Im Dienst der Besatzer: Richard Placht und das Wiener Hauptmünzamt von 1938 bis 1945
- Helmut Caspar
- vor 6 Tagen
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Münz- und Medaillenstempel gehören zu den seltensten Objekten, die im Münzhandel auftauchen. In der Regel wurden diese Stahlwerkzeuge nach Gebrauch unbrauchbar gemacht – entweder durch Abschleifen der Gravuren oder durch gezielte Hammerschläge, um Missbrauch vorzubeugen. Manche Stempel erhielten neue Gravuren und kamen erneut zum Einsatz. Nur ganz vereinzelt haben sich auch ältere Werkzeuge aus Bronze oder Eisen erhalten, wie sie im Altertum und Mittelalter bei der Hammerprägung verwendet wurden.

Matrize / Vorderseitenstempel für Jaeger 360/367 (5 Reichsmark). Aus dem Nachlass Richard Plachts. Die Signatur PRINZ verweist auf den österreichischen Medailleur Josef Prinz (1876–1960), der diesen Stempel augenscheinlich für dessen Verwendung im Wiener Hauptmünzamt überarbeitete. Zudem ist der Stempel datiert (24.8.39). Leu Auktion 20, 18. Oktober 2025, 464. Schätzung: 1.000 CHF.
Heute befinden sich Münz- und Medaillenstempel in erster Linie in Münzkabinetten wie jenen in Berlin, Paris oder Wien, in staatlichen und privaten Prägestätten sowie in einzelnen Privatsammlungen. Dort sind sie gelegentlich in Ausstellungen zusammen mit Modellen, Prägemaschinen und anderem technischen Gerät zu sehen. Erst allmählich erkannte man den historischen und musealen Wert dieser Werkzeuge. In manchen Fällen hob man Stempel auf, um spätere Nachprägungen zu ermöglichen – so etwa die Monnaie de Paris, die zahlreiche Repliken auf dieser Grundlage herstellte und damit zusätzlich Einnahmen erzielte.
Richard Placht und sein Nachlass
In der Auktion 20 bietet die Leu Numismatik AG aus Winterthur am 18. Oktober 2025 fünf bemerkenswerte Prägestempel aus dem Nachlass des österreichischen Medailleurs und Bildhauers Richard Placht (1880–1955) an. Alle Stempel dienten der Ausprägung deutscher Münzen. Unter der kleinen Kollektion findet sich sogar eine Patrize der Reichskreditkassen.
Placht, ausgebildet an der Wiener Akademie der Künste und Schüler u. a. des renommierten Medailleurs Josef Tautenhayn, begann 1904 seine Laufbahn in der Graveurabteilung des Wiener Hauptmünzamtes, deren Leitung er 1916 übernahm. Bekannt wurde er durch seine vielfach gesammelten Bildnismedaillen, Taufplaketten, Sportmedaillen und Kursmünzen. Zu diesen zählen die begehrten 4 Dukaten-Stücke Jugoslawiens mit dem Herrscherpaar, Proben für die chinesischen «Junk-» und «Mausoleum-Dollars», 50 Lepta Münzen Griechenlands von 1926 sowie die goldenen 100 Kronen-Stücke Österreichs aus den 1920ern.

Kaisertum Österreich-Ungarn. Franz Josef I, 1848-1916. Medaille von 1910 auf den 80. Geburtstag des Kaisers und das Landesfest- und Freischießen auf dem Hauptschießstand "Erzherzog Eugen" in Bozen, Stempel von Richard Placht, Leu Web Auktion 35, 9. Juli 2025, 5267.

Jugoslawien. Aleksandar I. Karađorđević, 1921/9-1934. 4 Dukaten 1931, Stempel von Richard Placht, Leu Web Auktion 33, 15. März 2025, 629.
Neben Plachts Signatur tragen einige der angebotenen Stempel weitere Hinweise auf namhafte Medailleure. Dazu zählen Josef Prinz (1876–1960), der – wie Placht – in Wien die aus Berlin gelieferten Stempel für den Gebrauch nachbearbeiten musste, Alfred Vocke (1886–1944), Oskar Glöckler (1893–1938), Franz Paul Krischker (1896-1955) und der berüchtigte Hans Schweitzer („Mjölnir“, 1901–1980).

Ex. Libris Stempel von Richard Placht bei der KuK Münze Wien 1906. Bild: Plutho, wikimedia commons.
März 1938: Das vorläufige Ende Österreichs
Die historischen Hintergründe, in denen diese Stempel entstanden, sind eng mit der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. Am 12. März 1938 erfolgte der sogenannte „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich – ein Ereignis, das zunächst von vielen mit Jubel begrüßt wurde, für die jüdische Bevölkerung und alle Gegner des NS-Regimes jedoch unmittelbar Verfolgung, Entrechtung und Tod bedeutete.
Schon wenige Tage später, auf Grundlage des „Gesetzes über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 13. März 1938, wurde die Reichsmark in Österreich eingeführt. Der Umtauschkurs wurde auf 1 RM = 1,50 Schilling festgesetzt. Die Geldscheine der aufgelösten Österreichischen Nationalbank wurden im April 1938 eingezogen und durch Reichsbanknoten ersetzt.
Die noch im Umlauf befindlichen Schilling- und Groschenmünzen blieben vorübergehend gültig, verschwanden jedoch bald. Am 25. Mai 1938 wurden schließlich die österreichischen Gold- und Silbermünzen eingezogen und in großen Mengen eingeschmolzen – auch frisch geprägte Ausgaben. Die daraus gewonnenen Edelmetallbarren gingen in den Staatsschatz der Reichsbank über.

Das Hauptgebäude der traditionsreichen Münzstätte Wien bei Nacht. Bild: Werner Wunderl.
Das Wiener Hauptmünzamt unter NS-Herrschaft
Nach dem „Anschluss“ erhielt das Wiener Hauptmünzamt den Münzbuchstaben B, da das A für Berlin vergeben war und das zuvor in Hannover verwendete B seit 1878 frei geworden war. Viele Mitarbeiter empfanden diese Zuweisung als Abwertung.
Die traditionsreiche Wiener Münzprägung mit aufwendigen Gedenkausgaben kam nun weitgehend zum Erliegen. Stattdessen prägte man in Wien, wie auch in den anderen Münzstätten des Reiches, hauptsächlich Kleinmünzen in Pfennig- und Groschenwerten sowie Silbergeld zu 2 und 5 Reichsmark. Letzteres trug das Porträt von Reichspräsident Paul von Hindenburg. Die letzten Wiener Münzen mit dem Buchstaben B stammen aus dem Jahr 1944.

Matrize / Vorderseitenstempel für Jaeger 354 (1 Reichsmark). Aus dem Nachlass Richard Plachts und mit seiner Signatur. Dieser Reichsmarktyp wurde erst ab 1939 in Wien ausgeprägt. Der Stempel weist jedoch darauf hin, dass es bereits vorher Pläne für die Prägungen gab. Leu Auktion 20, 18. Oktober 2025, 462. Schätzung: 1.000 CHF.
Trotz aller Einschränkungen blieb das Wiener Hauptmünzamt während des Krieges in Betrieb. Pläne, mehrere Münzstätten zu schließen und die gesamte Hartgeldprägung in Berlin zu konzentrieren, wurden kriegsbedingt nicht umgesetzt. Bis in die letzten Kriegswochen hinein prägten alle Münzstätten Umlaufgeld mit nationalsozialistischer Symbolik. In Wien wurden zwischen 1938 und 1945 circa 10% des gesamten Münzgeldes der NS-Herrschaft geprägt.

Matrize / Vorderseitenstempel für Jaeger 360/367 (5 Reichsmark). Aus dem Nachlass Richard Plachts. Leu Auktion 20, 18. Oktober 2025, 464. Schätzung: 1.000 CHF.
Neubeginn nach 1945
Nach dem Ende der NS-Herrschaft kehrte das Wiener Hauptmünzamt zu alter Eigenständigkeit zurück. Der ungeliebte Münzbuchstabe B wurde abgeschafft, und bald begann man mit der Prägung der neuen Schilling- und Groschenmünzen der Zweiten Republik.

Österreich. 2. Republik. 2 Schilling 1952. Leu Web Auktion 37, 8. September 2025, 2289.
Ein starkes Symbol für den Neubeginn war der Adler mit der zerbrochenen Kette in seinen Fängen, der deutlich machte: Die Zeit von 1938 bis 1945 war überwunden. Auch die republikanischen Zeichen Hammer und Sichel, die in den 1930er-Jahren unter dem Dollfuß-Regime abgeschafft worden waren, kehrten nun auf die österreichischen Münzen zurück.
Helmut Caspar
Die Auktion mit den weiteren Prägestempeln ist hier online einsehbar: www.leunumismatik.com. Das Bieten ist auf gewohnten und bequemen Wegen möglich. Sie können schriftliche Vorgebote über auf unserer Website (www.leunumismatik.com), bei biddr, numisbids und sixbid oder per E-Mail abgeben. Das Live-Bieten findet nach Voranmeldung per Telefon oder über biddr statt. Zudem sind Sie selbstverständlich vor Ort in Zürich im historischen Ambiente des Zunfthauses Saffran herzlich zum Bieten eingeladen.
Leu Numismatik AG, Stadthausstrasse 143
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