück Auflage. Alles in allem ist dieses Durcheinander kaum zu überschauen und schon gar nicht zu verstehen. Man muss befürchten, dass die Lage sich durch den Beitritt weiterer Länder zur Euro-Zone nicht verbessert.
Bleibt an dieser Stelle noch übrig zu wiederholen, dass man selbst bei den Euromünzen ohne eine gewisse Spezialisierung und Beschränkung selbst mit viel Geld nicht weit kommt und ohne Hilfsmittel wie Kataloge oder Zeitschriften schnell den Überblick verliert.
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