Aus privaten Sammlungen: Medaille zum Sieg über die spanischen Kolonialherren
- Helmut Caspar

- vor 15 Stunden
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Es gibt Münzen, Medaillen und Geldscheine, die in Sammlungen ein Dornröschenschlaf fristen. Sie werden wenig in die Hand genommen und beachtet. Mir ging das mit der hier vorgestellten Bronzemedaille von 1922 zur Hundertjahrfeier der Schlacht von Pichincha am 24. Mai 1822, in der spanische Royalisten von Rebellen besiegt wurden. Die von General Antonio José de Sucre y Alcalá, einem engen Weggefährten von Simon Bolivar, angeführten Freiheitskämpfer zwangen die Spanier zur Kapitulation und zum Rückzug aus ihrer Kolonie. Sucre nahm zahlreiche treu zur spanischen Krone haltenden Feinde gefangen. Wer entkommen konnte, kämpfte auf verlorenem Posten weiter, doch der Lauf der Geschichte war nicht mehr aufzuhalten.
Antonio José de Sucre wird wie Bolivar in Südamerika als Nationalheld gefeiert. Man hat beiden Kämpfern für die Unabhängigkeit der ehemaligen spanischen Kolonien Denkmäler sowie Münzen und Medaillen gewidmet. Die mit wunderbaren Freiheitsmotiven geschmückten Ausgaben können nicht verdecken, dass es blutige Bürgerkriege in diesen Ländern und weiterhin die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung sowie der Nachkommen der aus Afrika verschleppten Sklaven gab. Für Sammler ist es interessant, die „Kehrseite“ dieser Ausgaben in Gestalt von Bürgerkriegen sowie Raub, Mord und Totschlag zu ergründen.

Medaille zum 100. Jahrestag der Schlacht von Pichincha
Land/Region/Ort: Ecuador
Datierung: 1922
Vorderseite: General Sucre zu Pferd
Rückseite: Allegorie auf den Sieg über die Spanier
Gestalter: L. Casadio
Material: Bronze
Größe: 79 mm
Gewicht: 322g
Die von L. Casadio (Vorname unbekannt) geschaffene Medaille ist eine späte Meisterleistung des Jugendstils und war zudem wegen der Größe und des hohen Reliefs schwer zu herzustellen. Eine gewaltige Spindelpresse brauchte mehrere "Hübe", bis alles korrekt geprägt war. Dargestellt ist General Sucre hoch zu Ross mit Feldherrnmantel und einem in die Höhe gerichteten Schwert. Die Umschrift nennt den Anlass. In der Übersetzung lautet sie: Hundertjahrfeier der Schlacht Pichincha. Das Ausgabejahr 1922 ist unten angegeben.
Interessanter als die konventionell und ziemlich steif aufgefasste Reiterfigur ist die Rückseite gestaltet. Sie zeigt in antikisierender Manier, wie die geflügelte Siegesgöttin Victoria mit einer Fackel den unbekleideten Kämpfern den Weg zum Sieg und in die Freiheit weist. Vor einem Flammenaltar sinkt ein geschlagener Krieger zusammen. Neben ihm sieht man eine Muse mit Harfe, die neue Ära von Frieden und Wohlstand symbolisierend. Das Datum 24 DE MAYO DE 1822 gibt den Tag des Sieges über die Spanier und den Beginn einer neuen Zeit in der Geschichte von Ecuador und Südamerika an.
Nach der Eroberung des amerikanischen Kontinents rissen seit dem frühen 16. Jahrhundert die spanische und portugiesische Kolonialherren die Macht an sich. Die indigene Bevölkerung wurde unterdrückt und ausgebeutet, und die Kirche versuchte, sie von ihrem, wie man sagte, heidnischen Glauben abzubringen. Außerdem wurde alles getan, um ihre Bauten, Kunstwerke und das für Europäer unverständliche Schrifttum zu vernichten. Durch den Handel mit Sklaven wurde die weiße Oberschicht reich und immer reicher. Die aus Afrika in die „Neue Welt“ verschleppten Sklaven wurden derweil zur Zwangsarbeit gepresst und als Menschen zweiter Klasse behandelt. In Mittel-und Südamerika entstanden Vizekönigreiche, aus denen unzählige Schiffe Gold und Silber sowie so genannte Kolonialwaren in die Mutterländer transportierten, wobei viele Segler unterwegs mit ihren Besatzungen im Meer versanken. Immer wieder werden solche mit Schätzen aus Edelmetall gefüllte Transporter gefunden, und dann streiten sich die Entdecker mit Regierungen um Besitzrechte und ihre Vermarktung.




Auf dem amerikanischen Kontinent entstanden im Lauf des 19. Jahrhunderts Republiken und das Kaiserreich Brasilien, die eigene Münzen und Medaillen oft mit patriotischen Sprüchen und Bildern herausgaben, hier Beispiele aus Ecuador, Bolivien, Argentinien und Honduras.
Die Eroberung der Neuen Welt, wie man den amerikanischen Kontinent nannte, erfolgte mit unbeschreiblicher Rohheit und Skrupellosigkeit. Wo sich Widerstand regte, wurde er mit Feuer und Schwert und immer im Zeichen des Kreuzes niedergeschlagen. Das Beispiel der Französischen Revolution von 1789, die Napoleonischen Kriege und die folgenden Wirren in Spanien und Portugal schufen Voraussetzungen für den Abfall der mittel- und südamerikanischen Kolonien von den Mächten in Europa. Der Kongress von Caracas proklamierte bereits 1810 die Unabhängigkeit von Venezuela. In Peru tobten Kämpfe zwischen Königstreuen und Revolutionären. Hier wie auch in Argentinien verschwand die Kolonialherrschaft im Orkus der Geschichte. Die Anführer der Befreiungskriege mussten die schroffen Gegensätze zwischen den Kräften der Vergangenheit und denen das Neuanfangs meistern. Nach wie vor standen sich Liberale und Klerikale, Militärs und Zivilisten, Diktatoren und Demokraten, Großgrundbesitzer und Landarbeiter gegenüber und rangen um die Beibehaltung der alte Verhältnisse beziehungsweise die Neugestaltung ihrer Länder.
In Nordamerika führten Großbritannien und Frankreich im 18. Jahrhundert zermürbende Kriege um ihren Kolonialbesitz, der ihnen Macht und Wohlstand bescherte. Am Ende mussten sie das Feld räumen und die Bildung der Vereinigten Staaten 1776, vor nunmehr 250 Jahren, akzeptieren. Frieden war damit aber längst nicht hergestellt, denn es tobten weiterhin Kriege zwischen den USA und dem lange unter spanischer Herrschaft stehende Mexiko. In den USA mam es zu einem schrecklicher Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten um die Abschaffung der Sklaverei. Doch das ist eine andere Geschichte.
Helmut Caspar




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