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Iulia Maesa, die Kaisermacherin

Neben Iulia Domna, der Ehefrau des Septimius Severus, war ihre ältere Schwester Iulia Maesa die bedeutendste der severischen Kaiserfrauen. Die Schwestern entstammten einer vornehmen und einflussreichen Familie aus dem syrischen Emesa, dem heutigen Homs. Ihr Vater war Julius Bassianus, Hohepriester des Gottes Elagabal in Emesa. Iulia Maesa hatte aus ihrer Ehe mit Iulius Avitus Alexianus zwei Töchter: Iulia Soaemias Bassiana, die Mutter des Varius Avitus, uns besser bekannt unter dem Namen Elagabal, und Iulia Avita Mamea, die Mutter des Bassianus Alexianus, dem späteren Kaiser Severus Alexander. Während der Herrschaft des Septimius Severus und des Caracalla lebte Iulia Maesa mit ihrer Familie am Kaiserhof. Nach der Ermordung Caracallas und dem Selbstmord der Iulia Domna musste Iulia Maesa 217 auf Befehl des neuen Kaisers Macrinus in ihre Heimatstadt Emesa zurückkehren.

Abb. 1 D, Rom, 218/219, RIC Elag. 254. Bildquelle: https://numid.uni-koeln.de/object?id=ID938.


Glaubt man dem zeitgenössischen römischen Historiker Herodian, war Iulia Maesa die treibende Kraft hinter der Revolte der in der Nähe von Emesa stationierten Legio III Gallica und der damit verbundenen Erhebung ihres älteren Enkels Varius Avitus zum Kaiser. Allerdings sei hier angemerkt, dass der zweite zeitgenössische Historiker Cassius Dio den Einfluss Maesas negiert und die Kaiserproklamation einem sonst unbekannten Mann namens [Eutychianus] Gannys zuschreibt. Die moderne Forschung sieht in jedem Fall eine mehr oder weniger große Einflussnahme von Iulia Maesa. Während der Regierungszeit Elagabals war Iulia Maesa die „graue Eminenz“ im Hintergrund, der sich Elagabal immer mehr zu entziehen suchte. Als jedoch im Lauf des Jahres 221 der Rückhalt für Elagabal bei den Prätorianern, dem Militär insgesamt und dem römischen Volk immer mehr schwand, sorgte Iulia Maesa dafür, dass Elagabal seinen jüngeren Vetter Bassianus Alexianus adoptierte und zum Caesar ernannte. Diese Aktion sorgte allerdings nur für eine kurze Besserung der Lage. Als sich diese weiterhin verschlechterte, wandte sich Iulia Maesa von Elagabal ab und ihrem jüngeren Enkel zu. Nach der Ermordung Elagabals und seiner Mutter Iulia Soaemias wurde am 13. August 222 Severus Alexander vom Heer zum Kaiser ausgerufen und einen Tag später erhielt er vom römischen Senat den Titel Augustus. Iulia Maesa, die ihren zwei Enkeln zum Kaiserthron verholfen und damit das Fortleben der severischen Dynastie bis 235 gesichert hat, starb wohl 224, nach ihrem Tod erfolgte die Consecratio durch Severus Alexander.


In der Münzstätte Rom werden während der gesamten Regierungszeit des Kaisers Elagabal Münzen für Iulia Maesa geprägt. Diese nehmen unter der Gesamtprägung Elagabals einen sehr großen Raum ein. Jüngst hat Clare Rowan in einer Studie bei 56 Münzhorden der severische Periode mit rund 67.000 Münzen die Anteile der severischen Kaiserfrauen an der Gesamtprägung der severischen Kaiser untersucht. Der Anteil der Prägungen für Iulia Maesa an der Gesamtprägung Elagabals beträgt demzufolge 18 Prozent. Das entspricht genau dem Prozentsatz von Iulia Domna unter Septimus Severus und annähernd dem unter Caracalla (17%). Für die Mutter Elagabals Iulia Soaemias liegt der Prozentsatz nur bei sieben Prozent. Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll den enormen Stellenwert der Prägungen Elagabals für Iulia Maesa und damit wohl auch ihre große Bedeutung während seiner Herrschaft.

Abb. 2 A, Rom, 219, RIC Elag. 264. Bildquelle: http://ikmk.uni-mannheim.de/object?id=ID33.


Die Münzen für Iulia Maesa sind nicht datiert. Sie lassen sich jedoch durch einige äußere Indizien in eine ungefähre zeitliche Abfolge bringen. So endet gegen Ende des Jahres 219 die Prägung von Antoninianen, d. h. Serien, die auch solche beinhalten, müssen vor diesem Zeitpunkt entstanden sein, so z. B. der Antoninian Abb. 2. Im Lauf des Jahres 220 erscheint auf fast allen stadtrömischen Prägungen Elagabals auf dem Revers im Feld ein Stern, d. h. Münzen mit Stern gehören in den Zeitraum 220 bis 222 (Abb. 6). Das Rücksei-tenbild einer Maesa-Prägung mit der Legende "LAETITIA PVBL" entspricht exakt dem des Elagabal, so dass beide Prägungen gleichzeitig entstanden sein dürften.


Zu diesem zeitlichen groben Gerüst geben uns die Münzporträts von Iulia Maesa weitere Hinweise für eine Feinjustierung. Der Denar Abb. 1 zeigt auf seinem Avers die Umschrift "IVLIA MAESA AVG" - Iulia Maesa erhält den Augusta-Titel spätestens ab Mitte 218 - und die drapierte Büste von Iulia Maesa nach rechts. Sie trägt die für die severischen Kaiserfrauen typische Frisur. Ausgehend von einem Mittelscheitel fallen die Haare in feinen Wellen, die das Ohr komplett verdecken, zur Seite und nach hinten, wo sie im Nacken zu einem Flechtenoval zusammengenommen sind. Die relativ hohe Stirn ist nur wenig strukturiert. Die Gesichtsoberfläche zeigt wenig Bewegung, lediglich die Nasolabialfalte und die Falte am Mundwinkel setzen hier Akzente. Auffallend ist das tiefliegende Auge. Insgesamt betrachtet ähnelt dieses Bild dem der jugendlichen Iulia Domna, so dass durch diese Ähnlichkeit das Verwandtschaftsverhältnis und die Zugehörigkeit zur severischen Familie unterstrichen werden.

Abb. 3 D, Rom, 219/220, RIC Elag. 249. Bildquelle: https://numid.uni-mainz.de/object?id=ID1063.


Ein ähnliches Bild zeigt uns der Antoninian Abb. 2, wobei hier das Flechtenoval etwas größer ausfällt, und - typisch für Antoniniane - die mit einem Diadem geschmückte Büste auf einer Mondsichel steht.

Bei dem Denar Abb. 3 ist nun eine augenfällige Änderung gegenüber dem anfänglichen Münzporträt zu beobachten: aus dem Flechtenoval ist ein Flechtennest geworden, und es sind deutliche Alterszüge, wie z. B. Ansätze eines Doppelkinns, erkennbar. Das Flechtennest wird bei den restlichen Prägungen für Iulia Maesa beibehalten, gegen Ende der Regierungszeit Elagabals scheint das Nest jedoch etwas kleiner zu werden.

Abb. 4 S, Rom, 220, RIC Elag. 414. Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID1660.


Noch markanter treten die Alterszüge bei dem Sesterz Abb. 4 hervor. Auch wenn hier die Oberfläche stark abgegriffen ist, ist das Doppelkinn deutlich zu erkennen. Eine nochmali-ge Steigerung sehen wir auf dem Denar Abb. 5. Gesicht und Stirn werden faltiger, das Doppelkinn ist ausgeprägt wiedergegeben. Da auf den Rückseiten dieser „Altersprägungen“ der Stern fehlt, müssen diese Münzserien spätestens Anfang 220 entstanden sein.

Abb. 5 D, Rom, 220, RIC Elag. 268. Bildquelle: https://numid.uni-koeln.de/object?id=ID939.


Abb. 6 D, Rom, 221/222, RIC Elag. 271. Bildquelle: https://mk-marburg.ikmk.net/object?id=ID593.


Mit dem Denar Abb. 6 nähern wir uns dem Ende der Regierungszeit Elagabals an. Das Flechtnest fällt kleiner aus und ist nicht mehr so fein strukturiert wie bei den vorherge-henden Münzen. Zugleich werden die Alterszüge etwas zurückgenommen.


Wie kommt es nun im Lauf des Jahres 219 zu diesem plötzlichen Wandel von einem eher zeitlosen Porträt zu dem einer älteren Frau? Im Spätsommer 219 heiratet Elagabal Iulia Paula. Mit dieser Heirat gibt es in der kaiserlichen Familie drei Frauen mit dem Augusta- Titel: die Ehefrau Elagabals Iulia Paula, dessen Mutter Iulia Soaemias und seine Großmutter Iulia Maesa. Diese vertreten drei Generationen, die dann natürlich auch im Münzbild als solche ersichtlich sein sollten. Der letztendliche Beweis hierfür lässt sich selbstverständlich nicht erbringen.


Die Revers-Bilder der Prägungen für Iulia Maesa halten sich ganz in dem Rahmen, wie er einer Kaiser-Mutter und in unserem Fall einer Kaiser-Großmutter zukommt: Iuno (Abb. 1) war nicht nur Teil der kapitolinischen Trias, sondern auch die Göttin der Frauen und der Ehe. Pietas (Abb. 2 u. 4) ist die Personifikation des pflichtgerechten Verhaltens gegenüber den Göttern, den Verwandten und gegenüber dem Vaterland. Fecunditas (Abb. 3) ist die Personifikation der Fruchtbarkeit, insbesondere die der Kaiserinnen. Pudicitia (Abb. 5) ist die Personifikation der ehelichen Keuschheit. Die Darstellungen der Iuno und der genannten Personifikationen entsprechen gängigen Typen auf römischen Münzen. Dagegen findet sich der Bildtyp der Felicitas (Abb. 6) mit der Legende "SAECULI FELICITAS" erstmals auf Prägungen Caracallas für Iulia Domna. Felicitas steht hier als Personifikation für den Wohlstand des Jahrhunderts.


Die ungewöhnliche, nahezu unmittelbar nach der Machtübernahme Elagabals erfolgte Verleihung des Augusta-Titels für seine Großmutter und die hohe Anzahl ihrer „Für-Prägungen“ zeigen eindrucksvoll den großen Einfluss von Iulia Maesa sowohl zu Beginn, als auch für die gesamte Dauer der Regierung Elagabals.


Horst Herzog


Abkürzungen:

A Antoninian

D Denar

RIC Roman Imperial Coinage. Spink & Son, London 1923 ff.

S Sesterz

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