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Schatzsuche anno 1687: Die Mission des William Phips

Die spanische Silberflotte war in jenem Jahr spät dran. Erst Ende Juli 1641 brachen die 20 Schiffe in Veracruz (Mexiko) auf. In Havanna kam es zu einem obligatorischen Zwischenstopp, um das Eintreffen der Tierra-Ferma-Flotte von der südamerikanischen Westküste abzuwarten. Die Weiterreise des auf 31 Schiffe angewachsenen Konvois verzögerte sich so bis Mitte September. Die Sturmsaison nahte. Nach nur neun Tagen auf See gerieten die Schiffe in einen Hurrikan. Die Nuestra Señora de la Concepción, das Flaggschiff des Verbandes, hatte mehrere undichte Stellen am Schiffsrumpf. Die Flotte musste umkehren, um die Lecks in Havanna abzudichten. Am 28. September 1641 stach der Verband erneut in See. In einem weiteren Sturm gingen mehrere Schiffe verloren. Das Flaggschiff wurde von den anderen Galeonen getrennt. Mit zerfetzten Segeln und gebrochenen Masten trieb es vor dem Wind. Anfang November lief es in einem weiteren Sturm auf ein Riff der sogenannten Silberbank vor Haiti. Etwa 200 Schiffbrüchige der 500 Mann umfassenden Besatzung konnten sich auf eines der Riffs retten. Vergeblich warteten sie dort auf Rettung. Bis zum Festland schafften es später nur sehr wenige, unter ihnen der Steuermann.


William Phips (1651–1695) als Gouverneur der britischen Kronkolonie Massachusetts

[Wikimedia, Library of Congress]

Einige Jahrzehnte später half der Handelskapitän William Phips in Nassau (Bahamas) einem alten Mann, den Einheimische überfallen hatten. Zum Dank erzählte ihm der Alte aus seinem ereignisreichen Leben: „Ich heiße Ottavio und fuhr in jungen Jahren zur See – auf spanischen Galeonen. 1641 heuerte ich als Steuermann auf der Nuestra Senora de la Concepción an, dem Flaggschiff der Tierra-Ferma-Flotte, die von Havanna aus nach Spanien segelte. Wir befanden uns noch auf dem karibischen Meer, als eines Nachts unser Schiff während eines Unwetters auflief und zerschellte. Das schreckliche Abreollio-Riff ist der von mir gesteuerten Schatzgaleone zum Verhängnis geworden. Ich gehöre zu den wenigen Überlebenden und werde seitdem von allen möglichen dunklen Existenzen gejagt, denn als ehemaliger Navigator kenne ich selbstverständlich die genaue Untergangsstelle. Sie befindet sich nördlich von Porto Plata – ich habe es auf einer Karte exakt vermerkt.“ [1] Kapitän Phips segelte nach England, um Unterstützung für eine Bergungsaktion zusammenzutrommeln. Es gelang ihm, bei König Karl II. (1630–1685) persönlich vorzusprechen. Mit einem geeigneten Schiff ausgestattet, untersuchte er den Meeresboden an der „Silberbank“ mit einem Kalfaterglas (Guckkasten) – zunächst ohne greifbaren Erfolg.


Entladung der Schätze im Jahre 1687 nach einer historischen Abbildung aus

The Border Wars of New England [Wikimedia, Magic Piano]

Mit leeren Händen nach London zurückgekehrt, konnte sich Phips für eine zweite Expedition die Unterstützung wohlhabender Gönner sichern. Dieser Bergungsversuch verlief erfolgreicher als der erste: Mithilfe der Fregatte James and Mary und dem Hilfsschiff Henry of London fand die Crew am 29. Januar 1687 die von Korallen überwucherte Galeone. Eingeklemmt zwischen zwei großen Felsen, lag sie in geringer Tiefe: „Man führte, solange es das Wetter erlaubte, pausenlos Taucheinsätze durch. Anfangs wurde jedes einzelne Fundstück vom Schiffsschreiber sorgfältig registriert, sobald es sich an Bord der James and Mary befand. Diese Liste enthielt aber nur Angaben über Goldstücke, Silberbarren und Metallscheiben. Bei ruhiger See wurden die Piaster und die Barren peinlich genau gewogen und verzeichnet. […] Die Aufzeichnungen bewiesen ganz deutlich, dass die Taucher wirklich auf den Laderaum der Galeone gestoßen waren, in dem die Schätze verstaut lagen, denn sie führen den Fund von Silbergeschirr (das nur aus dem ‚Tresorraum‘ stammen konnte) und vielen Beuteln mit Goldstücken mit einem Gewicht von insgesamt 1138 Pfund auf.“ [2]


Detailaufnahme einer goldenen Halskette von der Nuestra Señora de la Concepción [wrecksite.eu]

Innerhalb von zwei Monaten brachten einheimische Taucher einen Teil der Schätze ans Tageslicht. Die Bergung war jedoch von außerordentlichen Schwierigkeiten begleitet. Die indigenen Taucher, die Phips angeheuert hatte, waren nach den anstrengenden Arbeiten unter Wasser völlig unterkühlt und spuckten immer wieder Blut. Doch das war nicht alles. Die Besatzung seiner Schiffe drohte im Angesicht der umfangreichen Schätze zu meutern! Erst nach Zusicherung eines Anteils waren die Männer dazu zu bewegen, wieder an die Arbeit zu gehen. Eines Tages erklärte ein völlig entkräfteter Taucher, dass er tief im Inneren des Laderaumes eine große Truhe entdeckt habe. Die Kiste sei so schwer, dass er sie nicht habe bewegen können: „Drei Tage arbeiteten die Taucher, legten Taue um die Truhe und schleppten die schwere Last mühsam aus dem Wrack ins Freie. Als man die Kiste endlich an Bord der James an Mary gehievt und mit Axthieben geöffnet hatte, tat sich ein Traum aus Tausendundeiner Nacht vor den staunenden Augen der Schatzsucher auf – Perlen, Smaragde, Rubine, Diamanten, Goldschmuck, Statuen von unbekannten Gottheiten mit grässlichen Fratzen und Kristallkelche, die beim Zerbrechen wie eine Spieluhr ertönten.“ [3]


8 Reales. Schiffscob von der Concepción. 931er Silber, 27 g, ca. 35 mm [WorthPoint]

Nun verließ Phips die Silberbank. Auf der Heimreise entwischte er nur knapp einem französischen Freibeuterschiff. Bei seiner Ankunft in England wurde Phips ein triumphaler Erfolg bereitet: „Ganz London war auf den Beinen, als der 200-Tonner James and Mary im April 1687 in Greenwich einlief. Und dies hatte seinen guten Grund. Noch nie war ein Schatz dieser Größenordnung gehoben worden. Hinzu kam, dass man ihn unter den Augen der Spanier, Großbritanniens Erzrivalen um die Herrschaft in der Neuen Welt, hatte bergen können.“ [4] Die Ausbeute im damaligen Wert von 207.600 Pfund Sterling konnte sich sehen lassen. Etwa 17.769 Kilogramm an Silbergeschirr sowie Münzen wurden gefunden, 13.778 Kilogramm an Barrensilber, 1.886 Kilogramm an religiösen Kultgegenständen aus Gold und Silber, 13 Kilogramm Gold in runden Scheiben und 188 Kilogramm Edelsteine und Perlen. Stolz paradierte Phips mit einem goldenen Band am Hut und einer meterlangen Halskette aus Gold über die Decks der James and Mary. Zum Dank wurde er 1692 zum Gouverneur der britischen Kronkolonie von Massachusetts befördert.


Großbritannien. Gedenkmedaille zur Schatzbergung von 1687. Silber, 56,6 g, 54 mm

[Heritage Auctions, Monthly Auction 271947/40036]


Quellen

  1. Günter Lanitzki: Schatztaucher; Leipzig 1986, S. 90

  2. Jacques-Yves Cousteau, Philippe Diolé: Silberschiffe; München 1972, S. 182f.

  3. Ebenda, S. 184

  4. Verborgene Schätze; Amsterdam 1991, S. 108


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