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Die Desperados des Goldrausches

Zwielichtige Abenteurer wie George Ives waren im Nordwesten der Vereinigten Staaten einst überall dort zu finden, wo Gold war. Auf einer Ranch bei Alder Gulch in Montana, auf der sich Ives mit zwei seiner Spießgesellen gerade aufhielt, beherbergte Eigentümer Long John im Dezember 1863 einen jungen Holländer namens Nick Tiebolt. Als jener für die Übernachtung zahlen wollte, schüttelte er seinen Geldbeutel aus Hirschleder aus, der etwa vierhundert Dollar in Goldstaub enthielt. Georges Ives nannte einen Preis. Tiebolt schob daraufhin ein wenig des Goldstaubes zu Long John hinüber. Angesichts der Menge des Goldes bekam George Ives große Augen. Nick Thiebolt bestieg wenig später ein Maultier und ritt das Tal hinunter in Richtung der Alder Gulch Road:

„Als George ihn fortreiten sah, sagte er zu seinen Spießgesellen, dass es schade sei, das ganze Gold und die Maultiere ziehen zu lassen. Dann warf er eine Goldmünze in die Luft und sagte, das Los falle ihm zu. Er ritt Nick hinterher.“ (1)

Ives verfolgte sein Opfer sechs Meilen lang, behauptete ein Zeuge später. Als Nick sich umdrehte, schoss Ives ihm in den Kopf, holte sich den Geldbeute aus Wildleder und nahm auch die Maultiere mit. In kürzester Zeit war er wieder auf der Ranch. Long John war der Einzige, der sah, wie Ives mit seiner Beute zurückkehrte. Die beiden anderen Spießgesellen waren angesichts der bevorstehenden Ereignisse im Handumdrehen verschwunden.

Amerikanische Goldschürfer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bildquelle: Western Mining History.


Die verbürgte Geschichte irritiert nicht nur angesichts der massiven Brutalität während des Goldrausches in den Vereinigten Staaten. Sie demonstriert auch, dass damals nicht nur mit Münzgeld, sondern häufig auch mit Goldstaub bezahlt wurde:

„Die Flüsse, die sich in die inneren Täler Kaliforniens  ergossen, führten eine kostbare Last von Gold mit sich, das sie oben aus den Granitfelsen herausgewaschen hatten. Ein Teil des Goldes setzte sich als puderähnlicher Staub ab, ein anderer als dünne Blättchen. Ein Teil war ausgewaschen und zur Form von Weizenkörnern oder Melonenkernen zusammengerollt worden, und einiges hatte die Form schwerer Nuggets angenommen.“ (2)

Obwohl in den Überlieferungen zumeist von Goldstaub gesprochen wird, kam echter Staub in Form eines feinen gelben Sandes nur selten vor. Meist handelte es sich um grobe Körner oder feinen Goldflitter. In den abgelegen Regionen der Goldsucher gab es wenige Münzen, dafür aber eine Menge Gold. So wurde in den Läden, die sich im Umfeld der Fundorte ansiedelten, auch unverarbeitetes Gold entgegengenommen. Über den Handel mit Waren des täglichen Bedarfes heißt es:

„Die Waage des Ladens wog den Goldstaub, den ein Mann gesammelt hatte.“ (3)

Ähnlich sah es in den Saloons aus:

„Oft bestimmten Bar-Maße den Wert von Goldstaub. Eine Prise Staub, die man für ein oder zwei Gläser zahlen musste, galt als ein Dollar. Ein Teelöffel voll Gold war 16 Dollar wert, ein Weinglas etwa 100 Dollar und ein Becher etwa 1000 Dollar.“ (4)

In Flüssen ausgewaschener Goldstaub beziehungsweise Goldflitter. Bildquelle: Wikimedia, John.


An den Methoden der Berechnung ist erkennbar, dass diese Art Bezahlung kein Garant für eine bestimmte Goldmenge war. Sie bot auch keine Gewähr für die Reinheit des Goldes. Daher wurden in den Städten der Goldsucher schon früh privaten Münzen mit Wertbezeichnungen bis zu 50 Dollars hergestellt. Ab 1849 gab es wegen des hohen Bedarfes im Alltag staatliche Goldmünzen in vielen Wertstufen, auch als winzige Ein-Dollar-Stücke. Der namhafte Graveur James B. Longacre entwarf die Münzen:

„Im Jahr 1849 wurden zwei verschiedene Varianten von Golddollars mit offenem und geschlossenem Kranz auf der Rückseite ausgegeben. Die Rohlinge für die Golddollar waren relativ dick, hatten aber nur einen Durchmesser von einem halben Zoll. Im Jahr 1854 wurde der Dollar auf ein flacheres und größeres Format umgestellt. Longacre schnitt für den neuen Dollartyp ein verändertes Porträt der Lady Liberty mit gefiedertem Indianerkopfschmuck. Auf den Dollars, die von 1856 bis 1889 geprägt wurden, verwendete man ein größeres Porträt. Die Rückseiten der späteren Dollarmünzen zeigen einen Kranz aus Mais, Weizen, Baumwolle und Tabak - den grundlegenden Nahrungsmitteln der amerikanischen Landwirtschaft.“ (5)

Zweitweise wurden auch Drei-Dollar-Stücke dieses Typs geprägt. Die winzigen Golddollars waren jedoch unpraktisch. Die Herstellung der Münzen war im Verhältnis zu ihrem Wert zudem teuer. Daher wurde ihre Prägung im Jahre 1889 eingestellt. Kleine Beträge wurden von nun an ausschließlich in Silber, Kupfer oder Papier bezahlt.

Dollar (USA, 1852, 900er Gold, 1,7 Gramm, Gold, 13 mm). Bildquelle: Professional Coin Grading Services.


3 Dollars (USA, 1886, 900er Gold, 5,0 Gramm, 20 mm). Bildquelle: Numis Coin Values.


Der eingangs geschilderte Mord an Nick Tiebolt im Gebiet von Alder Gulch war kein Einzelfall. Im Herbst 1863 gab es hier und in einem benachbarten Camp ständig neue Überfälle mit zahlreichen Todesopfern. Mitte Oktober 1863 etwa wurde Lloyd Magruder von einem Straßenräuber getötet. Der Kaufmann hatte Virginia City mit 12.000 Dollar in Goldstaub verlassen, die er für Waren erhalten hatte, die er dort verkaufte. Auch einige Begleiter kamen ums Leben. Ende Oktober 1863 wurde eine Kutsche zwischen der Rattlesnake Ranch und Bannack, der Hauptstadt des Montana-Territoriums, von Straßenräubern überfallen. Die Räuber nahmen den Passagieren 2.800 Dollar in Gold ab. Im November 1863 reiste Conrad Kohrs mit 5.000 Dollar in Goldstaub von Deer Lodge nach Bannack, um Rinder zu kaufen. Seinen beiden Verfolgern entging er nur, weil er das schnellere Pferd besaß. Anfang Dezember 1863 fuhren mehrere Frachtwagen von Virginia City nach Salt Lake City. Sie transportierten 80.000 Dollar in Goldstaub und 1.500 Dollar in Schatzanweisungen. Während die Truppe kampierte, überfielen bewaffnete Gangster das Lager, um den Wagen auszurauben. Die Begleiter des Trecks behielten nur die Oberhand, weil sie gut bewaffnet waren. Henry Plummer, der Sheriff von Bannack, schien machtlos gegen das Treiben zu sein.


Von Anwohnern abgehaltener Prozess gegen George Ives im Dezember 1863. Bildquelle: Gilcrease Museum, Seltzer.


In Selbsthilfe wurde daher das Vigilance Committee gegründet, eine Art Heimwehr. Die Mitglieder verurteilte im Dezember 1863 zunächst George Ives zum Tode, den mutmaßlichen Mörder an Nick Tiebolt. Er wurde gehängt. Als die Überfälle unvermindert weitergingen, geriet der örtliche Sheriff Henry Plummer selbst unter Verdacht. Anfang Januar 1864 konnte Plummer durch Zeugenaussagen überführt werden. Er war der Anführer einer Bande von Desperados, die Postkutschen und Goldtransporte ausraubte. Als Sheriff von Bannack hatte Plummer seine Spießgesellen regelmäßig mit Hinweisen zu neuen Goldtransporten versorgt. Eine erfolgreiche Fahndung wusste er zu unterbinden. Am 10. Januar 1864 wurde Henry Plummer aufgeknüpft.


Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

  1. R. E. Mather, F. E. Boswell: Gold Camp Desperadoes; San Jose 1990, S. 143.

  2. William Weber Johnson: Der Goldrausch; Amsterdam 1979, S. 17.

  3. Ebenda, S. 123.

  4. Ebenda, S. 125.

  5. Burton Hobson: Historic Gold Coins ofthe World; Garden City 1971, S. 118.

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