Geburtstagsmedaille (Privatprägung, 1885, Gold). Bildquelle: Künker, FA 2018, Los 6360.
Bei einem Besuch des Diplomaten Friedrich von Holsteins im August 1885 sagte Gerson Bleichröder, der Bankier des Fürsten, über Bismarcks 70. Wiegenfest: „Zum Geburtstage habe ich eine Medaille prägen lassen, das Bildnis auf der einen Seite, das Wappen auf der anderen.“ Als er den Entwurf gesehen habe, sei Bismarck begeistert gewesen: „Das ist weitaus das Beste, was je von mir gemacht worden ist.“ Bleichröder erwiderte, er werde ihm anlässlich des Geburtstages zehn goldene Medaillen zu 24 Dukaten verehren, außerdem 25 silberne und 25 bronzene. Er überlege, zudem eine größere Anzahl in Bronze zugunsten irgendeiner Stiftung verkaufen zu lassen. Bismarck war einverstanden. Insgesamt seien auf diese Weise etwa 10.000 Stück entstanden. Bleichröder: „Die Medaille ist ein Meisterwerk schmeichelnder Ähnlichkeit; sie zeigt den Fürsten so, wie er vor zwölf Jahren aussah.“ (Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins, Göttingen 1956-1961, Band 2, S. 245f.). Wie es um diesen Kult um den „eisernen Kanzler“ kam, zeigt ein Rückblick.
Otto von Bismarck (1815-1898). Bildquelle: Wikimedia, National Archives at College Park.
Nach einem Studium der Rechtswissenschaften übernahm der 24-jährige Otto von Bismarck (1815-1898) das väterliche Gut Kniephof (Hinterpommern). Als konservativer Junker des Gutes Schönhausen bei Magdeburg begann er sich politisch zu betätigen. In seinen Jahren als Abgeordneter des preußischen Landtages wurde er zum Realpolitiker. Auf eine Funktion als preußischer Gesandter beim Bundestag in Frankfurt folgten Positionen als Gesandter in Petersburg und Paris. Als preußischer Ministerpräsident (1862-1890) gelang es ihm, den schweren Verfassungskonflikt zwischen König und Landtag zu lösen. Die von ihm maßgeblich vorbereiteten Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich und die Konstitution des Deutschen Reiches brachten ihm hohe Ehrungen ein. Als erster Reichskanzler installierte er in den Jahren 1871 bis 1890 die bis heute bestehenden Sozialversicherungen (Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung). Der überzeugte Nationalist und Monarchist zementierte in dem Sozialistengesetze allerdings auch den Obrigkeitsstaat.
Nach schweren Differenzen mit Kaiser Wilhelm II. im März 1890 entlassen, kam es im Deutschen Reich zu einer Welle von Ehrenbekundungen. Seine Memoiren und der Tod im Juli 1898 machten ihn zum Heroen. Denkmäler wurden für ihn gebaut, Straßen nach ihm benannt. Im Sammlerforum "e-muenzen" war vor geraumer Zeit zu lesen: "Der Bismarck-Kult führte noch zu seinen Lebzeiten zu einer Ausgabeflut von Medaillen. Am populärsten wurde ein privater Gedächtnistaler, der 1894 anlässlich der Aussöhnung mit Kaiser Wilhelm II. von Ludwig Christian Lauer herauskam: „Wenn auf den Reichsmünzen nicht nur gekrönte Häupter hätten sein dürfen, wäre Bismarck sicher auch auf einer Reichsmünze aufgetaucht." Ein gut informierter User entgegnete postwendend, dass zum 100. Geburtstag im Jahr 1915 auch eine Gedenkmünze geplant worden sei. Wegen der Popularität, durch die der Kaiser hätte provoziert werden können, wurde der Plan aber wieder verworfen. So entstanden bis zum 200. Geburtstag lediglich etwa 650 Medaillen, deutlich mehr als bei jedem anderen deutschsprachigen Politiker oder gekrönten Haupt.
Gedenkmedaille (Kaiserproklamation, 1971, Silber). Bildquelle: Münzenhandlung Möller, Auction 72, Lot 1526.
Das Bismarck-Museum der gleichnamigen Stiftung in Schönhausen (Sachsen-Anhalt) zeigt seit dem Jahr 2000 die größte Sammlung von Medaillen, Klippen und Plaketten in öffentlichem Besitz. Mehr oder weniger vollständige Kataloge bieten z.B. die Publikationen „Bismarck-Medaillen" von Julius Eduard Bennert (Köln 1905) und „Geprägte Erinnerungen: Der Bismarck-Mythos auf Medaillen“ (Halle 2002). Eine deutsche Gedenkmünze ließ lange auf sich warten.
10 Euro (200. Geburtstag, Deutschland, 2015, Silber). Bildquelle: Münzenhandel Eichler.
Erst zum runden Jubiläum im Jahr 2015 erschien eine solche: „Anlässlich seines 200. Geburtstages prägt die Staatliche Münze Berlin eine Zehn-Euro-Münze, und der Künstler Michael Otto, dessen Entwurf von der Jury mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde, prägte die ersten Exemplare.“ (Helmut Caspar, in: Berliner Woche, 18. Dezember 2014). Die Teilnehmer des Gestaltungswettbewerbs hatten auf eine unüberschaubare Auswahl von Bismarck-Porträts zurückgreifen können. Als die ersten Exemplare der Gedenkmünze im Dezember 2014 in der Staatlichen Münze Berlin angeprägt wurden, sagte der Künstler, dass ihm ein bestimmtes Porträt des Politikers nicht mehr aus dem Kopf gegangen sei. Es zeige eine Hälfte des Gesichtes im Hellen, verberge die andere aber im Dunklen. Die Darstellung sei symbolträchtig, nämlich für die Ambivalenz des „eisernen Kanzlers“! Das habe auch die Jury so gesehen, die den Entwurf von Otto zum Wettbewerbssieger kürte: „Ich habe einen negativen Schnitt von beiden Münzseiten in Gips hergestellt und davon positive Abgüsse angefertigt, die mit Inschriften zu beiden Seiten versehen wurden“, ergänzte Michael Otto. Nachdem die Stahlstempel hergestellt waren, konnte der Prägebetrieb beginnen.
Die Resonanz auf den Entwurf von Michael Otto unter Sammlern war allerdings eher negativ. Auf einer Münze mit ihren scharfen Konturen sei Idee eines fließenden Übergangs zwischen Hell und Dunkel schlichtweg nicht umsetzbar. Das Ergebnis, so ein Leser der MünzenRevue, habe Bismarck „zum Psychopathen herabgewürdigt“.