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Weibliche Perspektiven: Deutsche Münzentwürfe von Meisterhand

Im Sommer 2018 prägte Anna Steinmann in der Berliner Münze die von ihr entworfene Gedenkmünze zum 150. Geburtstag von Peter Behrens an. Die junge Goldschmiedin, Schmuck- und Produktdesignerin ist Absolventin der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Im Jahr 2012 gründete sie ihr Schmucklabel baaj, bezog einige Zeit später in der Schliemannstraße im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg ihr eigenes Atelier. Dort fertigt sie in Handarbeit hochwertige, minimalistische Schmuckstücke. Fünf Jahre nach ihrem Berufsstart nahm sie zum ersten Mal an einem Wettbewerb zur Gestaltung einer Gedenkmünze teil – und gewann! Die Bildseite der Silbermünze zu 20 Euro zeigt den berühmten Architekten und Industriegestalter Peter Behrens (1868-1940) vor einer Abstraktion seiner AEG-Turbinenhalle, des wohl berühmtesten von ihm konzipierten Industriebauwerks in Berlin-Moabit.


20 Euro, Deutschland, 150. Geburtstag Peter Behrens, 2018, Silber, Entwurf: Anna Steinmann. Bildquelle: Worbes-Verlag.

Mit nachdenklich gesenktem Kopf, runder Nickelbrille und Tabakspfeife im Mund schaut er mutmaßlich auf eine seiner Architekturzeichnungen. Der filigrane Adler auf der Rückseite variiert das Bildmotiv der Vorderseite auf raffinierte Weise. Die Randschrift der Münze entstammt einem von Behrens selbst verfassten Lebenslauf, in dem er lediglich sein Geburtsdatum notierte und den Satz anfügte: „IM UEBRIGEN AUTODIDAKT“. Das Preisgericht würdigte den Entwurf von Anna Steinmann als charakteristisch für den Geehrten: „Die Reduktion der Hintergrundarchitektur auf wenige rhythmische Linien steht für seine Haltung. Peter Behrens verstand das Gestalten seiner Umwelt ganzheitlich. Die lichte, leicht gesperrte Schrift steht formal für die Schaffensperiode des Jubilars. Die plastischen Lösungen der Bildseite finden ihren Spiegel in der Adlerfigur.“


Dass Frauen sich so unkompliziert als Medailleure profilieren können, ist nicht selbstverständlich. Schaut man in die Listen prominenter Medailleure aus dem 19. Jahrhundert, wird man neben den zahlreichen Männern so gut wie nie eine Frau entdecken. Erst im Lauf des 20. Jahrhunderts änderte sich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen unter den Münzgestaltern allmählich. Unter den Gestaltern von deutschen Gedenkmünzen tauchte im Jahr 1966 erstmalig der Name einer Frau auf. Es war Ursula Homfeld, die sich gemeinsam mit ihrem Mann Claus die Ausführung ihres Entwurfs für ein 5-Mark-Stück zum 250. Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz durchsetzen konnte.


10 Deutsche Mark, BRD, Olympische Spiele in München, 1972, Silber, Entwurf: Doris Waschk-Balz. Bildquelle: Zwickauer Münzhandlung.

Zu einer renommierten Bildhauerin und Medailleurin der Bundesrepublik entwickelte sich Doris Waschk-Balz (geb. 1942). Nach einem Studium in Stuttgart und Hamburg etablierte sie sich 1968 als freischaffende Künstlerin. Allein fünf Sonder- bzw. Gedenkmünzen gehen auf die äußerst produktive Künstlerin zurück. Zwischen 1968 und 1973 erschienen Gedenkmünzen zu den Geburts- und Todestagen von Johannes Gutenberg, Gerhard Mercator und Immanuel Kant. Besonders gelungen ist ihr Entwurf für ein 10-Mark-Stück anlässlich der Olympischen Spiele 1972 in München, mit dem sie sich in der Preisgerichtssitzung am 25. März 1971 durchsetzen konnte. Ihre letzte ausgeführte Münze war ein 10-Mark-Stück, das im Jahr 2000 zum zehnten Jahrestag der Deutschen Einheit herauskam.


Mit einer Münze zu den Olympischen Spielen 1972 tat sich auch Greta Lippl-Heinsen hervor, die Ehefrau des renommierten Bildhauers und Medailleurs Robert Lippl. Der erinnert sich, dass er seine Frau ermunterte, sich an dem offenen Wettbewerb zu beteiligen. Auf Anhieb bekam sie mit einer Wiedergabe der Spirale als offiziellem Symbol der Spiele den ersten Preis: „Ihre eigene große künstlerische Leistung aber war, den Adler auf der Rückseite (…) in eine leicht abstrahierte Form zu bringen, die mit der Spirale konform ging. Auch die Flächen der Spirale schnitt sie in leichter Neigung. Dazu kam auch noch die entsprechende Beschriftung. Es war selbstverständlich, dass meine Frau ganz ohne meinen Einfluss arbeitete. Ich selbst hätte mit dieser Formensprache gar nichts anfangen können und war schon froh, bei dem Wettbewerb einen vierten Preis zu bekommen.“ (GeldKunst-KunstGeld, Osnabrück 2005, S. 187).


Als dritte Frau, die sich mit dem Entwurf einer Gedenkmünze in der „alten“ Bundesrepublik etablieren konnte, ist Ursula Schmidt-Malzahn zu nennen. Sie setzte sich mit einem Entwurf zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 durch.


In der DDR gab es keine Frauen, die eigenständige Entwürfe auf Gedenkmünzen platzieren konnten. Das mag zum Teil an der Sitte gelegen haben, dass die Münzen häufig von Teams aus einem Bildhauer und einem Grafiker entworfen wurden: „Offenbar gab es bewährte Teams, die sich immer wieder zusammenfanden, beziehungsweise gern gemeinsam als Arbeitsgruppe durch die Staatsbank beauftragt wurden. Solche Teams bildeten auch die Ehepaare Sneschana Russewa-Hoyer und Heinz Hoyer sowie Bettina Klink-von Woyski und Wilfried Klink. Das Arbeiten in ‚Kollektiven‘ entsprach dabei durchaus den Vorstellungen der SED.“ (Ebenda, S. 146).


20 Mark, DDR, 100. Todestag von Karl Marx, 1983, Kupfer-Nickel, Entwurf: Sneschana Russewa-Hoyer und Heinz Hoyer. Bildquelle: Historia Hamburg.

Das überaus produktive Kollektiv Russewa-Hoyer und Hoyer entwarf zwischen 1983 und 1990 insgesamt elf DDR-Gedenkmünzen, darunter so bedeutende wie jene zum 100. Todestag von Karl Marx. Von den Gestaltern Klink-von Woyski und Klink stammen drei Münzen, die zwischen 1987 und 1989 herauskamen. Als wahrscheinlich bedeutsamste Arbeit muss jene mit der Wiedergabe des Stadtsiegels anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins gewertet werden. Als weitere Gestalter-Kollektive mit männlicher und weiblicher Besetzung sind Erika Schöneberg und Rainer Radack sowie Evelyn Hartnick und Dietrich Dorfstecher mit fünf bzw. zwei DDR-Gedenkmünzen zu nennen.


Die Nachwendezeit stellte individuelle Leistungen wieder in beiden Teilen Deutschlands in den Vordergrund. Obgleich Frauen als Gestalter von Gedenkmünzen noch immer in der Minderzahl sind, ist doch ein steigender Anteil unter den Gewinnerinnen und Gewinner der Wettbewerbe zu beobachten. Neben Doris Waschk-Balz konnten sich mit Aase Thorsen und Lucia Maria Hardegen zwei Frauen schon in den ersten 15 Jahren durchsetzen.

10 Deutsche Mark, Deutschland, 350 Jahre Westfälischer Friede, 1998, Silber, Entwurf: Aase Thorsen. Bildquelle: Münzen-Datenbank.

Die Bildhauerin und Malerin Aase Thorsen (geb. 1942) gewann 1998 erstmals einen Wettbewerb zur Gestaltung von Gedenkmünzen mit einem Entwurf zum 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens. Das Preisgericht beeindruckte die „ästhetisch ausgezeichnete Münzwirkung“. Thorsen hatte auf der Vorderseite vier Symbole des Friedensschlusses kombiniert: eine Taube mit dem Ölzweig als Symbol für die göttliche Friedensbotschaft, die Einigkeit der vertragsschließenden Parteien in Gestalt, der sich reichenden Hände, das Tintenfass mit der Feder für das Vertragswerk und eine stilisierte Darstellung zweier Lippenpaare als Symbol des Friedenskusses. Das zuletzt genannte Friedenssymbol hätte man von einem männlichen Gestalter wohl kaum erwarten dürfen. In kurzer Zeit folgten weitere Gedenkmünzen von Thorsen, nämlich jene zum 250. Todestag von Johann Sebastian Bach (2000), zum Jubiläum des Bundesverfassungsgerichtes (2001) und anlässlich der EU-Osterweiterung (2004).


Zur gleichen Zeit konnte sich auch die Medailleurin Lucia Maria Hardegen in den Wettbewerben durchsetzen, nämlich mit den Bildseiten dreier Sondermünzen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Wertseiten gestaltete in allen drei Fällen Erich Ott. Die Bildhauerin (geb. 1951) war lange als Kunstpädagogin in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig. Über ihr Credo sagt sie: „Für mich als Bildhauerin ist die Gedenkmünze hauptsächlich Kunstwerk. Ein Kunstwerk, das auf kleinstem Raum Information, Haptik, Interpretation, Abstraktion und Plastizität beinhaltet. Nach diesem Prinzip arbeite ich.“ (Ebenda, S. 185).


Heute werden Studenten und Studentinnen von Kunsthochschulen gelegentlich in Nachwuchswettbewerben des Bundes mit der Möglichkeit der Münzgestaltung vertraut gemacht. An einem Wettbewerb für eine Münze zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms vor einiger Zeit etwa beteiligten sich 20 Studenten von vier Kunsthochschulen – darunter der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. An dieser Schule studierte auch Anna Steinmann.


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