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Der erste Krieg zwischen Juden und Römern


Dank Flavius Josephus wissen wir viel über den Jüdischen Krieg. Und dank der Münzen wissen wir, wie die Römer ihn wahrnahmen. Anhand von Münzen aus der kommenden Künker-Antiken-Auktion 318 erzählen wir, was damals geschah und warum es in der flavischen Münzprägung ein so wichtiges Thema wurde.

Am 11. März 2019 versteigert das Osnabrücker Auktionshaus Künker einen Sesterz des Vespasian, der auf seiner Rückseite ein bekanntes Thema zeigt. Der Kaiser steht als Triumphator n.r. mit einem Speer und dem Parazonium (= einem Dolch, der in den Legionen als Rangabzeichen benutzt wurde) und stützt seinen Fuß auf einen Helm. Vor ihm kauert eine weinende Frau unter einer Dattelpalme, die als eine Art Wappen der Provinz Judäa verstanden wurde. Die Umschrift lautet IVDAEA CAPTA, also Judäa ist erobert. Geprägt wurde diese ikonische Münze im Jahre 71 n. Chr. in Rom anlässlich des Triumphzugs von Vespasian und Titus nach ihrem Sieg über die Juden.

Vespasian. Sesterz, 71, Rom. Sehr selten. Vorzügliches Prachtexemplar. Schätzung: 50.000,- Euro. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 1093

Vespasian. Denar, 72/3, Antiochia. Sehr schön/Vorzüglich. Schätzung: 250,- Euro. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 1097

Titus. Denar, 80/1, Rom. Gutes vorzüglich. Schätzung: 500,- Euro. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 1132

Auch später wurde dieses Motiv immer wieder von Vespasian und Titus aufgenommen. Der Sieg über die Juden wurde zu einem zentralen Motiv der flavischen Münzprägung. Wir verfolgen in diesem Beitrag die Frage, warum.

Die römischen Provinzen, zur Zeit der größten Ausdehnung Roms im Jahr 117 n. Chr. Karte: Furfur / Andrei nacu, cc-by-sa 1.2

Eigentlich war Judäa ziemlich weit weg von Rom. Und eigentlich waren die römischen Kaiser nach den großen Eroberungskriegen unter Augustus militärisch eher auf Bewahren ausgerichtet. Eigentlich wären also die Bedingungen für einen dauerhaften Frieden ganz gut gewesen, hätte es zwischen Rom und den jüdischen Gläubigen nicht einen existentiellen Streitpunkt gegeben: Wie definierte sich das Verhältnis zwischen Untertan, Kaiser und Gott?

Zentrum des Kaiserkults der Provinz Asia: Der Tempel für Roma und Augustus in Ephesos. Claudius. Cistophor, 41/2, Ephesos (Ionien). Selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 1.500,- Euro. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 1036

Denn im ganzen römischen Weltreich hielt der Kaiserkult Menschen der unterschiedlichsten Glaubensvorstellungen zusammen. Nicht etwa, dass ein spanischer Kelte, ein ephesischer Händler oder ein Vorfahre der mauretanischen Beduinen tatsächlich geglaubt hätte, der Mann mit dem Lorbeerkranz in Rom sei tatsächlich ein Gott. Das wurde auch gar nicht verlangt. Verlangt wurde die nominelle Huldigung, das Abhalten der mit dem Kaiserkult verbundenen Riten als ein Zeichen der Anerkennung. Und dazu gehörte es nun einmal nach römischen Vorstellungen, eine Statue des Kaisers in der Nähe der lokal ansässigen Götter zu platzieren.

Der Tempel von Jerusalem. Modell Israel Museum / Jerusalem. Foto: UK

Was natürlich nach jüdischen Vorstellungen ein Ding der Unmöglichkeit war. Und so ist das, was Flavius Josephus über den Beginn des großen Krieges zwischen Juden und Römern erzählt, durchaus möglich: Ein griechischer Händler habe in Caesarea provokativ vor dem jüdischen Tempel Vögel zu Ehren der Götter geopfert. Daraufhin habe der Priester die für den Kaiser dargebrachten Gebete und Opfer eingestellt. Eigentlich keine große Sache, aber nimmt man dazu, dass die Bevölkerung der Provinz alles andere als glücklich war über die hohen Abgaben, schaukelte sich die Affäre schnell hoch. Als der römische Statthalter Florus in den Tempel von Jerusalem einmarschierte, um die ausbleibenden Steuern mit einem Teil des (wirklich großen) Tempelschatzes zu decken, brach der Aufstand los.

In der „Burg Antonia“ war zu Beginn des Krieges eine Kohorte (theoretisch 480 Mann) der X. Legion stationiert. Modell Israel Museum / Jerusalem. Foto: UK

Die römische Garnison von Jerusalem wurde überrannt, die Festung Masada erobert. Und zum Kampf gegen die Römer gesellte sich ein innerjüdischer Konflikt, ob man versuchen solle, die Invasoren zu vertreiben oder nicht.

Ein numismatisches Zeugnis eines freien Jerusalem: Schekel, Jahr 2 (= 67/8), Jerusalem. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 787

Cestius Gallus, Statthalter von Syrien, reagierte schnell. Er zog in Eile eine Armee zusammen und marschierte in Judäa ein. Doch zum Entsetzen der römischen Obrigkeit errangen die Aufständischen in der Schlacht von Beth Horon einen triumphalen Sieg. 6.000 römische Legionäre sollen damals gestorben sein. Die Legio XII Fulminata verlor ihren Adler. Cestius Gallus floh nach Syrien, und Simeon ben Gamliel rief in Jerusalem das freie Judäa aus.

Vespasian. British Museum 1850-3-1.35. Foto: UK

Auch wenn man wie Nero kein besonderes Interesse an der Macht hatte, sondern sich lieber der Kunst widmete, blieb dem Kaiser keine andere Wahl, als einen Feldherrn zu schicken, der den Aufstand niederschlagen sollte. Nero wählte dafür Vespasian, einen von seiner Herkunft her ziemlich unbedeutenden Proconsul. Dessen Vater war „nur“ ein Ritter gewesen, in römischen Augen ein ziemliches Manko. Damit eignete sich Vespasian bestens dafür, ein großes Heer anzuführen, ohne dem Kaiser als Konkurrent gefährlich zu werden. Ein großer Irrtum!

Denn Vespasian war ein genialer Organisator, ein uneitler, ergebnisorientierter Befehlshaber, der so etwas wie das Gemeinwohl ernst nahm.

In Judäa angekommen, machte er sich daran, mit rund 60.000 Mann die aufständische Provinz Stadt für Stadt zurückzuerobern. Seine Aufgabe wurde ihm dadurch erleichtert, dass sich die verschiedenen jüdischen Parteien untereinander bekämpften. Und der Sieg war schon abzusehen, als Nero zum Feind des römischen Volkes erklärt wurde.

Akte holt den Leichnam Neros nach seinem Selbstmord, um ihn zu begraben. Russisches Museum / St. Petersburg

Eigentlich war Vespasian bereit gewesen, Galba anzuerkennen. Aber noch ehe sein Sohn Titus in Rom angekommen war, um ihm zu huldigen, war Galba tot und Vespasian einer der aussichtsreichen Kandidaten auf die Nachfolge. Er verfügte wegen seines Kampfes in Judäa über ein großes Heer. Er hatte vielversprechende Söhne und gute Aussichten, eine neue Dynastie zu etablieren. Mit Unterstützung der Statthalter von Ägypten und Syrien meldete er seine Ansprüche an und ließ sich vom Heer zum Kaiser ausrufen.

Wir müssen die Ereignisse des Vier-Kaiser-Jahres nicht noch einmal in allen Einzelheiten wiederholen. Das Resultat war die Machtergreifung Vespasians. Und der hatte nun ein echtes Problem, weil er hinsichtlich Herkunft, Ämterlaufbahn, persönlichem Auftreten, Verbindungen weit hinter dem zurückblieb, was die römische Oberschicht von ihrem Kaiser erwartete. Trotzdem übertrug ihm Mitte des Jahres 70 n. Chr. in der „lex de imperio Vespasiani“ der Senat alle Vollmachten eines Princeps.

Titus. British Museum 1909.6-10.1. Foto: UK

Ungefähr gleichzeitig eroberte sein Sohn Titus die Stadt Jerusalem. Für die jüdische Bevölkerung war es ein Desaster. Flavius Josephus gibt an, dass 1,1 Mio. Menschen während der Belagerung getötet wurden. Was mit Sicherheit weit übertrieben ist. Aber auch das Hinschlachten von 15.000 bis 20.000 Menschen, wie Historiker heute schätzen, ist furchtbar! Die Stadt wurde zerstört, der Tempel dem Erdboden gleich gemacht. Die mit dem Tempel verbundene Steuer in Höhe von 2 Drachmen musste – welche Demütigung! – in Zukunft an den Tempel des römischen Iuppiter Capitolinus entrichtet werden.

Der Triumph des Titus. Malerei auf Limoges-Prunkgeschirr von Jean de Court, 16. Jh. n. Chr. Foto: UK

Auch wenn in Judäa einzelne Städte noch auf ihre Eroberung warteten, kehrte Titus nach Rom zurück und zog zusammen mit seinem Vater im Juni des Jahres 71 n. Chr. im Triumph durch Rom. Das war wichtig sowohl für den neuen Kaiser als auch für alle anderen Mitglieder seiner Dynastie.

Vespasian. Denar, 69/70. Gutes sehr schön. Schätzung: 250,- Euro. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 1089

Denn nach römischer Überzeugung war ein Sieg über auswärtige Feinde immer etwas, das mit der Gunst der Götter verbunden war. Sie hätten Vespasian und Titus nie den Sieg geschenkt, hätten sie nicht ihre Herrschaft über Rom gebilligt. Dies war ein echtes Argument, dem kein Mitglied der römischen Oberschicht etwas entgegenzusetzen hatte. Auch wenn Judäa für einen durchschnittlichen Römer am Ende der Welt lag, war es doch der einzige siegreiche Krieg gewesen, den die Römer in den vergangenen Jahren nicht gegen andere Römer, sondern gegen eine Art ideologischen Gegner geführt hatten.

Vespasian. Quadrans, 71. Vorzüglich. Schätzung: 500,- Euro. Aus Auktion Künker 318 (11./12. März 2019), Nr. 1095

Deshalb spielt die Niederlage Judäas in der römischen Propaganda eine so entscheidende Rolle. Immer wieder wurde in den kommenden Jahren der Sieg über die Juden auf Münzen thematisiert. Dazu besitzen wir den außerordentlich gut geschriebenen Bericht über die Geschehnisse aus der Feder eines Klienten des Titus mit Namen Flavius Josephus. Er hatte seine eigenen Gründe, die romantischen Züge des Krieges herauszustellen.

So wurde dem ersten Krieg zwischen Juden und Römern wesentlich mehr Aufmerksamkeit zuteil als jeder anderen militärischen Auseinandersetzung während der gesamten römischen Kaiserzeit.

Die Klagemauer. Gemälde von Jean-Léon Gérome um 1880. Israel Museum. Foto: UK

Wahrscheinlich tendieren wir deshalb dazu, die Bedeutung des Kampfes für Rom ein wenig zu überschätzen. Wobei man seine Bedeutung für die Betroffenen sicher nicht hoch genug bewerten kann. Ganze Familien ausgerottet, die Heimat zerstört, die Menschen vertrieben oder in die Sklaverei verkauft – jeder Krieg ist für die Opfer schrecklich!


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