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Vom Quarter zum Nickel: Auf Abenteuerkurs durch die Staaten


Amerika: Sehnsuchtsziel der Siebziger seit dem „Summer of Love“ 1967. [Bildquelle: Flickr, Txemari].

„Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister. Die von der man kommt und in die man geht.“ Diese simple Wahrheit steht für das schnoddrige, provokante Auftreten der US-Amerikaner. Noch heute schwärmen viele, die vor vierzig Jahren jung waren, von einem Buch, das Reinhold Ziegler (1955-2017) vor mehreren Jahrzehnten schrieb. Das obige Zitat ist sein Motto: „Achim fährt mit Babe, seinem Auto, durch Amerika. Er will sein Amerika finden. So, wie er es aus den Erzählungen seines Vaters kennt. Er wird getrieben von Heimweh und er will reden. Reden über Rika, die schwanger ist, und das vielleicht von einem anderen.“ Unterwegs liest er Sparky auf, den 14-jährigen Tramper, der von zu Hause ausgerückt ist, der lügt, was das Zeug hält. Die beiden erleben den Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Achim ist abgelenkt von den Problemen mit Rika, denn jeder Tag bringt neue Bekanntschaften. Halbnackte Hippies, Polizisten, Schwule in San Francisco. Sparky hat seinen ersten Sex mit einem gleichaltrigen Mädchen. Nach unzähligen Abenteuern will Achim aber nur noch eins – zurück nach Deutschland, zu seiner Rika: „Ein wunderschönes Buch für Träumer, aber auch für Roadmovie-Liebhaber.“ (Miriam Gleichauf; Kundenrezension auf Amazon).

Lebensweisheit eines US-Roadies bzw. Deckel des Buches von Reinhold Ziegler. [Bildquelle: Booklooker, Beltz & Gelberg].

Wie viele Münzen nötig waren, um mit seiner Freundin daheim zu telefonieren, hätte sich Achim nicht träumen lassen. Er hatte ja nur gefragt, was er tun musste, wenn er von einer Telefonzelle ein Gespräch nach Deutschland führen wollte. Die Antwort: „Zuerst gehst du in ein Geschäft und besorgst dir Quarters. Das sind die 25-Cent-Stücke – solche hier, schau! (…) Also, viele Quarters, so für fünf bis zehn Dollar, je nachdem wie lange du telefonieren möchtest.“ (Reinhold Ziegler: Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister, Weinheim 1985, S. 48). Wenig später lässt sich Achim in einem New Yorker Café für zwölf Dollar und 50 Cents eine ganze Rolle mit solchen Münzen geben. Als er seine Freundin am Apparat hat, wirft er wie ein Verrückter die Quarters ein. Mit seinem neuen Reisegefährten Sparky werden bald Münzen für zwei Leute gebraucht. Der 14-Jährige hilft, neue zu besorgen: „Hab ich gerade den anderen Kids beim Münzenwerfen abgenommen, 11 Dollar 25. (…) In Sudbury war ich Weltmeister im Münzenwerfen.“ (Ebenda, S. 150). Vierzig Quarterstücke zählt er Achim in die Hand. Auf einem Campingplatz angekommen, brauchen sie das Geld jedoch zunächst einmal für einen Waschsalon. Denn auch dort werden die Maschinen mit Quarters gefüttert!

25 Cents (Quarter Dollar, Kupfer-Nickel, 24 mm, Auflage: 417.341.364 Exemplare. [Bildquelle: Professional Coin Grading Services].

Der nächste Anruf bei Rika wird vorbereitet, indem sich Achim in die Warteschlange einer Bank einreiht. Zehn Dollar in Quarterstücken wechselt er. In der Zelle wählt er die vielen Nummern der Vorwahl nach Deutschland. Eine Computerstimme meldet sich: “Five dollars and seventy-five cents for the first three minutes.” Dann beginnt das Drama. „Ich stopfe Quarters in den Schlitz, ein Dollar, eineinviertel, eineinhalb. Dann fallen mir Quarters runter, ich bücke mich, reiße fast das Kabel vom Hörer ab. Waren es jetzt schon vier Dollars oder erst drei? Ich stecke weitere Quarters ein.“ (Ebenda, S. 202). Kaum sind die ersten Nachrichten ausgetauscht, meldet sich die Computerstimme wieder. Eineinviertel Dollar werden für die nächste Minute fällig. Als Rika fragt, wer denn da in das Gespräch hineinredet, antwortet Achim: „Ein Telefoncomputer, er will Geld.“ (Ebenda, S. 203). Schon nach kurzer Zeit ist die Reisekasse leer. Sparky schlägt vor, dass Achim mit seinem Saxophon auf der Market Street spielt. Er selbst werde mit einem Hut herumgehen. Leute bleiben stehen: „Ein älterer Mann zieht einen Quarter raus und wirft ihn rein. Sparky dankt höflich. Dann trauen sich immer mehr, Quarter kommt auf Quarter, wer nur einen Nickel gibt, kann nicht erwarten, dass Sparky ihm sehr herzlich dankt.“ (Ebenda, S. 208). Sie zählen nach: 24 Dollar und 94 Cents! Auf der Weiterfahrt erzählt Sparky von Kanada und seinen Eltern: „Habe ich dir erzählt, dass ich von dort komme, wo sie die Nickels machen? Die ganzen Berge um diese sogenannte Stadt Sudbury sind aus Nickel, und sie holen es aus der Erde und pressen es zu kleinen Fünf-Cent-Stücken. Das scheint ihnen aufregend genug. Sie machen Nickels, den ganzen Tag und immer. Daddy Jonas nimmt mich morgens mit zur Ampel bei der Schule, dann gibt er mir einen Kuss auf die Backe und geht Nickels machen. Jeden Tag – seit ich denken kann.“ Als Achim fragt, was die vielen anderen Leute in der Stadt so treiben, bekommt er zur Antwort: „Die anderen gehen samstags shopping und geben die Nickels aus. (…) Von Montag bis Freitag pressen sie Nickels, und am Samstag gehen sie mit der ganzen Familie ins Einkaufszentrum und geben sie wieder aus.“ (Ebenda, S. 212). Als Las Vegas zum nächsten Reiseziel erkoren wird, ziehen Achim und Sparky je einen Quarter aus der Tasche und stecken ihn in einen Schlitz auf dem Armaturenbrett. Die Münzen sollen als Einsatz im Spielcasino dienen. Die Münzen auf dem Brett erinnern Sparky an die Heimat: „Oben auf einem Hügel in Sudbury haben sie einen riesigen Nickel aufgestellt – ein Gelddenkmal.“ (Ebenda, S. 220).

Monument „Big Nickel” in Sudbury (Ontario, Kanada). [Bildquelle: Wikimedia, Marcoplo 78].

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