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Michael Kurt Sonntag

Eros in der antiken griechischen Numismatik

Wer kennt nicht den geflügelten Knaben Eros (lateinisch Amor), der als Liebesgott und Sprössling der Liebesgöttin Aphrodite seine Pfeile verschießt und die Getroffenen damit in Liebe entbrennen lässt. Doch längst nicht alle Begegnungen zwischen Eros und seinem Gegenüber bescherten diesem eine erfüllte Liebe. Vom antiken Autor Ovid (43 v. Chr. - 17 n. Chr.) erfahren wir beispielsweise von einer Begegnung zwischen Apollon und Amor, die für Apollon einen etwas unglücklichen Verlauf nahm. Nachdem Apollon den kleinen Amor dabei beobachtet hatte, wie er seinen Bogen auf den erlegten Python richtete, kanzelte er diesen mit den Worten ab: „Was hast du, mutwilliger Knabe, mit den Waffen für Helden zu schaffen? Dieser Schmuck gebührt nur meinen Schultern, der ich treffsicher das Wild, den Feind treffsicher verwunde, der ich eben erst den giftgeschwollenen Python mit zahllosen Pfeilen erlegte, ... Begnüge du dich damit, nach Gott weiß welchen Liebschaften mit deiner Fackel zu forschen, und maße dir nicht meine Ehrenzeichen an!“ (Ovid, Metamorphosen, Düsseldorf/Zürich 2004, I, S. 456ff.) Daraufhin entgegnete Amor: „Mag auch dein Bogen alles treffen: der meine trifft dich.“ (Ovid, ebenda, I, S. 463f.) Kurze Zeit später stand Amor auf dem Gipfel des Parnass und zog zwei Pfeile aus seinem Köcher: einen spitzen goldenen und einen stumpfen mit Blei am Ende. Mit dem spitzen goldenen Pfeil vermochte er Liebe zu entfachen und mit dem stumpfen bleiernen Liebe zu verscheuchen. Und da er auf Rache sann, schoss er den spitzen goldenen Pfeil auf Apollon ab und den stumpfen mit Blei am Ende auf die Nymphe Daphne, die Tochter des Flussgottes Peneios. Und so entbrannte der mächtige Gott in Liebe zur Nymphe, während jene sofort entfloh, wenn das Wort Liebe auch nur erwähnt wurde. Doch Apollon dachte nicht an Aufgeben, sondern verfolgte die fliehende Nymphe und versuchte, sie mit inständigem Bitten umzustimmen und für sich zu gewinnen. Als alles nichts half, hetzte er sie „von Amor beflügelt“, bis sie völlig entkräftet in der Nähe des Flusses Peneios zu Boden sank und ihren Vater daher anflehte, ihr ihre Schönheit durch eine Verwandlung zu nehmen. Kaum hatten die Worte ihre Lippen verlassen, so fing sie an, sich zu verwandeln. Aus der schönen Jungfrau wurde ein prächtiger Lorbeerbaum. Apollon aber, der nicht von ihr lassen konnte, küsste das Holz des Baumes und rief: „Kannst du auch nicht meine Gattin werden, so sollst du zumindest mein heiliger Baum sein! Ewig wirst du, mein Lorbeer, mein Haar, meine Leier, meinen Köcher bekränzen!“ (Ovid, ebenda, I, S. 556ff.) Die Vorstellung von Eros als geflügelter Knabe und Söhnchen der Aphrodite ist allerdings eine, die der antike Autor Hesiod (vor 700 v. Chr.) noch nicht kannte. Für ihn war Eros der Gott der Liebe und einer der Urmächte, der erst nach der Geburt der Aphrodite deren Begleiter wurde. „Eros, der schönste im Kreis unsterblicher Götter: Gliederlösend bezwingt er allen Göttern und allen Menschen den Sinn in der Brust und besonnen planendes Denken. […] Reiz und Liebesbegehren, Eros und Himeros, folgten, als sie [gemeint ist Aphrodite] neugeboren zur Schar der Götter emporstieg.“ (Hesiod, Theogonie, Berlin 2012, S. 120-123 u. S. 201f.) Und auch die antike griechische Numismatik kennt Eros nicht nur als geflügelten Knaben im Umfeld Aphrodites, sondern zeigt ihn uns ebenso als „aktiven“ jungen Mann. So sehen wir ihn z. B. auf einer Elektronhekte aus Kyzikos auf einem Stier sitzend mit gezücktem Messer in der Rechten, kurz davor den Stier zu opfern.


Auf einem Tetradrachmon aus Syrakus erscheint er dann als siegreicher Wagenlenker, der von der fliegenden Siegesgöttin Nike bekränzt wird.


Und auch auf einem Stater aus Aspendos, wo er zwar nur als rückseitiges Beizeichen nebst einem Schleuderer in Erscheinung tritt, wird er als junger Mann und nicht als Knabe dargestellt.


Doch die antike griechische Numismatik präsentiert uns auch den geflügelten Knaben Eros, der die vor einem Altar opfernde Aphodite bekränzt, zunächst von hinten stehend und dann im Fluge von vorn.

Eine eher familiäre Szene von Eros und Aphrodite findet sich dagegen auf einer kleinen Bronzemünze aus dem thessalischen Metropolis. Darauf sehen wir rückseitig die nach links stehende Aphrodite mit Taube auf der Rechten und vor ihr das Kleinkind Eros, das seine Ärmchen flehend nach der Taube hochstreckt.

Unter dem Seleukidenkönig Antiochos VII. Sidetes Euergetes (138-129 v. Chr.) prägte man dann kleine Bronzestücke, die vorderseitig den Knaben oder besser gesagt das Knäblein Eros erstmals als geflügelte Büste zeigen.


Es folgen zwei Erosdarstellungen, deren Typus nicht nur von den Seleukidenkönigen Alexander II. Zabinas (128-122 v. Chr.) und Antiochos IX. Kyzikenos, eigentlich Eusebes Philopator, (114/13-96/95 v. Chr.) weitergeführt, sondern auch von Mithradates VI. von Pontos (120-63 v. Chr.) aufgegriffen wurde.

Dabei handelt es sich um eine Wiedergabe des Eros, die im Übrigen auch in die römische Kunst Einzug hielt und sich dort zum Prototyp des römischen Putto entwickelte, der dann wiederum die Gestaltung der christlichen Engelchen und der Renaissance-Putti beeinflusste. Doch das ist eine andere Geschichte.



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