Der uns noch aus DM-Zeiten bekannte Groschen ist eine massenhaft seit dem Mittelalter geprägte Silbermünze. Schwerer als alle zuvor geprägten Nominale, löste das auch als Grossus denarius oder Dicker Pfennig bezeichnete Geldstück im 13. Jahrhundert die Brakteaten und andere Kleinmünzen ab. Benannt ist der Groschen nach dem Gros tournois, der 1266 vom französischen König Ludwig IX. in der Stadt Tours aus der Taufe gehoben wurde. Der Erfolg der Turnose, wie man diese Münze auch nannte, war so groß, dass man sie vielfach nachgeahmt hat. Als Mariengroschen, Engelgroschen, Löwengroschen, Bauerngroschen, Zinsgroschen sowie Apfel-, Schild- und Schwertgroschen oder auch Schreckenberger erlebte die Münze einen Siegeszug sondergleichen, bis sie nach vielfältigen Modifikationen und Umwertungen im Zusammenhang mit der Einführung des Euro 2002 Geschichte wurde. Der Name lebt aber bis heute im polnischen Nominal Groszy fort.
Königreich Frankreich, Philipp III. Gros tournois, 1270-1285, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18205223. Eine Münzreform schuf 1266 in Frankreich eine handliche Münze, die 12 kleine ersetzte. Dieser nach dem Prägeort Tours benannte Gros tournois besaß Vorbildfunktion und verbreitete sich über die Grenzen Frankreichs und wurde an vielen Orten mit unterschiedlichen Bildern und Aufschriften nachgeprägt.
Herzogtum Brabant, Johann II. Turnose, 1300-1312, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18205446.
In vielen Münzfunden des Mittelalters und auch danach ist der Prager Groschen anzutreffen. Wer vom Namen ableitet, die mit einer Krone und dem böhmischen Löwen geschmückten Geldstücke würden aus Prag stammen, irrt. Denn die Geldfabrik befand sich in der Bergstadt Kuttenberg, dem heutigen Kutná Hora, etwa 70 Kilometer von Prag entfernt. Hier wurden unter den Augen der böhmischen Könige und ihrer Statthalter ab 1300 das in der Region geschürfte Silber aufbereitet und in klingende Münze verwandelt.
Königreich Böhmen, Johann I. Prager Groschen, 1310-1346, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18238907. Die Prager Groschen waren beliebte Zahlungsmittel, die in vielen Münzfunden des Mittelalters und der frühen Neuzeit vorkommen. Diese Groschen mit der Aufschrift "Grossus Pragensis" entstanden unter dem Einfluss der in Tours erstmals geprägten Turnosen.
Auf den Geldstücken erscheint der Prägeort nicht, vielmehr sind sie als "GROSSUS PRAGENSIS", also Prager Groschen, ausgewiesen. Noch heute sind im so genannten Welschen Hof zu Kutná Hora die alten Münzschmieden samt Prägewerkzeug zu sehen. Die Geldfabrik wurde 1726 aufgehoben, nachdem der Silberertrag der Gruben drastisch zurückgegangen war. In der Barbarakirche zu Kuttenberg sind spätmittelalterliche Wandgemälde erhalten, die Bergleute und Münzpräger bei der Arbeit zeigen.
Ein österreichischer Doppelgulden aus dem Jahr 1887 würdigt mit der Darstellung des gotischen Gotteshauses die lange Tradition des Erzbergbaus in Kuttenberg und seine Wiederaufnahme unter Kaiser Franz Joseph I., den ein prächtiges Glasfenster in der Kirche betend zeigt.
In der Barbarakirche zu Kutná Hora (Kuttenberg) erinnern Wandmalereien an Bergleute und Münzpräger. Die farbenfreudigen Bilder wurden erst im 19. Jahrhundert von dicken Übermalungen befreit. Links ist der Welsche Hof zu sehen. Bildquellen: Caspar.
Nicht nur in Böhmen wurde intensiver Silberbergbau betrieben. Auch das Erzgebirge war mit dem Edelmetall so reich gesegnet, dass die Kurfürsten von Sachsen hier eine großartige Groschenemission entfalten konnten und ab 1500 massenhaft Guldengroschen prägen ließen, die man alsbald analog zu den im böhmischen Sankt Joachimsthal hergestellten Großsilbermünzen Joachimsthaler oder nur noch Taler nannte. Der auch heute umlaufende US-Dollar bezieht sich dem Namen nach auf diese in zahlreichen Versionen hergestellte Silbermünze. Zu den bei Sachsen-Sammlern beliebten Geldstücken gehören die Meißner Groschen. Ihr Namen ist nicht von der markgräflichen und kurfürstlichen Residenzstadt Meißen abgeleitet, sondern von der Inschrift "GROSSUS MARCHIONATUS MISNENSIS" (Groschen der Markgrafschaft Meißen). Die nach dem Vorbild der Prager Groschen geprägten Silberstücke mit dem Thüringer Löwen und dem Lilienkreuz wurden um 1338 erstmals in Freiberg geprägt und hielten sich bis ins frühe 15. Jahrhundert. Indem man sie mit Gegenstempeln oder Kontermarken versah, hat man Meißner Groschen auch fernab ihres Herkunftslandes zugelassen und mit ihnen bezahlt.
Markgrafschaft Meißen, Friedrich II. Meißner Groschen mit Erfurter Gegenstempel, 1428-1470, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18206731.
Ungeachtet strenger Vorschriften und an Fälscher gerichteter Strafandrohungen sank im Laufe der Jahrhunderte die Qualität der Groschen. Aus ihnen wurden billige, oft mehr aus Kupfer denn aus Silber bestehende Scheidemünzen mit geringer Kaufkraft. Acht gute Groschen oder einen Dritteltaler zahlte König Friedrich II. von Preußen, genannt der Große, Mitte des 18. Jahrhunderts jeden fünften Tag an seine Soldaten. Das war wenig angesichts des großen Blutzolls, den die Rekruten für ihren obersten Feldherrn und seine Ruhmsüchtigkeit entrichten mussten. In Berlin und anderswo sagte man früher zum Zehnpfennigstück Groschen, zum Fünfpfennigstück, also dem halben Groschen, aber Sechser, weil ein Groschen vor langer Zeit zwölf Pfennig wert war. Ein Achtgroschenjunge ist ein kleiner Ganove, der für ein bisschen Geld zu jeder Schweinerei bereit ist. Ein Dreigroschenheft wird als minderwertiges Machwerk verachtet, und die „Dreigroschenoper“ ist ein bekanntes Gemeinschaftswerk von Bertolt Brecht und Kurt Weill.
Königreich Preußen, Friedrich II. 8 Gute Groschen, 1753, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18219510. Acht Groschen Lohn alle fünf Tage bekamen die Soldaten des preußischen Königs Friedrich II. Das war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.
Nach ihren Bildern tragen die Groschen verschiedene Namen. Die Helm- und Mariengroschen, die Reiter-, Kronen-, Schwert- und Löwengroschen, die Neuen Groschen und viele andere Gepräge des sprichwörtlichen kleinen Mannes sind interessante Sammelobjekte, und wer sich auf sie konzentriert, erhält nach und nach eine interessante und aussagekräftige Serie, die viel über das Leben vergangener Generationen und künstlerische Bemühungen erzählt. Viele, meist unbekannte Stempelschneider schufen wahre Kunstwerke, als sie Heiligenbilder und Porträts schufen und damit den flachen Silbergeprägen ein ansehnliches Aussehen verliehen. Besonders begehrt sind Stücke aus der Gotik, die einem Vergleich mit gotischen Skulpturen und Gemälden durchaus standhalten, auch wenn sie ganz klein in der Hand liegen.
Bistum Metz, Dietrich V. von Boppard, Groschen, 1365-1384, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18238340.
Würde man die Stücke nebeneinander legen, dann könnte man den Abstieg einer ehemals angesehenen Münze zu einem billigen Geldstück feststellen. Gelehrte und Sammler, die beides oft in einer Person waren, haben im 18. Jahrhundert neben Taler-, Gulden- und Dukatenkabinetten auch Groschenkabinette in Form dickleibiger Kataloge verfasst, die heute zu lesen viel Freude bereitet, auch wenn ihr Inhalt schon lange überholt ist. Im Unterschied zu den vielen sächsischen Groschen aus der Zeit vor und nach 1500 zählen die Groschen des Kurfürstentums Brandenburg und anderer Territorien ohne größere Edelmetallvorkommen zu den numismatischen Seltenheiten und werden viel besser bezahlt als die häufigen Münzen der in dieser Hinsicht besser situierten Territorien.
Markgrafschaft Brandenburg, Friedrich II. Groschen, 1463-1470, Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18214746.
DDR, 10 Pfennig, 1979, Bildquelle: Matd13 wikimedia commons. Die schwere körperliche Arbeit im Bauwesen, in der Weberei und vielen andern Bereichen wurden mit kläglichen Pfennigen und Silbergroschen bezahlt. Die meist großen Arbeiterfamilien konnten damit kaum ernährt werden. Bis zum Ende von Mark und Pfennig hielt sich die Bezeichnung Groschen für das Zehn-Pfennig-Stück.
Helmut Caspar
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